Der junge Verteidiger macht sich derzeit bei Eintracht Frankfurt unentbehrlich. Nach einem Blackout in Lissabon folgte ein Leistungssprung - das zeigt sich auch im Marktwert.
FRANKFURT. Die Schlagzeilen bei der Frankfurter Eintracht gehören anderen. Martin Hinteregger, dem coolen Abwehrchef und Hubschrauber-Höhenflieger. Filip Kostic, dem famosen Schützen und Vorbereiter. Luka Jovic, dem prominenten Rückkehrer und Torjäger. Und natürlich André Silva, dem, der fast immer trifft. Doch seit Wochen, ja seit Monaten, spielt sich noch ein anderer Profi bei den Hessen in den Vordergrund. Evan Ndicka, Abwehrspieler, 1,92 Meter groß, athletisch, kopfballstark, zweikampfstark. Es ist der 21 Jahre alte Franzose, der in dieser Saison den größten Leistungssprung gemacht hat.
Zu den Stammkräften hatte er schon in den letzten Jahren gezählt, obwohl seine Leistungen zwischenzeitlich durchaus wacklig und durchwachsen waren. Wie das bei jungen Spielern nun mal so ist. Nicht selten hatte der Trainer den alten Hasen, Makoto Hasebe, dem jungen Hüpfer, Evan Ndicka, in der Abwehrkette vorgezogen. Aber damit ist Schluss seit dem letzten Herbst. Ist Ndicka fit, spielt er auch.
Für 5,5 Millionen Euro von Auxerre
Und das immer besser. Vor einem Jahr noch, als der Frankfurter Trainer zwischenzeitlich auf eine Viererkette umgestellt hatte, musste Ndicka auf der linken Außenseite ran. Er hat die Position ordentlich ausgefüllt, aber es war immer deutlich, dass er dort seine ganz großen Stärken nicht wirklich entfalten konnte. Jetzt spielt er dort, wo er hingehört. Auf der linken Seite der Dreierkette, hinter Filip Kostic. Doch er ist nicht mehr nur Absicherung für den Flügelstürmer Kostic, längst hat er auch seine offensive Ader entdeckt. Der Trainer hat ihm in vielen Gesprächen und noch mehr Übungen auf dem Platz geradezu „eingebimst“, dass es zu einem guten Abwehrspieler auch dazu gehört, sich im richtigen Moment mal mit nach vorne einzuschalten. Das macht Ndicka immer öfter und es gelingt ihm immer besser. Beim 3:1 in Hoffenheim hat er per Kopfball den 2:1-Führungstreffer erzielt, es war sein erstes Saisontor.
Evan Ndicka ist noch nicht der Superstar der Eintracht, aber das Kronjuwel. Für 5,5 Millionen Euro haben die Frankfurter ihn im Sommer 2018 vom französischen Zweitligisten AJ Auxerre geholt. Viel Geld für einen jungen, damals nur Insidern bekannten Spieler, aber gut angelegtes Geld. Inzwischen beträgt sein Marktwert (Quelle transfermarkt.de) 22,5 Millionen Euro. Der Vertrag bei der Eintracht läuft noch bis 2023, eine Ausstiegsklausel soll es nicht geben. Wer ihn holen möchte, muss also tief in die Tasche greifen.
Wer auch immer in Frankfurt da das richtige Näschen und das Adlerauge hatte, wahrscheinlich Chefscout Ben Manga und/oder einer seiner Mitarbeiter, da hatte jemand genau hingeschaut. Ndicka hat inzwischen 20 Länderspiele für die verschiedenen Jugend- und Juniorennationalmannschaften Frankreichs bestritten, dennoch hat er noch nicht so im Blickpunkt gestanden wie viele seiner Landsleute. Das ändert sich gerade. Er ist im Verborgenen aufgeblüht.
"Blackout" gegen Lissabon
Geboren wurde Ndicka in Paris, die ersten Schritte als junger Kicker hat er bei den Vorortklubs der französischen Hauptstadt, bei Antillais Paris und FC Solitaires Paris getan. Dann hat ihn ein Scout aus Auxerre entdeckt. Und fortan ging der Weg steil nach oben, über die zweite französische Liga in die Bundesliga und mit der Eintracht auch nach Europa. Ndickas Talent im körperlichen Spiel war offensichtlich. Seine Defizite freilich auch. Trainer Hütter hat hart daran gearbeitet mit seinem Schützling. Manchmal auch mit harten Maßnahmen. So war Ndicka nach einem dummen Foul und einer roten Karte schon nach 20 Minuten im Europacup-Viertelfinale bei Benfica Lissabon eine Zeit lang beim Coach unten durch.
Nach diesem Blackout am 11. April 2019 im „Estadio da Luz“ hatte Ndicka am Ende der Saison 19/20 in Liga und Europacup wenig bis gar nicht mehr gespielt. Die Karriere hatte einen ersten Knick. Der war einer gewissen Leichtfertigkeit, man könnte auch sagen Lässigkeit, geschuldet, die in Lissabon nur ihren Höhepunkt gefunden hatte.
Vielleicht aber war es einfach auch nur Unerfahrenheit. Ndickas Glück: Hütter ist zwar konsequent und aber nicht nachtragend. Er lässt keinen Spieler fallen. Und so ist Ndicka zurückgekommen. Das ist ihm auch in dieser Spielzeit nach einem missglückten Start gelungen. Da nicht wegen einer Formschwäche, sondern wegen einer schweren Syndesmoseband-Verletzung, die er sich beim Pokalspiel bei 1860 München eine Woche vor dem Saisonbeginn zugezogen hatte. Es ist eine Rückkehr mit Macht. Längst ist Ndicka aus dem Team nicht mehr wegzudenken.
Von Peppi Schmitt