Corona-Lage: Auch Hessen berät über Maskenpflicht

aus Coronavirus-Pandemie

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Eine Passantin hält ihre FFP2-Maske in der Hand.  Symbolfoto: dpa

Die Landesregierung sieht eine „erheblich zunehmende Belastung des Gesundheitssystems“. Rheinland-Pfalz setzt hingegen „noch auf Eigenverantwortung der Menschen“.

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WIESBADEN/MAINZ. Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen und wachsenden Drucks auf das Gesundheitssystem wird in einigen Bundesländern über strengere Corona-Maßnahmen diskutiert – etwa die Rückkehr zur Maskenpflicht in Innenräumen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) forderte die Länder am Freitag eindringlich dazu auf, wieder mehr Maskenvorgaben vorzusehen. „Die Richtung, in die wir unterwegs sind, ist keine gute“, sagte er. Sinnvoll wäre aus seiner Sicht, mit geringeren Einschränkungen jetzt zu arbeiten, als mit sehr drastischen spät zu reagieren. Tatsächlich wird in Hessen, das derzeit laut Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit die dritthöchste Sieben-Tage-Inzidenz aufweist (rund 950, Stand Freitagmorgen), bereits über die Einführung diskutiert. Rheinland-Pfalz hat eine ähnlich hohe Inzidenz (knapp 920), ist aber zurückhaltender.

„Erhebliche Personalausfälle“ in den hessischen Kliniken

Angesichts der „erheblich zunehmenden Belastung des Gesundheitssystems“ berate die hessische Landesregierung „aktuell in enger Abstimmung mit der hessischen Ärzteschaft und den Kliniken sowie den anderen Ländern über mögliche notwendige Maßnahmen wie zum Beispiel eine Maskenpflicht in Innenräumen“, erklärte ein Sprecher des Sozialministeriums in Wiesbaden auf Anfrage. Die Lage in den Krankenhäusern sei derzeit „auch in Hessen sehr angespannt“. Zum einen gebe es in den Kliniken „erhebliche eigene Personalausfälle“, zum anderen sei die Bettenbelegung mit Covid-Patienten auf Normal- und Intensivstationen stark gestiegen. Ob die Patienten dabei „mit“ oder „wegen“ Covid 19 behandelt werden, sei „nicht erheblich, da in beiden Fällen ähnlich aufwändige Maßnahmen erforderlich werden“, sagte der Sprecher, etwa bei der Isolation.

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„Wir beobachten die Situation und das Infektionsgeschehen im Land sehr genau“, sagte der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) gegenüber dieser Zeitung. Rheinland-Pfalz setze im Moment „noch auf die Eigenverantwortung der Menschen“. Es sei weiterhin „dringend empfehlenswert, in Situationen, in denen viele Menschen zusammenkommen, auch möglichst konsequent Maske zu tragen“. Auch in Rheinland-Pfalz stiegen die Covid-Patientenzahlen aktuell deutlich an, sagte Hoch. „In den meisten Fällen handelt es sich aber weiterhin um Patienten, die nicht ,wegen‘, sondern ,mit‘ Corona in den Krankenhäusern behandelt werden.“

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Bei der Bedeutung dieser Unterscheidung sind sich beide Länder also nicht ganz einig – davon hängt aber auch die Bewertung der Corona-Lage insgesamt ab. Wobei Minister Lauterbach am Freitag nochmals darauf hinwies, dass die Unterscheidung in der Praxis schwierig sei. Und da eben auch die Nebendiagnose „Covid 19“ bei gefährdeten Personen schwere Folgen haben könne, sei dies auch eher zweitrangig.

Aber auch Mediziner beschäftigt die Frage sehr. Christian Karagiannidis, Leiter des Intensivregisters – einer bundesweiten Statistik über die Intensivpatienten – sagte in dieser Woche, „wahrscheinlich etwa 50 Prozent“ der Patienten müssten wegen Covid 19 behandelt werden – der Rest wäre nicht wegen der Infektion auf die Intensivstation gekommen. Trotzdem müssten alle Patienten isoliert werden. Und die Coronainfektion könne die Prognose der anderen Patienten verschlechtern. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin an der Hamburger Uniklinik und in den vergangenen Monaten wie Karagiannidis Mitglied im „Team Vorsicht“ in Sachen Corona, forderte jüngst „dringend eine Differenzierung“, wie es sie längst in anderen Ländern gibt. Zum Beispiel beim Nachbarn Österreich. Der dortigen landesweiten Statistik zufolge ist aktuell bei einem Viertel der Patienten eine „Covid-19-Symptomatik“ der „primäre Grund“ der Krankenhausaufnahme, auf Normal- wie auf Intensivstationen. Der Rest: meist Zufallsbefunde.

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So oder so ist derzeit aber neben der Patientenzahl die Zahl des zur Verfügung stehenden Personals ein Hauptgrund für die Belastung in den Kliniken. Viele Kräfte fallen nicht nur, aber auch wegen Corona aus. Deutlich wird das Problem Personalmangel auch in Bayern. Das Bundesland hat derzeit die zweithöchste Inzidenz (962) und ist zuletzt in den Fokus geraten, weil Kliniken gerade in München Alarm geschlagen haben. Naheliegender Grund: Stark steigende Infektionszahlen nach dem Oktoberfest.

Tatsächlich liegt in Bayern aber derzeit die Zahl der Intensivpatienten insgesamt auf dem niedrigsten Niveau der Pandemie – noch stärker gesunken ist jedoch in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der überhaupt betreibbaren Betten. Was die Lage verschärft. Eine klare Folge des Personalmangels.

Hohe Zahlen nach der Wiesn, niedrige nach dem Wasen

Darüber hinaus ist der ursächliche Zusammenhang der stark steigenden Zahlen allein mit dem Oktoberfest – schon früher Ausgangspunkt der „Wiesn-Grippe“ – auf den zweiten Blick nicht mehr ganz so klar. Beziehungsweise: Der Einfluss der „normalen“ Welle ist unklar. So ist das kleine Saarland auch ohne Riesen-Oktoberfest schon seit Wochen Hotspot (Inzidenz: 1460). Zum anderen ist ausgerechnet in Stuttgart, wo mit dem Cannstatter Wasen zwei Wochen lang ebenfalls ein Fest mit Millionen Besuchern gefeiert wurde, die Inzidenz bundesweit mit am niedrigsten (rund 430).

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In der Stadt München selbst ist die Inzidenz nach dem zuvor rasanten Anstieg in den vergangenen Tagen nun von rund 1500 auf rund 1100 gesunken. Die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken, die ebenfalls stark gestiegen war, ist seit einigen Tagen gleichbleibend oder leicht gesunken.