Ob im Job, in der Familie oder im Freundeskreis, wir erleben täglich, dass es Menschen gibt, die uns inspirieren, die uns gut tun und uns bereichern. In ihrer Nähe fühlen wir...
. Ob im Job, in der Familie oder im Freundeskreis, wir erleben täglich, dass es Menschen gibt, die uns inspirieren, die uns gut tun und uns bereichern. In ihrer Nähe fühlen wir uns so wohl, dass wir Bäume ausreißen könnten. Aber es gibt auch die unangenehmen Zeitgenossen, die viel Kraft kosten, weil sie durch ihr Verhalten Stress verursachen und anderen Lebensenergie abziehen.
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Besonders lästig sind diese Energievampire, wenn der eigene Chef zu den Peinigern gehört und seine Belegschaft mobbt. Das klingt absurd, ist aber keine Seltenheit. Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind in 40 Prozent der Mobbingfälle die Vorgesetzten die Auslöser. Dieses Phänomen wird auch als „Bossing“ oder „downward bullying“ bezeichnet – also Mobbing, das jenseits einer etablierten Arbeitsethik von oben nach unten gerichtet ist. Das Ziel ist, den Mitarbeiter massiv unter Druck zu setzen. Ob Verleumdung, üble Nachrede, Schikane oder Ausgrenzung – gemeint sind alle Arten unfairer Attacken von Vorgesetzten, die einen systematischen Charakter haben. Dies geschieht häufig durch die Anordnung sinnloser oder überfordernder Tätigkeiten, unsachliche Kritik oder Entzug von Privilegien wie Urlaubstage oder Unterschlagung von Arbeitsergebnissen. Die Tricks, mit denen dabei gearbeitet wird, sind vielfältig, häufig steckt dahinter aber die Absicht, den Arbeitnehmer zu einer freiwilligen Kündigung zu bewegen. Böse Zungen behaupten deswegen auch, es handele sich lediglich um kostengünstigen Personalabbau.
Wer sich wehrt, braucht starke Nerven
Meistens liegen die Gründe für das Bossing aber in der Person des Vorgesetzten selbst. „Solche Zeitgenossen empfinden weniger Angst, Reue oder empathische Regungen wie Mitgefühl,“ sagt die Psychologin Doktor Bärbel Wardetzki aus München. So können also schon ein Quäntchen Skrupellosigkeit, gepaart mit psychosozialen Defiziten, Auslöser für das Bossing sein. „Aber auch banalere Gründe wie Neid, Frust oder Langeweile sind häufig die Ursachen“, so Wardetzki. Für die Opfer selbst sind die Folgen dramatisch und gesundheitlich schwerwiegend. „Schlimmstenfalls kann Bossing sogar zu Depressionen, dauerhafter Arbeitsunfähigkeit oder Suizidgedanken führen“, sagt Judith Orloff, Psychiatriedozentin an der UCLA-University in Los Angeles. Erschwerend kommt hinzu, das die Aussicht, sich juristisch erfolgreich zu wehren, gering ist. Einen expliziten Schutz gibt es nicht. Wer sich dennoch zutraut den Spieß umzudrehen, braucht starke Nerven und vertrauenswürdige Berater. Betriebsrat, Gewerkschaften, Gleichstellungsbeauftragte oder Rechtsanwälte bieten in solchen Fällen schnelle und professionelle Hilfe an. Denn nicht überall, wo Bossing draufzustehen scheint, ist auch Bossing drin. Und alleine Berge zu versetzen, wird nicht gelingen. Auch auf Verbündete im Kollegenkreis sollte man lieber nicht setzen. Die meisten befinden sich in einem Loyalitätskonflikt und haben deshalb Angst, ihren Job zu verlieren. Als grundsätzlich effektiv hat sich aber die Zusammenarbeit mit spezialisierten Anlaufstellen erwiesen. Denn Bossing-Opfer befinden sich rasant schnell in einem unheilvollen Hamsterrad der permanenten Rechtfertigung und Beschwerde. Richtigstellungen und Gespräche kosten Zeit, und der Konflikt wird damit in den seltensten Fällen gelöst. Von daher kann ein externes unabhängiges Team den Betroffenen viel gezielter unterstützen und geeignete Maßnahmen einleiten. Nicht selten stellen die Peiniger dann ihr Verhalten ein, schon allein aus Angst und Scham vor den Kollegen oder der Geschäftsleitung. In vielen Fällen ist das Klima jedoch so vergiftet, dass es zu keiner Einigung kommt. Am Ende ist es dann meistens eine Frage der persönlichen Entscheidung, ob der Mitarbeiter freiwillig geht. Ob die Kapitulation dann als Niederlage gewertet wird, hängt dann allein von der Persönlichkeit des Betroffenen ab.
Es kann aber auch anders laufen: Denn immer wieder landen Bossing-Fälle vor Gericht. Und so gab es in der Vergangenheit auch diverse Urteile (zum Beispiel vom ArbG Siegen, Az.: 1 Ca 1310/12), in denen den Betroffenen Schmerzensgeld oder Schadenersatz in beträchtlicher Höhe zugesprochen haben. In Einzelfällen sogar bis zu 30 000 Euro.
Von Birgitta Wallmann