Gastkommentar von Friedrich Küppersbusch: Am Ende der GroKo

Friedrich Küppersbusch. Foto: dpa

Die Große Koalition liegt in den letzten Zügen. Lange Zeit war das Konsensbündnis verblüffend beliebt.

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. Die GroKo war toll. Noch gibt es keiner zu. Wie „über die Toten nichts Schlechtes“, so wird über die Lebenden gern das Gute verschwiegen. Und da hat sich einiges angestaut. Bald ist es vorbei. Die SPD gebärdet sich seit Monaten wie der episch sterbende Freistoßbettler beim Fußball: Die Schwarzen wollen keine „Respekt-Rente“? Raus aus der Regierung. Euro-Uschi ohne SPD-Segen? Raus. Kramp-Karrenbauer als Kanzlerin? Nicht mit uns! Auch die Union blickt fiebernden Auges auf die anstehenden Gemetzel im Osten: Spätestens Ende Oktober, nach der Landtagswahl in Thüringen, werden sich Merkelianer und Spahnisten zerlegen.

Dabei hatte alles so unschön angefangen. Nochkanzler Schröder klötete in der legendären Elefantenrunde 2005 die frappierte CDU-Chefin Merkel an, sie möge doch mal die Kirche im Dorf lassen und sich nicht einreden, mit seiner SPD eine Koalition hinzubekommen. Von wegen. Merkel großkoalierte, unterbrochen nur von einer liberalen Seifenblase 2009 bis 2013. Aus den 1960ern wehte der Ruch herüber, GroKos seien nur etwas für den Notfall. Damals auch Geste: Der hohe Nazi-Beamte Kiesinger und der Nazi-Verfolgte Brandt gaben einander die Hand zur ersten Groko. Mit der „Konzertierten Aktion“ zwischen Bossen und Arbeitern wurde die Wirtschaft belebt, „Plisch und Plum“ – Strauß und Schiller – konsolidierten die Haushalte. Bei so wenig Opposition sammelte die sich außerparlamentarisch – als „APO“ machte sich ein Ahn der heutigen Grünen auf den Weg. Bös gegängelt von Notstandsgesetzen. Und am Ende saß die rechtsradikale NPD in sieben Landtagen.

Auch deshalb ließen die Volksparteien den berüchtigten Fusel der Maximalkoalition 36 Jahre im Schrank. Die SPD traute sich 2005 und 2013 kein Linksbündnis – die Grünen nicht minder. Und so ritt Merkel die perfekte Welle. Die „Agenda“ hatte sie als Oppositionsführerin noch verspottet: „Der große Wurf ist das mit Sicherheit nicht.“ Nun schwebte sie auf der Thermik des kleinen Wurfs, sinkenden Arbeitslosenzahlen, sprudelnden Steuereinnahmen. Mit Sozi Steinbrück hypnotisierte Angela Merkel die Sorgen der Sparer in der Finanzkrise weg. Und die kleine Raute Nimmersatt mampfte mit gutem Appetit Mindestlohn, Ehe für alle, Atomausstieg und Elternzeit. „Ideenstaubsauger“ bollerte gefrustet One-Hit-Wonder Martin Schulz von der zerbröselnden SPD.

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Nach den blanken Zahlen wird man auf die GroKo-Epoche als eine gelungene zurückschauen. Auch brachte sie Deutschland an mehr als ein Dutzend Kriegsschauplätze weltweit; zum Sommermärchen 2006 waren wir die beliebtesten Nachbarn, heute mag uns kaum jemand mehr. Europa rostet, das große Projekt Zuwanderung misslang zur Schande, und, schönen Gruß von 1969: Die GroKo macht die Ränder stark. Fast aus dem Nichts die AfD, spät aber gewaltig die Grünen – die große Koalition ist auch deshalb am Ende, weil es keine großen Koalitionen mehr geben kann. Sechs Parteien zwischen etwa zehn und vielleicht dreißig Prozent. Wie soll das Fernsehen da eigentlich ein Kanzler-Duell machen? Zwischen wem?

Die Deutschen haben es mit ihrem Hunger nach Stabilität übertrieben. In Umfragen war das Konsensbündnis verblüffend beliebt – „die sollen sich zusammentun und nicht immer streiten“. Kaum taten sie es, wurden sie von denselben Wählern erbarmungslos, erbärmlich: abgestraft. Wir haben uns mit zuviel GroKo selbst bewiesen, dass nichts mehr wirklich sicher ist. Der Schritt zu Projekt-Koalitionen ist keine Option mehr. Sondern bald zwingend. Das kann auch heißen, dass wir erwachsen geworden sind. „Jamaika“ könnte das Projekt Migration angehen: grüne Offenheit, liberaler Kaufmannsgeist und konservatives Maß. Eine Linkskoalition käme am sozial verträglichen Klimaprojekt nicht vorbei. So kann man die Möglichkeiten nach der Neuwahl durchspielen. Nur für Schwarz-Rot fehlt, neben vielem – der Grund.

Von Friedrich Küppersbusch