
Sozialmediziner Gerhard Trabert besucht erneut Hilfsprojekte und Krankenhäuser in der Ukraine. Der Arzt berichtet erste Erlebnisse und Eindrücke zwischen Krieg und Normalität.
Kiew/Mainz. Bedürftige, die sich über ein Essen freuen, Patienten in Krankenhäusern, Raketenalarm in der Nacht – bei seiner Reise durch die Ukraine erlebt der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert den Krieg. Trabert, der auch an der Hochschule Wiesbaden lehrt, besucht in Kiew, Butscha, Irpin und Charkiw Hilfsprojekte, die sein Mainzer Verein „Armut und Gesellschaft” finanziell und materiell unterstützt. Seine Eindrücke schildert er unter anderem in Videos.
„Köche der Ukraine” bereiten Essen für Bedürftige zu
So hat Trabert die „Köche der Ukraine” getroffen. Die Organisation, gegründet vom Drei-Sternekoch Igor Bragin, bereitet an sechs Tagen pro Woche 200 Essen zu. Das verteilen sie an meist ältere, ärmere Menschen in der Region um Butscha, wo die Infrastruktur zerstört worden ist. Sie stehen dafür immer an, seien aber noch nie enttäuscht worden. Die Köche und ihre Helfer bringen das Essen, egal welche Bedingungen herrschen. Seit beinahe einem Jahr unterstütze der Mainzer Verein die „Köche der Ukraine” mit 10.000 Euro pro Monat, berichtet Trabert. „Jeden Tag kommt das Essen an, es ist lecker, frisch und warm”, erzählt eine Frau.
Sehen Sie hier ein Video von Gerhard Trabert aus der Ukraine
An das Militärkrankenhaus in Charkiv hat Trabert medizinisches Material übergeben: Eines ist ein durch Spendengelder finanziertes Dermatom. Das Personal im Militärkrankenhaus habe viele schwerverletzte Patienten wegen Bränden und Explosionen. Großflächige Wunden können mit dem Dermatom behandelt werden, erläutert der Arzt. Mit dem Gerät wird ein Streifen gesunde Haut am Patienten abgeschält und auf die Wunde gelegt. Das soll helfen, diese schneller zu schließen. Außerdem hat Trabert 1000 Tourniquets übergeben. Die Aderpress-Kompressionsmanschetten werden zum Stoppen von Blutungen eingesetzt und würden vor allem an der Front gebraucht. Das Personal habe ihn dann gebeten, für ihre Dialysegeräte dringend notwendige Filter zu besorgen, da die Geräte aus Deutschland stammen würden. Trabert versichert: „Das werden wir tun.”
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Es ist skurril zu wissen, dass Krieg in diesem Land herrscht und man versucht, ganz normal den Tag zu gestalten.
Gerhard Trabert schildert weitere Eindrücke von seiner Reise im Mai 2023
In Irpin sieht sich der Mainzer die zerstörten Autos an, die auf einem Autofriedhof gesammelt werden. Sie stammen aus der Zeit, als die russische Armee versucht hat, nach Kiew vorzustoßen, und Zivilisten vor ihnen geflohen sind. „Das sind alles Zivilfahrzeuge, die dann zerstört wurden, zerschossen wurden, explodiert sind”, erzählt der Mediziner und wirkt sichtlich mitgenommen. „Natürlich macht es immer wieder betroffen, wenn man realisiert, dass in diesen Autos wahrscheinlich sehr viele Menschen gestorben sind.” In vielen Autos stecken Stofftiere – Trabert vermutet, das sei in Gedenken an die vielen Kinder, die in den Fahrzeugen ums Leben gekommen sind.
Panzersperren und geschützte Denkmäler, aber auch Spaziergänger im Park
In Kiew ist Trabert auch ein wenig durch die Stadt gelaufen. An manchen Orten läuft das Leben scheinbar normal weiter, an einem Platz wirkt es geschäftig. In einem Park sitzen Familien, andere gehen spazieren, es gibt einen Stand mit Zuckerwatte und Eis. Neben einer orthodoxen Kirche steht ein E-Scooter. „Es ist skurril zu wissen, dass Krieg in diesem Land herrscht und man versucht, ganz normal den Tag zu gestalten”, sagt Trabert. Wer genauer hinsieht, entdeckt auch an diesen Orten die Spuren des Krieges. Es gibt Panzersperren und einen Platz mit Tausenden von Ukraine-Fahnen, für all die Getöteten. Der Arzt erzählt von Denkmälern, die mit Sandsäcken, Betonplatten und Folien gegen die Angriffe der Russen geschützt werden. „Das ist etwas, was neu ist an Erfahrung für mich.” In den Nächten dröhnt Alarm. Noch bis Sonntag ist Gerhard Trabert in dem Land unterwegs. Begleitet wird er von Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag.