Karin Overbeck will Vileda herausputzen: Interview mit der ehemaligen Kao-Chefin
Karin Overbeck in der Vileda-Zentrale in Weinheim. Die Managerin aus Darmstadt ist zum CEO des Reinigungsspezialisten aufgestiegen, der stramm auf die Umsatzmilliarde zusteuert und weltweit wächst. Foto: Freudenberg
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WEINHEIM/DARMSTADT - Seit Anfang des Monats ist Karin Overbeck (52) CEO von Freudenberg Home and Cleaning Solutions (FHCS), bekannter als Vileda. Sie ist die erste Frau in einer solchen Position im Familienkonzern Freudenberg. Overbeck folgt auf Dr. Klaus Peter Meier, der in Ruhestand gegangen ist. Bei der Freudenberg-Tochter mit Sitz in Weinheim sind 296 der weltweit 3300 Mitarbeiter tätig. Wir sprachen mit der Betriebswirtin, die davor den Haarkosmetikanbieter Kao (Guhl und Goldwell) mit Europasitz in Darmstadt-Eberstadt leitete.
Frau Overbeck, Glückwunsch zum Aufstieg - für jemanden, der gerne in den Bergen wandert, fast selbstverständlich. War das aber die Perspektive, als Sie vor zwei Jahren wechselten?
Ja, das war die Perspektive. Natürlich muss man sich bewähren, das ist die Grundvoraussetzung.
Neben Ihrem Job haben Sie als Mutter einen Haushalt zu versorgen. Putzen Sie eigentlich selbst?
Fragen Sie das männliche Kollegen auch (lacht)?
ZUR PERSON
Karin Overbeck, geboren in Krefeld, hat in Berlin und Köln studiert. Danach war sie bei L'Oréal, Tchibo und Unilever tätig, ehe der Wechsel zu Kao erfolgte und dann zu Freudenberg. Die Diplom-Kauffrau wohnt mit ihrem Mann sowie dem Sohn in Eberstadt. (apd)
Müsste man ...
Ich putze tatsächlich sehr gerne, habe aber natürlich eine Hilfe im Haus. Ich wurde bei Vileda aber keinem Putztest unterzogen. Aufgerüstet wurde jedoch zuhause beim Equipment. Ich probiere jetzt natürlich permanent unsere Produkte aus.
Und sind Sie zufrieden mit dem Angebot?
Im Alltag fallen einem schon Sachen auf, die ich weitergebe. Und ich weise in der Familie darauf hin, dass beispielsweise Spültücher aus hygienischen Gründen öfter ausgewechselt werden müssen.
Wie kann man denn als starke Marke versuchen, Spaß für eine ungeliebte, aber durchaus sinnvolle Tätigkeit rüberzubringen?
Das ist ein wichtiges Thema. Gerade im Reinigungsbereich gibt es sozial-kulturelle Veränderungen - und länderspezifische Unterschiede. Früher wurde quasi vererbt, wie man seine Wohnung putzt. Das passiert heute nicht mehr so. Und das samstägliche Putzen mit viel Zeitaufwand verschwindet zunehmend. Es geht über in ein kontinuierliches 'mal bisschen putzen'. Wir haben da eine Typologisierung erstellt. Die reicht von den ganz intensiven Putzern, die wir "Carolyn" nennen, bis zu "Dana", die eher ungern die Sache angeht.
Das gilt für alle Länder gleichermaßen?
Da sehen wir Unterschiede. Die Italienerin etwa putzt teilweise bis zu drei Stunden am Tag, ist besonders reinlich. In Frankreich weicht das Rollenverhältnis zwischen Mann und Frau zunehmend auf. Deutschland befindet sich in der Mitte, hier wird mehr aufgeräumt.
Was machen Sie mit solchen Erkenntnissen?
Zum einen ist es wichtig, die Produkte so einfach wie möglich zu beschreiben, damit der Verbraucher sofort weiß, was er zu tun hat. Und im Rahmen unserer Digitalstrategie kümmern wir uns um Tipps und Tricks, versuchen, damit jüngere Zielgruppen anzusprechen.
Es kann ja durchaus Spaß machen, einen Saugroboter bei der Arbeit zu beobachten, zumal wenn die Hauskatze mitfährt ....
Durchaus, da gibt es übrigens ein schönes Youtube-Video. Und: Im Herbst kommt ein speziell auf Hunde- und Katzenhaare abgestimmter Sauger von uns hinzu. Wenn eine Firma Produkte interessanter, cooler machen kann, sind wir das.
Wie sieht Ihre Werbung aus?
Als Frau möchte man keine Werbung mehr sehen, wo die Frau putzt und der Rest der Familie zuschaut. Der Protagonist macht seinen eigenen Schmutz und macht ihn auch wieder weg. Wir versuchen, das mit einer gewissen Leichtigkeit und mit Humor zu transportieren. Zumal das Reinigungsgeschäft eine Low-Interest-Branche ist - anders etwa als Kosmetik, wo ich herkomme.
Aber FHCS/Vileda ist ja werblich fast unter dem Radar unterwegs, man sieht immer nur die Swiffers und die Kärchers dieser Welt. Und Edeka hat Sie ja komplett ausgelistet...
Bei Letzterem sind wir dran. In Deutschland gibt es tatsächlich Bedarf, was die Distribution betrifft. Das ist unerklärlich, denn die Markenbekanntheit von Vileda liegt gestützt (hier wird die Marke in der Befragung genannt, die Red.) bei 94 Prozent. Wir sind der Marktführer. Daher sollte es uns auch überall geben. Die TV-Werbung wird intensiviert. Aber vor allem großvolumige Produkte werden zunehmend auch online bestellt.
Wie viele Produkte haben Sie eigentlich im Portfolio?
Das sind 5000. Wir sind weltweit die einzige Marke, die so breit aufgestellt ist von Bodenreinigung über Tücher und Schwämme - wo wir herkommen - sowie Wäschepflege bis hin zu E-Cleaning.
Diese batteriegetriebenen Geräte wachsen besonders stark?
Ja, das ist so. Der Trend zur Technisierung ist da und wird weitergehen. Dabei hilft uns die Leidenschaft für jedes Detail. Zum Beispiel ist hierzulande bei Robotern der Geräuschpegel ganz wichtig.
Wie sieht denn Ihr Markt insgesamt aus?
Der Reinigungsmarkt, dessen Volumen schwer zu quantifizieren ist, wächst weltweit. Zum einen wächst die Zahl der Haushalte. Zum anderen die Mittelschicht in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Indien.
Die Umsatzmilliarde werden Sie also bald schaffen nach 938 Millionen Euro 2017. Ist das eine besondere Marke?
Es ist eine psychologische Größe. Das wird irgendwann so kommen. Wir wachsen solide und profitabel. Die Milliarde ist nicht mein Endziel, da machen wir nicht Schluss. Wir haben Ideen und Planungen darüber hinaus zu wachsen.
Mit Schwerpunkt internes Wachstum oder doch eher via Akquisitionen?
Wir integrieren gerade vier zugekaufte Unternehmen, sind aber grundsätzlich offen für weitere interessante Akquisitionen, die zu uns passen.
Mit Geld des Konzerns?
Bisher konnten wir das im Wesentlichen aus Eigenmitteln sehr gut managen.
Im professionellen Bereich wie Seniorenheimen, Krankenhäusern etc. sind Sie unterbelichtet, machen hier nur ein Fünftel des Umsatzes. Ist da noch Luft?
Der Hygienebereich wird wichtiger. Der Wettbewerb ist da jedoch ebenfalls nicht ohne, aber die Loyalität ist höher. Wir wachsen dort sehr gut. Und differenzieren uns durch Innovationen etwa dergestalt, dass wir eine App/Software haben zur Arbeitsorganisation bei der Reinigungsfirma oder durch Mops mit Sensoren. Die melden sich, wenn ein Austausch nötig ist. Mit der App lassen sich auch die Reinigungswagen mit den ganzen Gerätschaften, die falsch abgestellt wurden etwa auf dem riesigen Frankfurter Flughafen, wiederfinden.
An was arbeiten Sie vor allem?
Unsere Marken, die durchaus schon attraktiv sind, zu kleinen Persönlichkeiten zu machen mit Vileda an der Spitze. Alles soll spannender und mutiger werden. Es gibt noch so viel, womit der Verbraucher sein Leben leichter machen und Zeit sparen kann bei besseren Putz-ergebnissen.