Für viel Geld war Djibril Sow im vergangenen Sommer zur Frankfurter Eintracht gekommen. Überzeugen konnte der Schweizer noch nicht. Doch das könnte sich bald ändern.
FRANKFURT. Vor einem Jahr hat die Frankfurter Eintracht Djibril Sow aus Bern verpflichtet. Der Transfer war der ausdrückliche Wunsch von Trainer Adi Hütter, der mit Sow schon bei den Young Boys zusammengearbeitet hatte. Die Eintracht hat viel Geld in die Hand genommen für den Mittelfeldspieler, knapp zehn Millionen Euro in die Schweiz überwiesen und ihn mit einem Fünfjahresvertrag bis 2024 ausgestattet. „Da hat die Eintracht einen guten Fang gemacht“, sagte auch der ehemalige Eintracht-Kapitän und jetzige Manager von Young Boys, Christoph Spycher, „Djibril kann den Unterschied machen.“ Dementsprechend hoch waren die Erwartungen und dementsprechend hart wurde Sow kritisiert, wenn es in seiner ersten Saison nicht so wirklich gut lief. Und dies war häufig der Fall. Sow war Stammkraft, hat aber nur selten Akzente setzen können. 29 Bundesligaspiele für die Eintracht weist die Statistik aus, achtzehn Startelfeinsätze, elf Einwechslungen. Hört sich höchst durchschnittlich an und das war es auch.
Djibril Sow, erst 23 alt, gehört im Frankfurter Team zu jenen Spielern, die noch am meisten Luft nach oben haben. Das ist die gute Nachricht vor der neuen Saison. „Er ist ein sehr guter Spieler“, beharrt Trainer Hütter, in den medialen Beurteilungen komme Sow zu oft „zu schlecht weg.“ Der Eintracht-Coach schätzt an seinem Schützling besonders dessen Laufstärke. Mit 12,48 Kilometern im Schnitt pro Spiel ist er der fleißigste bei der Eintracht und einer der fleißigsten in der Liga. Zum Vergleich: Bei der Eintracht kommt als Zweitbester Mijat Gacinovic auf 12,0 Kilometer pro Spiel und an der Spitze der Liga liegt Nationalspieler Joshua Kimmich mit 12,71 Kilometern. Ein guter Wert für Sow zweifellos, aber laufen und rennen ist eben nicht alles im Fußball. Der Nationalspieler, sechs Länderspiele für die Schweiz, hat in seiner ersten Saison einfach zu viele Fehler gemacht, zu oft haarsträubende Fehlpässe gespielt, zu selten die richtige Entscheidung getroffen. Was ihn nach der Corona-Pause auch den absoluten Stammplatz gekostet hat.
Es fehlte die Fitness
Die Schwierigkeiten in Frankfurt könnten durchaus daran gelegen haben, dass eine schwere Verletzung zu Beginn seiner Frankfurter Zeit am Selbstvertrauen und Selbstverständnis genagt haben. Aus Bern war er als Schweizer Meister gekommen, im Hinterkopf aber hatte er auch eine nicht sehr erfolgreiche Zeit in der Saison 16/17 bei Borussia Mönchengladbach. Bei der Eintracht sollte alles besser werden. Doch dann zog er sich im Trainingslager in seiner Heimat einen Sehnenriss zu und fiel mehr als einen Monat aus. „Ich bin einer, der auf dem Platz gerne die Sau rauslässt, sehr dynamisch agiert und der Mannschaft über eine große Laufbereitschaft helfen möchte“, hatte er sich gerade erst den Medien im Sommer 2019 vorgestellt. Voraussetzung dafür sei eine „hundertprozentige Fitness.“ Als hätte er es geahnt. Denn genau diese Fitness konnte er in seinen ersten Monaten nicht wirklich vorweisen. Dieses Problem wurde dann im Spätherbst behoben und doch ist die Leistungsexplosion ausgeblieben. Ein Tor und fünf Torvorlagen in 39 Pflichtspielen inklusive Europa-League und DFB-Pokal sind keine wirklich guten Werte.
Bobic und Hütter sind von dem Schweizer überzeugt
Dabei waren die Grundvoraussetzungen, lässt man die frühe Verletzung außen vor, wirklich gut. Sow hat das Vertrauen des Trainers genossen und war über eine lange Zeit im Mittelfeld gesetzt, mal etwas defensiver, mal offensiver. Menschlich und sportlich hat er sich gut eingelebt. „Wir haben eine sehr familiäre Mannschaft und verstehen uns alle untereinander sehr gut“, sagt er, „ich bin hier sehr gut aufgenommen worden und schätze die Professionalität des Vereins.“ In der Stadt Frankfurt fühle er sich „sehr wohl“, es werde ihm sehr viel menschliche Wärme entgegengebracht.“
Womöglich war es tatsächlich der Druck der für Frankfurter Verhältnisse hohen Ablösesumme und die damit hochgeschraubten Erwartung, die es ihm so schwer gemacht haben. Bei den Fans ist er auch nach einem Jahr noch nicht richtig angekommen, war seit Saisonstart ein „Mitläufer“ geblieben. Dass sich das in der zweiten Saison grundlegend ändern wird, davon sind viele bei der Eintracht überzeugt. Der Trainer sowieso, aber auch der Sportvorstand. „Wir müssen und wir werden den neuen Spielern hier Zeit geben“, sagt Fredi Bobic, „ganz häufig spielen sie in der zweiten Saison viel besser als in der ersten." Bobic erinnert da gerne an die Stars Luka Jovic und Sébastien Haller, die zu Beginn ihrer Zeit in Frankfurter auch schwere Zeiten mitgemacht haben. So gesehen besteht bei Djibril Sow die große Hoffnung, dass die Leistungsexplosion doch noch kommt. Halt nur mit ein wenig Verspätung.
Von Peppi Schmitt