Schallplatten für alle Lebenslagen: Gerald Wrede verkauft auch Raritäten
Von Miriam Gartlgruber
Lieblingsstücke aus der Abteilung Skurriles: Gerald Wrede legt seinen Kunden gerne außergewöhnliche Platten ans Herz. Foto: Guido Schiek
( Foto: Guido Schiek)
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DARMSTADT - „Ich will Musik unter die Leute bringen“, beschreibt Gerald Wrede, Inhaber des Schallplattenladens „Musik als Hilfe“ seine Passion. Selten geht es bei der Musik um Mainstream: „Platten von Chris de Burgh oder Saga, die man auf jedem Flohmarkt kriegt, stehen bei mir draußen und sind für 3 Euro zu haben“, sagt der Inhaber des kleinen Lädchens in der Pallaswiesenstraße.
Seine Lieblinge seien eher die „obskuren Stücke“: Platten wie „Songs international“ von Portas, einer Firma für Renovierungslösungen aus Offenbach, die Lieder über ihr eigenes Unternehmen in deutsch, englisch und holländisch aufgenommen haben. „Einmal singen sie sogar wie die Schlümpfe“, erzählt Wrede und lacht. „Ich mag es einfach, Menschen so etwas nahezubringen.“ Neben den skurrilen Platten gibt es im Laden natürlich auch Musik aus den gängigen Bereichen: Blues, Soul, Folk, Metal, Techno sowie Rock und Pop quer durch die Jahrzehnte.
Etwas Besonderes ist eine extra Abteilung für Songs aus Darmstadt. Der Ladeninhaber berichtet, rund 30 Künstler kämen mehr oder weniger regelmäßig, um ihre selbst produzierten Stücke bei ihm in Kommission zu geben. „Das mache ich aber nur in dieser Sparte, ansonsten kaufe ich Schallplatten an.“ Denn das gehört zu seinem Konzept: Schallplattensammlungen von Privatbesitzern, Secondhand weiterzuvermarkten.
DIE SERIE
Sie bestehen häufig seit Jahrzehnten und das nicht selten in Familientradition: Kleinunternehmen unserer Region. Abseits der mittelständischen Firmen und großen Konzerne werden sie oft nur unterschwellig wahrgenommen. Das soll sich durch die Serie „Die kleine Wirtschaft“ ändern. (red)
„Der Standort in der Pallaswiesenstraße ist dafür super geeignet, denn hier hält alle fünf Minuten ein Bus“, erklärt Wrede. Lücken im Sortiment schließe er mit Käufen im Internet, doch da, so sagt er, „herrschen utopische Preise. Eine Schallplatte, die bei Ebay 19,90 Euro kostet, verkaufe ich hier für 7 Euro.“
Er orientiere sich mit seinen Preisen an der Website „Discogs“, einer Online-Datenbank für Diskografien von Musikern und Labels. „Das ist wahrheitsgetreu“, weiß der Experte, denn mit Musik kennt er sich aus: „Ich war schon immer der mit der größten Plattensammlung in meinem Freundeskreis, habe schon mit sechs Jahren Musik von Uriah Heep gehört, weil ich mir mit meinem älteren Bruder ein Zimmer geteilt habe.“ Das sei sein Zugang zur Musik gewesen, resümiert er.
Als Bühnenhelfer viele Stars kennengelernt
Auch beruflich verschlug es Gerald Wrede schon früh ins Musikbusiness: „Bevor ich meinen Laden eröffnete, arbeitete ich 20 Jahre als Stagehand, also lokaler Bühnenhelfer für alles, was Rang und Namen hat.“ Ob Iron Maiden in der Frankfurter Festhalle, Helge Schneider in der Alten Oper, Cake und Muse in der Centralstation – Gerald Wrede kennt viele Stars. Für diesen Job ließ er sein Studium der Philosophie an der Universität in Darmstadt schleifen, hat es aber „keine Minute bereut“. Er schätze es, selbstständig und sein eigener Chef zu sein.
Dies war auch der Grund, warum die Tätigkeit als Bühnenhelfer vor ein paar Jahren endete: „Das Geschäft veränderte sich, es hieß plötzlich, wir würden einer Scheinselbstständigkeit nachgehen. Als ich dann vor fünfeinhalb Jahren hier vorbeilief und sah, dass die Räumlichkeiten zu vermieten waren, habe ich die Flucht nach vorne angetreten.“ Gemeinsam mit seiner Frau entschied Wrede, den Laden zu mieten. Heute hat er einen festen Kundenstamm – Musikliebhaber vom Schüler bis zum Senior, die immer wieder kommen. Die Preise fangen bei besagten 3 Euro für eine Chris-de-Burgh-Platte an, gehen bis 35 Euro hoch und „hören irgendwo in einer Nische mit Raritäten auf“, wie der Ladeninhaber erklärt.
Die Schallplatte einer Punkband, die sich getreu der Tengelmann-Marke „Attraktiv und Preiswert“, A&P nannte, sei beispielsweise 300 Euro wert. „Wenn sie in einer Tengelmann-Tüte verkauft wird, kostet sie sogar rund 500 Euro“, so der Experte. Neben dem Verkauf im Plattenladen spielt Wrede noch in seiner eigenen Band „The Dass Sägeblatt“ Schlagzeug – der Name des Ladens „Musik als Hilfe“ ist von einem ihrer Titel inspiriert. Gemeinsam mit den Bandkollegen hat er zudem das Label Declaration of Santo gegründet und ein eigenes Tonstudio, das im hinteren Teil seines Ladens eingerichtet ist. Dort können Kunden eine Komposition kaufen, selbst einsingen und verschenken – etwas, das es laut Wrede so wahrscheinlich nirgendwo gibt. Heute ist er 50 Jahre alt und ist sich sicher: „Ich mache das hier noch so lange, wie ich die Treppe zum Tonstudio hinaufkomme.“