Werner Höfchen war schon bei über 50 Coiffeuren in aller Welt. Ein Interview über zündelnde Figaros in der Türkei, karibisches Feilschen und eine Glatzen-Panne auf Kreta.
. Werner Höfchen reist mit seiner Frau seit Jahren um die Welt. Ihr Interesse gilt sehr speziellen Sehenswürdigkeiten: Ob auf den Seychellen, in Spanien oder Schottland, wo auch immer der Mann aus dem brandenburgischen Beelitz sich gerade aufhält: Unterwegs muss er immer zum Friseur. Figaros lassen sich schließlich nicht über einen Kamm scheren, zwischen Frisierstuben in Asien oder Amerika liegen Welten. Der passionierte Barbier-Tester kann von sich behaupten, ein Kenner des globalen Coiffeurhandwerks zu sein – schließlich hat er auf (fast) allen Kontinenten schon Haare gelassen.
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Herr Höfchen, normalerweise bringen Reisende Souvenirs mit nach Hause, Sie dagegen einen frischen Haarschnitt. Aus wie vielen Ländern bisher?
Ich war bei rund 50 Friseuren in fast ebenso vielen Ländern – von Kuba über Japan und Südafrika bis Island. Gerade war ich mit meiner Frau, die unsere Friseurbesuche seit 2002 fotografisch festhält, in Kanada, wo ich mir natürlich wieder die Haare schneiden ließ.
Weil Sie mit den heimischen Friseuren unzufrieden sind?
Nein, überhaupt nicht. Die Sache hatte sich in den 1990er-Jahren durch meine Arbeit ergeben. Damals war ich als Kraftwerksingenieur weltweit tätig, oft war ich monatelang unterwegs. In dieser Zeit musste ich natürlich immer mal wieder zum Friseur, zum Beispiel in Italien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und irgendwann dachte ich, dass ich auch im Urlaub Friseure aufsuchen könnte. So ist daraus quasi ein Hobby entstanden, ein richtiger Spleen.
Was fasziniert Sie am Haarschneiderberuf – der ja einen gewissen Mythos besitzt?
Das mit dem Mythos stimmt: Der Friseurladen als Ort, wo Neuigkeiten verbreitet werden und getratscht wird. Ich erinnere mich eine Kolumne in der DDR-Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“, in der sich „Frisör Wilhelm Kleinekorte“ in fiktiven Friseurgeschichten alles Mögliche, auch tagespolitische Themen durch den Kakao zog. Dass mich der Friseurberuf als Jugendlicher besonders fasziniert hätte, würde ich aber nicht behaupten. Ich weiß nur, dass ich mir immer von jungen Friseurinnen die Haare schneiden lassen wollte. Bei denen war ich sicher, dass nicht zu viel runterkommen würde, weil sie genauso schnitten wie bei ihrem eigenen Freund. Heute bin ich froh, wenn der Friseur 80 ist, denn in diesem Alter hat er am meisten zu erzählen. Deshalb suchen wir gern alte, urige Läden auf, die aber natürlich auch jüngere Besitzer haben können.
Wie finden Sie solche originellen Frisierstuben?
Manchmal erkundigen wir uns bei unserer Reiseleiterin, wohin ihr Mann zum Haareschneiden geht. Oft fragen wir auch Leute auf der Straße, wenn wir durch die Städte laufen. In Moskau fielen mir sogar noch ein paar Vokabeln aus dem Russischunterricht ein: Wo befindet sich ein Friseur? Wir fanden ihn dann auf einem Hinterhof in einem Keller. Die Inhaberin war etwas erstaunt, warum ich ausgerechnet bei ihr einen Haarschnitt wollte, aber wir haben es ihr erklärt: Ich lasse schneiden, meine Frau fotografiert das Ganze, und zu Hause kommt das Foto in ein Buch. Außerdem schreibe ich die Geschichten dazu auf.
Da dürften einige spezielle Erlebnisse zu Papier gekommen sein?
Auf jeden Fall. Vor Kurzem waren wir auf den Seychellen in einem Classic Barber Shop. Der beeindruckte nicht nur durch laute Reggaemusik, sondern auch durch knallharte Verhaltensregeln für die Kundschaft: Berühren Sie nichts, was Ihnen nicht gehört! Kein Herumhängen! Sei nicht ungeduldig! Keine Kopfhörer tragen auf dem Frisierstuhl! Begleitung bitte draußen warten, außer Eltern von Kindern! Also habe ich meine Frau kurzerhand zu meiner Mami erklärt.
Gab es auch unangenehme Erlebnisse?
Na ja, in der Dominikanischen Republik war ich einmal sauer über ein sehr spezielles Geschäftsmodell. Auf die Frage, was die Frisur kostet, hieß es fünf Dollar. Nachdem mir eine Kopfseite geschnitten wurde, war plötzlich Schluss. Nun sollte ich nochmal fünf Dollar zahlen, damit auch die zweite Hälfte drankäme. Am Ende haben wir uns auf 7,50 geeinigt.
Wurde Ihre Frisur irgendwo mal richtig verhunzt?
Auf Kreta wurde ich einmal fast Opfer meiner Vorliebe für originelle Läden. Statt in den schicken Frisiersalon bin ich ins daneben liegende Garagengeschäft gegangen. Bis ich merkte, dass der Friseur ziemlich angetrunken war, hatte der mir schon wie bei einer Schafschur den Kopf rasiert. Meine Bitten „Nicht so kurz, nicht so kurz!“ hat er einfach ignoriert.
Wo ist die Frisierkultur am meisten ausgeprägt?
Sehr aufwendig betrieben wird das Frisieren auf jeden Fall in der Türkei. In Istanbul waren gleich drei Mann knapp zwei Stunden mit mir beschäftigt: Einer hat gewaschen, einer geschnitten, der dritte kümmerte sich darum, mir die Haare im Gesicht zu entfernen. Dazu trug er mir eine gummiähnliche Gesichtsmaske auf, die beim Abreißen ordentlich ziepte. Was ich auch noch nicht kannte: Ein in Alkohol getränkter, angezündeter Watteball wurde wie eine Art Minifackel verwendet, um die Ohrhaare zu beseitigen. Als ich Jahre später bei einem Friseur in Schottland saß und der dasselbe tat, wusste ich: Das muss ein Türke sein. Und in der Tat hatte der Schotte türkische Wurzeln.
Haben Sie als welterfahrener Friseurkunde einen neuen Blick auf das Handwerk bekommen?
Ich gehe richtig gern zum Haareschneiden, und ich empfinde es als ein anspruchsvolles Handwerk, das nicht jeder beherrscht. Außerdem habe ich in den Ländern gravierende Unterschiede erlebt. So wurde ich in Japan zweimal gewaschen, weil die abgeschnittenen kleinen Haare rausgespült werden sollten. Interessant finde ich auch die Preisunterschiede. Beim Trockenschneiden reicht die Spanne von 3,50 Euro in Mexiko bis 45 Euro in Island.
Was unterscheidet deutsche Friseurstuben von denen im Ausland?
In einem Friseurgeschäft in Trinidad gab es Couch, Fernseher und eine Schlafkoje: Der Laden war das Zuhause des Besitzers. Überrascht war ich auch in London, wo ich mir in einem edlen Salon sogar an einem Sonntag um 10 Uhr morgens die Haare schneiden lassen konnte. Was ich in anderen Ländern übrigens nie gesehen habe, sind diese typischen Friseur-Illustrierten von der Regenbogenpresse. In Österreich war ich mal bei einem Herrenfriseur, da lag für die Kundschaft allerdings der „Playboy“ aus.
Ein Tipp für hiesige Herren-Friseure?
Nein, ich glaube, das ist nicht nötig. Was mir auffiel: In vielen Ländern hängen an den Wänden der Salons Poster mit Fotos von Frisuren. Das finde ich eigentlich nicht so schlecht.
In Deutschland gibt es diesen Trend zur Doppeldeutigkeit im Namen von Frisiergeschäften. Ist das in anderen Ländern ähnlich?
Das ist in der Welt nicht so ausgeprägt wie bei uns. In englischsprachigen Ländern heißen die Läden oft schlicht Hair Salon oder Barber Shop.
In Ihrer globalen Barber Shop-Sammlung fehlt Ihnen als einziger Kontinent nur noch Down Under. Kommt das noch?
Australien ist mir erst mal zu weit weg. Als Nächstes steht Kroatien auf dem Plan und auch Irland reizt mich noch.
Sicher gibt es auch in Deutschland originelle Frisiersalons. Die interessieren Sie gar nicht?
Oh doch, kürzlich hat mich ein Fernsehteam für einen Bericht mit dem bekannten Berliner Friseur Frank Schäfer zusammengebracht. Ich habe mich in seinem Laden total wohl gefühlt und festgestellt, dass hiesige Friseure ja auch interessante Geschichten zu erzählen haben. Außerdem kann ich mich mit ihnen natürlich viel besser auf Deutsch unterhalten.
Wie viele Friseurgeschäfte gibt es eigentlich in Ihrer Heimstadt Beelitz?
Fünf. Eins betreibt sogar eine Friseur-Weltmeisterin, die Jana Eichler. Zu ihr werde ich auch noch hingehen und mir die Haare schneiden lassen. Das soll dann der Abschluss unseres zweiten Fotobuchs werden.
Das Interview führte Gunnar Leue.