Was bei der Ministerpräsidentenwahl zu beachten ist und welche Szenarien es gibt, falls Boris Rhein die erforderliche Mehrheit verfehlt.
WIESBADEN. Am Dienstag um 14.35 Uhr ist Boris Rhein, bisheriger hessischer Landtagspräsident, am Ziel seiner politischen Karriere: Der 50-Jährige wird von der frisch gewählten neuen Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) als nächster Ministerpräsident Hessens vereidigt. Wenn – für die CDU und Rhein – alles planmäßig verläuft.
Um Nachfolger Volker Bouffiers (CDU) zu werden, der das Amt des Regierungschefs dann nach knapp zwölf Jahren abgibt, braucht Rhein alle 69 Stimmen der Abgeordneten von CDU und Grünen. Nach dem Stimmungsbild der Koalitionsfraktionen in der vergangenen Woche ist am Dienstag bei der geheimen Wahl nicht mit schwarzen oder grünen Abweichlern zu rechnen – die bei einer derart knappen Regierungsmehrheit von einer Stimme schnell zu „Heckenschützen“ werden können.
Bloß nicht das Schicksal von Heide Simonis teilen
In solchen Diskussionen wird regelmäßig an das Schicksal der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) erinnert, die sich 2005 mit knapper Mehrheit für eine dritte Amtszeit wiederwählen lassen wollte. Nach vier Wahlgängen, in denen sie keine Mehrheit errang, zog die damals 61-Jährige ihre Kandidatur zurück. Simonis blieb geschäftsführend im Amt, bis in einem fünften Wahlgang in der nächsten Plenarsitzung ihr CDU-Kontrahent Peter-Harry Carstensen zum Ministerpräsident gewählt wurde. Die Sozialdemokratin zog sich aus der Politik zurück. Bis heute ist unbekannt, wer am 17. März 2005 im Landtag in Kiel zum „Heide-Mörder“ wurde.
Erreicht Rhein das erforderliche Quorum von 69 von insgesamt 137 Abgeordneten-Stimmen im ersten Wahlgang nicht, gibt es theoretisch die Möglichkeit unbegrenzter weiterer Wahlgänge. In diesem Falle bliebe die bisherige Landesregierung geschäftsführend im Amt, theoretisch bis zum Ende der Legislaturperiode – erst im Herbst 2023 soll die nächste Landtagswahl in Hessen stattfinden. Löst sich der Landtag gemäß Landesverfassung selbst auf, müssten binnen 60 Tagen Landtagswahlen stattfinden – also bis Ende Juli. Für die Linke könnte es dabei laut aktuellen Umfragen schwer werden, wieder in den Landtag einzuziehen.
Regierungserklärung ist für den 7. Juni geplant
Ungeklärt ist nach wie vor die Frage, welche Umbauten Rhein im Kabinett vornimmt, denn mit dem Ministerpräsident tritt formal auch das gesamte Kabinett zurück. Als gesichert gilt, dass die vier Minister der Grünen unangreifbar sind. Innerhalb der CDU-Ressortchefs gibt es Spekulationen, dabei fällt immer wieder der Name von Justizministerin Eva Kühne-Hörmann. Auch die CDU-Fraktion erfährt diese Personalien erst am späten Montagnachmittag.
Lesen Sie auch: So läuft die hessische Ministerpräsidentenwahl am 31. Mai
Die Zukunft von Bouffiers Landtagsmandat ist unterdessen geklärt: Da sein Ersatzkandidat im Wahlkreis, der Europaabgeordnete Sven Simon, sich auf seine politische Arbeit in Straßburg konzentrieren will, folgt als Nachrückerin gemäß der Landesliste der Landtagswahl 2018: Kühne-Hörmann. Den neuen Ministerpräsidenten wählt Bouffier am Dienstagmittag als Abgeordneter aber noch mit – nach seinem Rücktritt als Regierungschef kurz zuvor. Sein Nachfolger Boris Rhein wird in einer Regierungserklärung am 7. Juni bekannt geben, welche inhaltlichen Schwerpunkte er für Hessen im Rest der Legislaturperiode setzen möchte.