Er führte Eintracht Wiesbaden einst in die Bundesliga: Kultcoach Fritz-Peter Schermuly. An Silvester feiert er runden Geburtstag.
Hochheim. Für Fritz-Peter Schermuly ist Silvester seit jeher quasi mit einem Doppel-Wumms verbunden: Geburtstag und letzter Tag des Jahres – in früheren Zeiten hat der Handballtrainer da stets bereits mittags seine Schützlinge von der Wiesbadener Eintracht und Spieler aus seinen Engagements bei anderen Vereinen eingeladen. Es wurde angestoßen, häufig, immer mit dem Spruch „im alten Jahr noch mal“, erinnert sich Hansi Maul, der mit dem Coach bei der Eintracht bewegte und erfolgreiche Zeiten erlebte, an manch stimmungsvolle Party im Hause Schermuly. In diesem Jahr wird es ruhiger zugehen. Sollte es eine Geburtstagstorte geben, muss sie groß genug sein, um 80 Kerzen unterzubringen. Kaum zu glauben, der Kultcoach wird 80.
Der Handball ist zu seinem Jungbrunnen geworden
Doch was sind schon Zahlen. Anfang Dezember, als die HSG VfR/Eintracht im Landesliga-Duell die HSG Hochheim/Wicker hauchdünn bezwang, schaute er zu. Mit funkelnden Augen, spitzbübischem Lächeln, das Spiel stets im Blick, nebenbei auch das Handy. Um informiert zu sein, wie es parallel beim Oberliga-Match der HSG Breckenheim Wallau/Massenheim mit seinem Neffen Sebastian im Tor steht. „Die liegen zurück“, informierte er nebenbei. Kein Zweifel: Der Handball war und ist sein Jungbrunnen. Zuletzt noch als A-Jugendcoach der Wallau/Massenheimer vor dem Zusammenschluss mit Breckenheim. Die heutigen Dotzheimer Paul Föller und Leander Schmidtmann zählten zu diesem Team. Bei der HSG VfR/Eintracht hatte Fritz-Peter Schermuly zuvor mit den A-Junioren ebenfalls auf der Bundesliga-Bühne gestanden. Mit dabei: Johannes Golla.
Als 34-jähriger Coach die Eintracht ins Oberhaus geführt
„Er hat viel mit Statistiken gearbeitet und alles akribisch in Ordnern abgelegt. Wahrscheinlich kann er heute noch sagen, wer bei einem bestimmten Spiel in der 50. Minute aufs Tor geworfen hat. Seine Ansprachen waren klar und deutlich, auch mal knallhart. Er hat sein Ding durchgezogen. Man wusste, woran man bei ihm war. Und als Brüder waren und sind wir immer füreinander da“, erinnert sich Karl-Heinz Schermuly (77) besonders an den unfassbaren Höhenflug der Eintracht, den er mit seinem Bruder in den 1970ern erlebt hatte.
Als die Halle am Elsässer Platz, inzwischen nach dem 2019 auf so tragische Weise bei dem Busunfall vorm Hauptbahnhof ums Leben gekommenen Horst Bundschuh benannt, plötzlich aus allen Nähten platzte, die Zuschauer ums Spielfeld herum bis nahe an die Trainerbänke standen. Es herrschte südländischer Enthusiasmus. Wenn etwa Axel Huth mit dem linken Wurfarm ausholte, ging ein Raunen durch die Reihen, wenn der Ball wie ein Strich einschlug, sprangen alle auf. Während draußen Fritz-Peter Schermuly in engen Regionalliga-Spielen oft blitzschnell reagierte und gefühlt so gut wie immer die richtigen Maßnahmen traf. Die Krönung: Am 27. März 1976 reichte das 13:13 in Haßloch zum Bundesliga-Aufstieg. „Eine außergewöhnliche und schöne Zeit. Fritz-Peter besaß eine gute Menschenkenntnis. Er wusste genau, wie er jeden anfassen musste, um alles aus ihm herauszuholen. Er konnte begeistern, hat uns auch mal die Meinung gegeigt, aber letztlich immer Mut zugesprochen“, schildert Axel Huth (70), der bei der Eintracht, ebenso wie Manfred Freisler, zum Nationalspieler avancierte. Das war 1976, doch es wurden für Axel Huth nur drei A-Länderspiele, weil ihn Vlado Stenzel als Außen sah.
Erst mit 15 Jahren bei der Freien Turnerschaft zum Handball gekommen
Hansi Maul führt einen weiteren Erfolgsfaktor an: „Wir hatten außerdem eine Reihe von Konzeptionen eingearbeitet, die wir einbringen konnten.“ Fritz-Peter Schermuly, der seinerzeit als Bezirksauswahlcoach mit Betreuer Horst Bundschuh etliche Spieler des späteren Aufstiegsteams zur Eintracht gelotst hatte, verband stets Motivation und taktische Finessen in perfekter Manier. Die Vereine SG Wallau/Massenheim, TV Breckenheim, TV Idstein, TS Steinheim, SF Budenheim und TuS Wörrstadt wurden zu weiteren Stationen des im Wiesbadener Westend aufgewachsenen Handball-Enthusiasten, dessen Herz zunächst für den Fußball schlug und der erst im Alter von 15 Jahren bei der Freien Turnerschaft mit dem Handball begonnen hatte – der zu seinem ewigen Jungbrunnen werden sollte.