DARMSTADT - Schimpfen und Motzen gehört mittlerweile zum Straßenverkehr fast genauso selbstverständlich dazu wie Ampeln und Verkehrsschilder. Meist kriegen sich dabei die Verkehrsteilnehmer untereinander in die Haare – aber auch gegen Polizisten, Ordnungshüter oder Taxifahrer wird gerne mal gepöbelt.
Polizist erhebt die Hand: In einem Fall hielt ein Motorradpolizist den Wagen einer Frau an, weil sie eine Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung befuhr. Doch anstatt den Verkehrsverstoß zuzugeben, wütete die Frau los – in Gegenwart ihrer drei Kinder, die mit im Auto saßen – und ließ eine Schimpfkanonade ersten Ranges ab. Sie ging sogar physisch auf den Beamten los, der kurz davor war, mit seinem Bike umzukippen. Zeugen des Geschehens sagten aus, dass die Frau „vollkommen hysterisch“ gewesen sei. Der Polizist konnte sich dem nur entziehen, indem auch er „die Hand erhob“. Er schlug der Frau mit seinem Handschuh gegen den Kopf – eine gebrochene Nase war die Folge. Dafür verlangte die Verkehrssünderin Schmerzensgeld vor dem Amtsgericht Düsseldorf – vergeblich. Das Gericht verneinte das, weil es die Handlung des Polizisten als „Notwehr“ einschätzte. Letztlich maßgebend für den „Freispruch“ für den Beamten waren die plausiblen Zeugenaussagen (AZ: 116 Ds 238/15).
Mehrere Hundert Euro Strafe: Das Amtsgericht Berlin Tiergarten hat einen Autofahrer zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes als „Arschloch“ beschimpft hatte. 600 Euro wurden dafür fällig. In einem zweiten Fall vor demselben Gericht wurden sogar 900 Euro Geldstrafe ausgesprochen, weil dem Ordnungshüter der „Mittelfinger“ gezeigt und diverse Beleidigungen an den Kopf geworfen wurden (AmG Berlin-Tiergarten, 305 Ds 3034 Js 8444/16 - 34/16 u.a.)
Von der Beschimpfung bis zum Segensspruch: Das Amtsgericht Ehingen hatte darüber zu entscheiden, wie schlimm der Ausspruch „Leck mich am Arsch“ tatsächlich ist und ob er immer eine Beleidigung darstelle. Dabei zog es unter anderem das literarische Schauspiel „Götz von Berlichingen“ (Goethe) hinzu und kam zu dem Ergebnis, dass die Aussage sehr vielfältig ist. So reiche sie „je nach Bildungsstand, Gepflogenheit, Herkunft, Landsmannschaft, Geschmack oder äußerem Anlass von der Ehrenkränkung und Beschimpfung über eine Verfluchung oder über Gefühlsausbrüche bei Schmerz, Freude oder Rührung bis hin zum Segensspruch“. Es komme auf die Situation an, die hier so aussah: Eine Frau hatte ein Taxi bestellt, um 15 Minuten später einen Zug am Bahnhof zu nehmen. Der Taxifahrer verspätete sich – den Zug verpasste die Frau dadurch. Die Aufforderung der Frau, der Fahrer habe sie nun für den Stadtfahrtpreis an den Ort zu fahren, den sie eigentlich per Zug erreichen wollte, beantwortete der Chef des Taxi-Lenkers am Telefon mit dem beschriebenen Zitat. Das Gericht widersprach der Taxi-Kundin, die den Unternehmer wegen Beleidigung vor Gericht brachte – dieser sei nicht strafrechtlich zu belangen. Eine Ehrverletzung liege nicht vor (AZ: 2 Cs 36 Js 7167/09).