Mitfahranfrage eingetroffen: In der Flinc-App werden die wichtigsten Informationen zum möglichen Sitznachbarn im Auto angezeigt – man kann die Anfrage natürlich auch ablehnen.
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DARMSTADT - Schnell sein, flexibel sein, mobil sein – die Anforderungen der modernen Welt bringen immer neue Entwicklungen mit sich. Und so verstehen sich selbst traditionsreiche Autobauer heutzutage als Mobilitätsdienstleister. Das bloße Herstellen eines fahrbaren Untersatzes ist längst nicht mehr genug. Da wundert es nicht, dass der Stuttgarter Autobauer Daimler sein Mobilitätsportfolio mit der Darmstädter Flinc GmbH um ein Unternehmen erweitert hat, das diesen Anforderungen gerecht werden möchte – mehr noch.
Dicke Luft in Innenstädten, verstopfte Straßen und ständig steigende Emissionswerte – auch das sind Gründe, etwas für die mobile Infrastruktur zu tun. Das sehen auch Klaus Dibbern, Michael Hübl und Benjamin Kirschner so, die mit ihrer Mitfahrzentrale Flinc für weniger Verkehr auf den Straßen sorgen möchten. Ihre Idee: Eine Kommunikationsplattform für den Nahverkehr schaffen und so die Autos voll bekommen.
„Ich habe am Campus in Dieburg studiert und musste immer wieder feststellen, dass viele Studenten alleine mit dem Auto kommen“, erklärt Benjamin Kirschner, der sein Diplom in Media System Design gemacht hat. „Als dann 2008 eine Studienarbeit zur Mobilität anstand, haben wir uns dieses Themas angenommen.“ Gemeinsam mit Michael Hübl und weiteren Kommilitonen entwickelt er eine Mitfahrzentrale für die Kurzstrecke.
Mitfahranfrage eingetroffen: In der Flinc-App werden die wichtigsten Informationen zum möglichen Sitznachbarn im Auto angezeigt – man kann die Anfrage natürlich auch ablehnen. Foto:
Sie haben Flinc ins Rollen gebracht – die drei Unternehmensgründer Klaus Dibbern, Michael Hübl und Benjamin Kirschner (von links). Fotos: Flinc Foto:
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Das Feedback ist von Beginn an sehr positiv. „Wir haben das Thema dann auch nach Abschluss der Studienarbeit weiterverfolgt und zum Teil sogar unsere Diplom-Arbeiten darüber geschrieben“, erinnert sich der 33-Jährige. „Je mehr wir uns damit beschäftigt haben, desto größer wurde die Überzeugung, dass in dem Bereich Dynamic Ridesharing wahnsinniges Potenzial steckt.“
Irgendwann gilt: ganz oder gar nicht
So nebenbei geht es irgendwann aber nicht mehr. „Nach dem Studienabschluss 2009 haben wir irgendwann gemerkt, dass wir es entweder ganz oder gar nicht machen müssen“, so Kirschner. „Wer mitmachen wollte, musste zu 100 Prozent dabei sein – letztlich sind viele dann abgesprungen.“ Doch mit finanzieller Unterstützung der Eltern beginnt Kirschner gemeinsam mit Michael Hübl auf den Pitch-Events der Region vorstellig zu werden, um Kapital zu sammeln.
STECKBRIEF
Flinc GmbH
Branche: Technologie/Mobilität
Produkt: Mitfahr-App für den B2B- sowie B2C-Bereich
Standort: Darmstadt
Geschäftführer: Klaus Dibbern und Benedikt Battke
Gründung: 2010
Mitarbeiter: 15, davon zehn Festangestellte
Kunden: Endverbraucher und Unternehmen
Einfache Funktionsweise
„Flincen ist ganz einfach“, heißt es auf der Homepage des Darmstädter Unternehmens: „Biete oder suche eine Fahrt! Flinc findet automatisch jemanden mit passenden Fahrtdaten in deiner Nähe. Jemand will mit dir flincen – wir senden dir sofort eine Nachricht! Bestätige und freu dich aufs gemeinsame flincen.“
Grundlage zur Teilnahme an Flinc ist die Registrierung – Name, Mail-Adresse, Handynummer und ein Foto helfen in Sachen Transparenz. Denn die Fahrer möchten natürlich wissen, wen sie da mitnehmen – und Mitfahrer, bei wem sie da einsteigen.
Ist man registriert, kann man Mitfahrangebote, aber auch -gesuche abgeben – und das für regelmäßige Fahrten gleichermaßen wie auch für einmalige Strecken.
Flinc vernetzt die Parteien und gibt ihnen die Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten. Auch schlägt die App einen für beide Seiten akzeptablen Preis vor. Dabei geht es um einen Unkostenbeitrag zur Fahrt – denn Geld verdienen darf man durch das Personenförderungsgesetz damit nicht. (tm)
„Auf einer solchen Veranstaltung haben wir dann auch Klaus Dibbern kennengelernt“, erinnert sich Kirschner an das Zusammentreffen mit dem Unternehmensberater. „Er war sofort von unserer Idee begeistert und wollte uns unterstützen.“ Anfang 2010 folgt eine Kennenlernphase. Schließlich kommen die drei zu dem Schluss: Wir wollen gemeinsame Sache machen und mit Flinc richtig durchstarten.
„Nach der Unternehmensgründung im Sommer 2010 wollten wir einen Partner aus dem Bereich Navigationssoftware finden“, sagt Benjamin Kirschner. „Obwohl einige Investoren uns versichert haben, dass so etwas für ein derart kleines Unternehmen unmöglich ist, konnten wir im April 2011 Navigon als Partner gewinnen.“ Der Hersteller von Navigationssystemen integriert daraufhin Flinc in das eigene Angebot und startet eine ausgiebige Testphase.
„Durch die Zusammenarbeit mit Navigon ist es uns dann gelungen, weitere Kooperationen etwa mit der Telekom einzugehen“, so der Unternehmensgründer. „Anschließend haben wir die Entwicklung unserer App forciert und im Sommer 2011 die Bombe platzen lassen.“ Denn durch eine groß angelegte Marketing-Kampagne und viel öffentliche Aufmerksamkeit sind die ersten 40 000 User schnell registriert.
Seitdem hat sich in Darmstadt viel getan. „Mittlerweile nutzen knapp 500 000 Menschen unsere Flinc-App“, erzählt Benjamin Kirschner. „Monatlich gibt es jeweils 350 000 Mitfahrangebote und -gesuche auf Flinc.“ Das B2C-Geschäft wirft durch die kostenlose Nutzungsmöglichkeit jedoch keinen Gewinn ab. Umso wichtiger ist daher der B2B-Bereich – also das Geschäft mit Unternehmen –, der seit 2012 kräftig wächst.
„Wir bekommen nach wie vor viele Anfragen von Unternehmen, die an einer Mobilitätsplattform für ihre Mitarbeiter interessiert sind“, so Kirschner. „Fahrten zur Arbeitsstelle lassen sich dadurch ebenso zusammenlegen wie Dienstreisen.“ Letztlich werde auch eine Ökonomisierung des Fuhrparkmanagements erreicht. „Das erkennen immer mehr Firmen auch vor dem Hintergrund der ökologischen Handschrift für sich“, erklärt der Unternehmer. „Dabei sprechen wir gleichermaßen von großen Konzernen wie kleineren Firmen.“
Daimler erkennt großes Potenzial
Das große Potenzial hat der Stuttgarter Autobauer Daimler für sich und sein Mobilitätsportfolio erkannt. „Flinc gehört zu den allerersten Anbietern von on-demand Peer-to-Peer Ridesharing Diensten“, erklärt Jörg Lamparter, Head of Mobility Services, zu den Gründen für die Übernahme des Darmstädter Start-ups. „Das Team bringt vielfältige Erfahrungen ein, deshalb freuen wir uns, dass Flinc jetzt Teil der Daimler Mobility Services Familie ist.“
Seit sechs Wochen geht es nun also Hand in Hand mit dem schwäbischen Stern – bislang gibt es nur Positives zu berichten. „Wir wollen mit starken Partnern zusammenarbeiten, mit denen wir weiter wachsen können“, nennt Kirschner einen der Gründe, warum sich das Trio letztlich zum Verkauf entschlossen hat. „Für uns ergeben sich mit einem derart starken Partner im Rücken ganz neue Chancen.“ Das nächste Projekt ist seit gut einem Jahr bereits auf dem Markt: „Flott“ – die Shuttle-Plattform für den Stadtverkehr.