Es muss ja nicht immer das Mittelmeer sein: Wir stellen fünf Reiseziele in Europa vor, wo das Abstandhalten in Corona-Zeiten leicht fällt.
. Dicht an dicht auf der Strandliege sonnen, durch das Gedränge europäischer Großstädte schlendern, spontan ein nettes Restaurant suchen: Was im letzten Jahr noch normal war, ist unter Corona-Auflagen in diesem Sommer undenkbar. Doch nicht erst seit Covid-19 träumen Urlauber vom Reisen abseits der großen Touristenströme. Wenn die weltweite Reisewarnung ab dem 15. Juni für fast alle europäischen Länder aufgehoben wird, ist dieser Wunsch aber wohl bei vielen aktueller denn je. Wir haben fünf Vorschläge für einen einsamen Europa-Urlaub.
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Urho-Kekkonen-Nationalpark, Finnland
Wer wahre Einsamkeit sucht, findet sie im Norden Finnlands. Pro Quadratkilometer leben in Lappland nur 1,9 Menschen – die meisten davon in der Nähe von Rovaniemi, Tornio und Kemi. Wer diese Städte verlässt, hat größere Chancen, auf den Straßen und Wanderwegen einem Elch oder Rentier zu begegnen als einem anderen Menschen. Und das obwohl am Fuße des Berges Korvantunturi im Urho-Kekkonen-Nationalpark der Weihnachtsmann wohnen soll.
Diese Tatsache lockt Weihnachtsfans aus aller Welt vor allem im Winter nach Lappland – obwohl man den Herrn mit dem Rauschebart das ganze Jahr über in seinem Büro in Rovaniemi besuchen kann. Im Sommer sind die Tage in Finnisch Lappland so lang, dass es mehr als genug Zeit gibt, die einsame Wildnis mit ihren Seen, Flüssen und Wäldern zu genießen. Am schönsten ist es im Urho-Kekkonen-Nationalpark aber im Herbst, wenn Moore und Birkenwälder sich gelb und rot färben. Selbst die Polarlichter zeigen sich manchmal schon im September. Und es trifft sich gut, dass die Finnen zur Entspannung nach langen Wanderungen ein sehr wirkungsvolles Rezept haben: Man nehme eine Dampfsauna, einen Birken- oder Wachholderstrauß, mit dem durch Auspeitschen beim Schwitzen der Kreislauf angeregt wird, einen eiskalten See zum Abkühlen und im Anschluss einen süßen Smoothie aus selbst gesammelten Blaubeeren, Moosbeeren oder Preiselbeeren. Den Beeren, die in den Mittsommer-Nächten wachsen, wird nachgesagt, dass sie die vitaminreichsten der Welt sind.
Region Västerbotten, Schweden
Granö ist ein kleines Dorf in Nordschwedens Wildnis. Es liegt rund 75 Kilometer nordwestlich der Universitätsstadt Umeå in der Provinz Västerbotten. Es gibt einen kleinen Supermarkt, eine Grundschule und ein paar alte Holzhäuser. Die letzten offiziellen Zahlen stammen von 2010. Da hatte Granö 238 Einwohner. Doch es gibt in Granö auch einen großen Campingplatz inklusive luxuriöser Baumhausunterkünfte – und somit bevölkern regelmäßig ein paar Touristen das Örtchen.
Durch Granö fließt außerdem der Fluss Umeälven, und auf diesem Fluss können Besucher die Luft der großen weiten Welt schnuppern – inmitten der letzten Wildnis Europas. Zwar ist der Umeälven nicht der Mississippi. Aber es ist dort dennoch möglich, eine mehrtägige Tour mit dem Holzfloß zu unternehmen, ganz im Stil von Huckleberry Finn. Die Flussabenteurer werden rund sieben Kilometer flussaufwärts gefahren. Dort wird das Floß gemeinsam aufgebaut und nach einer Einweisung ins Wasser gelassen. Geschlafen wird entweder an Bord oder in Zelten, die dank skandinavischem Jedermannsrecht überall an Land aufgestellt werden dürfen. Gekocht wird über offenem Feuer auf dem Wasser. Die Reise endet rund sieben Tage später in Granö, je nach Strömungsgeschwindigkeit und Pausenzeiten.
Auvergne, Frankreich
Die Auvergne ist zwar das geografische Zentrum Frankreichs – Zentrum des regelmäßigen Besucheransturms während der französischen Sommerferien im Juli und August sind aber eher die Badeorte am Mittelmeer sowie die französische Atlantikküste. Wer auf den Strand verzichten kann, findet mitten in Frankreich eine weitläufige Gebirgslandschaft mit zahlreichen natürlichen Seen, Wäldern und Mooren, in der Abstandhalten kein Problem ist.
Südwestlich von der Universitätsstadt Clermont-Ferrand, die unter anderem für ihre Street Art bekannt ist, locken viele Hundert Kilometer Rad-, Wander- und Spazierwege über, auf und entlang schlafender Vulkane. So viel Bewegung hält jung – aber nicht nur die. Wer eventuelle, durch den Corona-Lockdown und die Folgen verursachte graue Haare bekämpfen will, dem sei ein Bad in den Heilquellen von Vichy empfohlen. Das Wasser soll nämlich geradezu magische, verjüngende Wirkung haben, weshalb Napoleon III den Ort dereinst zum Kurort erklärte.
Pilion, Griechenland
Der griechische Hochsommer ist nichts für Menschen, die Hitze scheuen. Tagestemperaturen von 40 Grad und mehr sind keine Seltenheit. An den Inselstränden und auf dem Peleponnes brutzeln die Touristen dann reihenweise in der Sonne, während es die Griechen, die sich mit der Sonne etwas besser auskennen, zumindest tagsüber eher nach Drinnen zieht. Wer auch im Hochsommer nicht auf Strand, griechische Gastfreundschaft und mediterranes Essen verzichten, volle Strände und allzu hohe Temperaturen aber gerne meiden möchte, wird auf dem Pilion glücklich.
Die Halbinsel liegt etwa auf halber Strecke zwischen Thessaloniki im Norden Griechenlands und Athen im Süden. Großer Pluspunkt an heißen Tagen: Hier gibt es neben Mittelmeerstränden auch eine dichte Vegetation mit vielen schattigen Plätzen – das machen sich einige urige Tavernen zunutze, die ihren Gästen unter großen Platanen griechische Spezialitäten servieren. Und im gleichnamigen Gebirge, dessen Gipfel bis auf gut 1600 Meter reichen, kann man im Winter sogar Ski fahren. Obwohl viele Griechen auf dem Pilion einen Zweitwohnsitz haben und der Tourismus in den Sommermonaten eine wichtige Einnahmequelle ist, sind die Strände zwischen dem Hauptort Volos am nördlichen und dem Fischerdorf Agia Kiriaki am südlichen Ende selten voll. Wer außerhalb der Saison kommt, erlebt sie oft ganz leer.
Einzig die Anreise aufs Pilion gestaltet sich etwas schwieriger, denn der ehemalige Militärflughafen von Volos wird nur saisonal – und auch dann nur selten – angeflogen. Reichlich Linien- und Charterflüge gibt es hingegen nach Thessaloniki (rund 230 Kilometer bis Volos) und Athen (350 Kilometer). Von Volos aus sollte man dann noch einige Zeit einplanen, denn die Straßen auf dem Pilion sind kurvenreich und an vielen Stellen nur langsam zu befahren. Zeit, die Aussicht auf den Pagasitischen Golf und die nördliche Ägäis zu genießen.
Kurische Nehrung, Litauen
Sie ist rund 100 Kilometer lang, an keiner Stelle breiter als vier Kilometer und gehört jeweils zur Hälfte zu Russland und Litauen: Die Kurische Nehrung ist ein Paradies für Strandfans – vorausgesetzt, die können auf mediterrane Temperaturen verzichten. Denn auf der lang gezogenen Halbinsel, die zum Unesco-Welterbe zählt, kann es im Sommer zwar auch so richtig heiß werden, die Durchschnittstemperatur liegt im wärmsten Monat Juli aber nur bei knapp über 20 Grad. Sie ist also mit den Temperaturen der deutschen Nord- und Ostseeküste zu vergleichen. Die Dünen und Sandstrände wusste schon Thomas Mann zu schätzen. Er besaß ein Ferienhaus in Nida, auf der Haffseite der Nehrung. Heute ist das Haus ein Museum, das sich mit Leben und Werk des Schriftstellers auseinandersetzt. Außerdem ist die kurische Nehrung für ihre Bernsteinvorkommen bekannt. Das Ostsee-Gold gibt es überall zu kaufen. Und wer beim Strandspaziergang die Augen offen hält oder sich gar mit Netz bewaffnet nach einem Sturm in die Wellen stürzt, hat gute Chance, selbst ein paar der kleinen Steine zu finden. Auf litauischer Seite führt ein 50 Kilometer langer Radweg entlang der Fischerdörfer und Dünen.