Hessen will Kommunalpolitiker mehr vor Hass im Netz schützen

Das Bundesland Hessen will sich dafür einsetzen, dass Kommunalpolitiker im Internet besser gegen Hass und Hetze geschützt werden. Symbolfoto: dpa

Bei Hass und Hetze im Internet sind Kommunalpolitiker oft im Fadenkreuz. Dagegen will Hessen nun vorgehen - unter anderem mit schnelleren Ermittlungen nach Drohungen.

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WIESBADEN. Der Ton ist rauer geworden in der Politik - und gerade Kommunalpolitiker fühlen sich immer wieder wie im Fadenkreuz. Es gehe nicht um Kritik, sondern um Drohungen und Hass in einem Ausmaß, das so Manchen zum Aufgeben bringe, so eine Sprecherin der Organisation Hate Aid. Häufig fühlten sich die Betroffenen allein gelassen.

Das soll anders werden: In Hessen sollen Drohungen und Straftaten gegen Kommunalpolitiker künftig gezielter erfasst und gebündelt werden. Die hessischen Polizeipräsidien sollen seit Beginn dieses Jahres dem Landeskriminalamt (LKA) alle entsprechenden Straftaten melden, die sich gegen Kommunalpolitiker im Land richten, teilte Innenminister Peter Beuth (CDU) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion in Wiesbaden mit. Ziel sei, damit eine schnellere und spezifischere Datengrundlage für diese Taten zu bekommen.

Kommunalpolitiker als eigene Kategorie

Bislang war der Begriff "Kommunalpolitiker" bei der Erfassung der Fälle von politisch motivierter Kriminalität beim Kriminalpolizeilichen Meldedienst des LKA nach Angaben des Innenministers nicht speziell hinterlegt. Diese Straftaten seien in die Themenfelder Attacken gegen Politiker, Amts- und Mandatsträger sowie Parteimitglieder und Parteirepräsentanten eingeflossen.

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Hessen werde sich innerhalb der Kommission Staatsschutz dafür einsetzen, den Begriff "Kommunalpolitiker" als zusätzliches Angriffsziel in den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität aufzunehmen, erklärte Beuth. Der Kommission Staatsschutz gehören alle Leiter der Staatsschutzabteilungen der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes an.

Einige hessische Initiativen widmen sich dem Thema bereits

Beleidigungen und Attacken auf Mandatsträger nehmen seit etlichen Monaten auch in Hessen zu. Gerade gegen den Hetze im Internet gehe das Land mit dem Aktionsprogramm "Hessen gegen Hetze" gezielt vor, sagte der Innenminister. Als Teil des hessischen Aktionsprogrammes habe das Justizministerium zudem die Kooperationsvereinbarung #KeineMachtdemHass mit zivilgesellschaftlichen Akteuren geschlossen.

Nach der Verurteilung des Mörders des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) hatte der Opferbeauftragte der Bundesregierung gemahnt, gerade Kommunalpolitiker müssten viel besser geschützt werden als bisher. Drohungen seien für viele, die sich politisch engagierten, beinahe Alltag geworden, erklärte Edgar Franke.

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Hass trifft die Lokalpolitiker besonders stark

"Hass und Hetze gegen Politiker sind immer stärker vor allem gegen Kommunalpolitikerinnen und -politiker zu beobachten", sagte Lorina Whittaker, Sprecherin der Organisation Hate Aid, die Anlaufstelle für Betroffene ist und Teil der Zusammenarbeit zwischen Land und Zivilgesellschaft im Engagement gegen Hass im Netz und auf der Straße. Gerade dort, wo es sich um ehrenamtliche Politiker handele, treffe der Hass die Betroffenen ungefiltert und oft ungeschützt: "Der Name ist bekannt. Der Wohnort ist bekannt. Und es gibt kein Team von Mitarbeitern, das Post oder Mails bearbeitet."

Wenn Hassnachrichten nicht in einem Abgeordnetenbüro eingingen, sondern dort, wo Kommunalpolitiker mit ihrer Familie lebten, wenn Kot an die Haustür geschmiert werde oder Beschimpfungen im Briefkasten landeten, sei die Wirkung direkt. "Da gibt es viele, die sagen, das ist zu krass, die wollen nicht noch einmal kandidieren", sagte Whitaker. Einzelne Fälle seien in der Vergangenheit publik geworden. "Aber das sind keine Einzelfälle - und das ist gefährlich für die Demokratie." Denn so verständlich ein Rückzug auch sein möge: "Das ist das falsche Signal." Gleichzeitig müssten gerade Kommunalpolitiker, die ja "nah am Bürger" arbeiteten, befürchten, dass ihnen auch jene nahe kämen, die sie bedrohten und eines Tages vor der Tür stünden.

Keine klare Grenze zwischen Amt und Privatleben

Im Fall Lübcke war es ähnlich: Der 47-Jährige Stephan Ernst, der wegen des Mordes vor einer Woche zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, hatte den CDU-Politiker auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen - an dem Platz, an dem Lübcke gerne Entspannung suchte. Der Täter war auf einer Bürgerversammlung auf Lübcke aufmerksam geworden, auf der sich der Regierungspräsident für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzte. Lübcke hatte danach zahlreiche Drohmails bekommen. Sein Mörder wusste: "An den kommt man ran", anders etwa als an gut geschützte Bundespolitiker.

"Aus Worten sind Taten geworden", war in den vergangenen Monaten in dem Prozess um den Lübcke-Mord immer wieder betont worden. Noch immer werden bei der Zentralstelle für Internet-Kriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Ermittlungen geführt, in denen zu Hass gegen Lübcke aufgerufen oder die Tat befürwortet wird. Mehr noch "Der Mord ist wie eine Art Vorlage für Gewaltfantasien und Morddrohungen gegen andere Politiker", sagte ein ZIT-Sprecher. Nahezu täglich hätten die Ermittler mit Fällen zu tun, in denen Politikern gedroht werde, "das, was mit Walter Lübcke passiert ist, müsse auch Ihnen geschehen."

Von dpa