Das dritte Spiel mit nur einem Punkt für die Adlerträger. Und ein Kick, der an das Leben in Corona-Zeiten erinnerte: Alles, was Spaß macht, fand nicht statt. Eine Analyse.
FRANKFURT. Die Frankfurter Eintracht könnte viel erreichen in dieser Saison. Das hat die Mannschaft mit guten Auftritten gegen Hoffenheim und Hertha schon unter Beweis gestellt. Doch die Eintracht schafft es zu selten, über ihren eigenen Schatten zu springen. Das 1:1 (0:0) gegen Werder Bremen war nach dem 1:1 gegen Bielefeld und dem 1:1 in Köln schon das dritte Spiel an den ersten sechs Spieltagen, die nur mit einem Punkt endeten, wo es gar nicht so schwer gewesen wäre, jeweils drei zu holen. Die Aussagen danach waren immer gleich. „Ich bin genervt und mit dem 1:1 nicht zufrieden“, hatte diesmal Angreifer Bas Dost gesagt. „Wir haben das Gefühl, dass wir zwei Punkte haben liegen lassen“, hatte Manager Bruno Hübner ergänzt. Das war die einhellige Einschätzung aller Frankfurter und traf es auch ziemlich präzise. Es ist einfach nur ärgerlich, dass die Eintracht Spiele gegen deutlich schwächere Mannschaften nicht gewinnt.
Das Spiel gegen Bremen langweilte vor allem in der ersten Halbzeit mit einer selten gesehenen Einfallslosigkeit, ja fast schon Trostlosigkeit. Was sicher auch an den fehlenden Zuschauern lag. „Die Situation hatten wir bereits im Frühjahr, darauf müssen wir uns einstellen“, wollte Mittelfeldspieler Sebastian Rode die „Geisterkulisse“ an Halloween nicht als Alibi gelten lassen. Und doch war es ein Fußballspiel, das an das Leben in Corona-Zeiten erinnerte: Alles, was Spaß macht, fand nicht statt. Das Spiel plätscherte emotionslos vor sich hin, langweilig, im Gesamtkontext fast schon überflüssig. Die einen, die Bremer wollten nicht, standen mit zehn Spielern in der eigenen Hälfte, ließen die Eintracht machen und machten selbst nichts. Die anderen, die Frankfurter, konnten nicht, fanden vor allem vor der Pause keine Mittel das Abwehrbollwerk auch nur annährend in Gefahr zu bringen. „Unser Plan war, der Eintracht den Ball zu überlassen“, erklärte Bremens Coach Florian Kohfeldt seine Verhinderungstaktik. „Wir haben viel zu langsam gespielt, viel zu kompliziert“, übte Frankfurts Trainer Adi Hütter Kritik. Ergebnis des einschläfernden Ball Hin-und-Her-Geschiebes: Ein Torschuss für die Eintracht, der in einem wegen Abseits nachträglich aberkannten Treffer von Daichi Kamada mündete. Und kein Torschuss der Bremer.
Bei vielen Spielern gibt es Substanz, aber keine Konstanz
Für eine Heimmannschaft, die in dieser Phase der Saison ohne besonderen Druck aufspielen kann und deren Spieler sich selbst Woche für Woche in Interviews berechtigterweise hohe Ziele setzt, war das deutlich zu wenig. Und im Grunde auch unerklärlich. Über weite Strecken konnte man den Eindruck gewinnen, dass einige bei der Eintracht begonnen haben, sich im Mittelmaß gemütlich einzurichten. Oder dass sie einfach in ihren Mitteln doch so eingeschränkt sind, dass es unendlich schwerfällt, hohen Ballbesitz (72 Prozent) auch in echte Überlegenheit umzusetzen. Bei vielen Spielern gibt es Substanz, aber keine Konstanz. So hatte sich Stefan Ilsanker von der ersten Minute an vogelwild auf dem Platz gezeigt und sich durch eine gelbe Karte nach vier Minuten selbst beschränkt. Oder Almamy Touré, der nach guten Spielen wieder in alte Muster verfallen ist. Oder Steven Zuber, der viel versucht hat, oft am Ball war, aber schlicht zu selten auch mal an einem Gegner vorbeigekommen ist. Oder Daichi Kamada, der eine halbe Stunde quasi unsichtbar auf dem Platz unterwegs war, dann mit einer starken Aktion überzeugte, um sofort danach wieder abzutauchen. So war das Spiel der Eintracht im Sinne des Wortes schnell festgefahren.
Nach dem Wechsel hatten die Frankfurter dann ein paar Lösungen mehr parat. Auch weil der Trainer Änderungen vorgenommen hatte. Dominik Kohrs Einwechslung für Ilsanker war überfällig, genau wie die Hereinnahmen von Amin Younes und Aymen Barkok nach einer Stunde als neue Außenspieler. Alle drei Wechsel hätte man sich freilich früher vorstellen können. Bei fünf möglichen Einwechslungen hätte Ilsanker als laufendes Sicherheitsrisiko wegen „Gelb-Rot-Gefahr“ und Passungenauigkeiten nicht bis zur Pause auf dem Platz bleiben müssen. Und ein bisschen mehr Schwung schon in der ersten Halbzeit wäre auch schön gewesen. So aber kam die Eintracht so richtig erst nach dem Rückstand ins Spiel. Joshua Sargents Tor in der 51. Minute, als der Bremer Angreifer mutterseelenalleine auf Torwart Kevin Trapp zurennen und abschließen konnte, weil die Ordnung in der Defensive völlig verloren gegangen war, erinnerte an die Gegentreffer gegen Bielefeld und Köln. Einen „Blackout“ in der Defensivorganisation gibt es eben immer.
„Ich bin ein bisschen sauer“
Immerhin hatte der Treffer der Gäste einen „Hallo-Wach-Effekt“. Auf einmal spielte auch die Eintracht aggressiver und vor allem mutiger nach vorne. In erster Linie weil Younes und Barkok Dribblings wagten und so die Bremer in Bewegung brachten. „Aymen hat unserem Spiel mit seinen Dribblings und seiner hohen Laufbereitschaft gutgetan“, lobte Hütter. Es war folgerichtig, dass Barkok mit einem Ballgewinn und einem schnellen Pass auf Kamada den hochverdienten Ausgleich einleitete. André Silva stand am Ende der Verwertungskette, erzielte seinen vierten Saisontreffer. Für mehr reichte es nicht, weil Dost nur den Außenpfosten traf und Bremens Torwart Jiri Pavlenka gegen seinen Kapitän Niklas Moisander reaktionsschnell ein Eigentor verhinderte.
So richtig gut war die Eintracht erst wieder nach dem Spiel mit ebenso klaren wie selbstkritischen Einschätzungen. „Ich bin ein bisschen sauer“, sagte Barkok. „Es hat immer ein Schritt gefehlt“, sagte Amin Younes. „Die Enttäuschung überwiegt ganz klar“, sagte Sebastian Rode. „Erst die zweite Halbzeit war Eintracht-like, aber der Ertrag fällt zu gering aus“, sagte Adi Hütter. Soll es keine „Graue-Maus-Saison“ werden in Frankfurt, muss die Mannschaft raus aus der Komfortzone und endlich mehr Mut und Entschlossenheit entwickeln. PEPPI SCHMITT
Von Peppi Schmitt