Mit der Einführung der neuen Regel zur neuen Saison kommen auf die Referees ganz neue Herausforderungen zu. Der Odenwälder Schiedsrichterobmann Thorsten Schenk bezieht Stellung.
ODENWALDKREIS. Diese Nachricht hat bei Amateurfußballern in Hessen für Aufsehen gesorgt: Zur neuen Saison wird die Zehn-Minuten-Zeitstrafe wieder eingeführt. Sie gilt seit 1. Juli von der Kreisoberliga abwärts sowie in den Kreispokalspielen und ist mit Sicherheit die größte regeltechnische Neuerung in der nächsten Runde – nicht nur für Spieler, sondern auch für Schiedsrichter, auf die nun neue Herausforderungen zukommen.
„Ob sich die Zeitstrafe bewährt, muss man sehen“, sagt der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Lutz Wagner und ergänzt: „Aber genau dafür sind solche Tests ja da.“ Zur Erinnerung: Die Zeitstrafe wird vom Hessischen Fußball-Verband (HFV) wiede eingeführt. Das Pilotprojekt läuft zunächst einmal zwei Jahre. Zuletzt gab es die Zeitstrafe vor rund 30 Jahren. „Damals hat man es eigentlich bedauert, dass sie abgeschafft worden ist“, erinnert sich Wagner.
Zeitstrafe künftig nur für Gelbsünder möglich
Einen gravierenden Unterschied gibt es jedoch: Einst konnte im Aktivenbereich die Zeitstrafe auch ausgesprochen werden, ohne dass der Sünder zuvor bereits die Gelbe Karte gesehen hatte, quasi als zusätzliches Strafmaß. So wird das aktuell auch im Jugendbereich (mit fünfminütiger Zeitstrafe) gehandhabt. Doch bei den hessischen Aktiven anno 2021 ist das anders. Die Zeitstrafe kann nur gegenüber Spielern ausgesprochen werden, sofern diese bereits eine Gelbe Karte gesehen haben.
Es soll vor allem Spielern die Möglichkeit geben, wieder runterzukommen und anschließend mit kühlerem Kopf weiterzuspielen. „Verantwortungsvollen Trainern gibt die Zeitstrafe aber auch die Chance, die Spieler danach ganz draußen zu lassen“, sagt Thorsten Schenk, Schiedsrichterobmann des Odenwaldkreises. Der Schiedsrichter des SV Lützel-Wiebelsbach ist seit 1986 an der Pfeife, hat mit der Zeitstrafe einst „ziemlich gute Erfahrungen gemacht“. Aus seiner Odenwälder Schiedsrichterschaft sei das Feedback vor allem bei älteren Referees „sehr gut“. Jüngere Schiedsrichter, die das Strafmaß so noch nicht praktiziert haben, seien tendenziell „eher zwiegespalten”, hat Schenk bemerkt. „Wir werden unsere Schiedsrichter aber gut darauf einstellen“, verspricht der Obmann.
Immerhin: Fouls müssen von den Unparteiischen auch in Zukunft nicht anders bewertet werden als vorher. Nun gilt eben: Wer früher nach dem zweiten gelbwürdigen Foul mit Gelb-Rot vorzeitig zum Duschen ging, darf nun nach zehn Minuten wiederkommen. Kehren sie danach wieder auf den Platz zurück und leisten sich noch ein gelbwürdiges Foul, gibt es die Rote Karte.
„Dadurch wird auch die Gelb-Rote Karte weiter aufgewertet“, findet Lutz Wagner. Zumindest in den Wettbewerben oberhalb der Kreisoberliga, in denen sie noch verteilt wird. Die Ampelkarte zieht zur neuen Saison nun auch in der Gruppenliga eine Sperre von einem Spiel nach sich, genau wie in Verbands- und Hessenliga. Problematisch könnte es aus Wagners Sicht eher werden, wenn höherklassig pfeifende Schiedsrichter in unteren Klassen eingesetzt werden – und möglicherweise das veränderte Regelwerk nicht auf Anhieb parat haben.
Offizielle Geste: Mit einer Hand zweimal Fünf anzeigen
Hinsichtlich der Handhabung dürften auf die Schiedsrichter einige Herausforderungen zukommen: Als offizielle Geste bei der Vollstreckung der Zeitstrafe sollen Unparteiische mit einer Hand zweimal in Folge die „Fünf“ anzeigen. Zudem bleibt die Frage, wie Schiedsrichter besonders in hektischen Situationen mit mehreren Zeitstrafen auf einmal den Überblick darüber behalten können, welche Mannschaft zu welchem Zeitpunkt wieder auffüllen darf. Gut möglich, dass sich manche Unparteiische künftig eine extra Armbanduhr mit aufs Feld nehmen, um separat die Zeiten der Zeitstrafen zu nehmen. Wobei es im Ermessensspielraum der Unparteiischen liegt, wann sie einen Spieler wieder aufs Feld holen. Beispielsweise, wenn während der Zeitstrafe vom Team in Unterzahl durch Zeitspiel besonders an der Uhr gedreht wird.
„Für uns Schiedsrichter ist es ein Mehraufwand, weil bestimmt auch von außen schon nach acht Minuten Druck aufgebaut wird”, sagt Thorsten Schenk. Doch der Aufwand lohne sich, ist sich der Obmann sicher: „Weil der Umgang zwischen Schiedsrichtern und Spielern besser wird und Konflikte minimiert werden können.“