Spahn drückt bei Booster-Impfungen aufs Gas - Ärzte bremsen

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Eine Schutzimpfung senkt das Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren und an Covid 19 zu erkranken. Foto: xyz+ - adobe.stock
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn spricht sich weiter für Auffrischungsimpfungen auf breiterer Front aus. Was niedergelassene Ärzte zu den Vorstößen der Politik sagen.

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BERLIN. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dringt weiter auf Auffrischungsimpfungen auf möglichst breiter Front zum Schutz vor dem Coronavirus im Winter. Darüber sollten die Länder nun alle Über-60-Jährigen informieren, heißt es in einem Beschlussentwurf des Bundes für die Gesundheitsministerkonferenz mit den Ländern Ende der Woche. Ergänzend könnten Auffrischungsimpfungen auch "grundsätzlich allen Personen angeboten werden, die diese nach Ablauf von sechs Monaten nach Abschluss der ersten Impfserie wünschen". Zuerst berichteten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe darüber.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt solche Verstärker ("Booster") für länger zurückliegende Impfungen vorerst in engerem Rahmen - unter anderem für Menschen ab 70 und Risikogruppen. Spahn bekräftigt laut den Beschlussvorschlägen nun außerdem, dass auch die Länder ihre regionalen Impfzentren aus dem Stand-by-Modus "wieder aktivieren und dort Auffrischungsimpfungen anbieten" sollen.

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Pflegeeinrichtungen sollen verpflichtet werden

Pflegeeinrichtungen sollen nach den Vorschlägen des Bundes zu Testkonzepten für den Herbst und Winter verpflichtet werden. Diese sollten "unabhängig vom Impfstatus mindestens zweimal wöchentlich obligatorische Tests für das Personal vorsehen", heißt es in dem Entwurf, der auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Alle Besucher von Pflegeheimen sollten ebenfalls ein frisches negatives Testergebnis vorweisen müssen - alternativ sollen die Einrichtungen Schnelltests anbieten müssen. Die Länder könnten für Besucher auch Zugang nur für Geimpfte oder Genesene (2G) vorsehen.

Booster-Impfungen bitte der Reihe nach

Die niedergelassenen Ärzte haben an die Bundesregierung appelliert, sich mit eigenen Empfehlungen zu den Corona-Auffrischungsimpfungen zurückzuhalten. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte am Dienstag in Berlin, abweichende Empfehlungen verwirrten nur. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte könnten alle empfohlenen Impfungen verabreichen, wenn die Rahmenbedingungen stimmten, sagte Gassen.

Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, fügte hinzu, besonders dringend seien Auffrischungsimpfungen in Alten- und Pflegeheimen. Das Versagen aus den ersten Corona-Wellen dürfe sich nicht wiederholen, warnte Scherer. Unter den Corona-Toten sind überproportional viele alte Menschen aus Pflegeheimen.

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Die Ärztevertreter forderten, dass bei den Auffrischungsimpfungen strikt nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) vorgegangen wird. Man brauche klare Ansagen und Übersicht, um die Impfungen in den Praxen durchführen zu können, betonte Gassen und wandte sich damit auch gegen Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der die sogenannten Booster-Impfungen generell empfohlen hatte und hofft, damit die vierte Corona-Welle zu brechen.

Stiko-Präsident Thomas Mertens sagte, dringend müssten zunächst die Menschen zum dritten Mal geimpft werden, deren Immunsystem nicht richtig funktioniert, außerdem die über 70-Jährigen. Beide Gruppen hätten ein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken. Weiter empfehle die Stiko Auffrischungsimpfungen für pflegerisches und medizinisches Personal sowie für Menschen, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft sind. Mertens sagte, ebenso wichtig sei aber, dass die rund 30 Prozent Ungeimpften noch immunisiert würden.

Demgegenüber halten die Gesundheitsminister Auffrischungsimpfungen schon für alle Über-60-Jährigen für sinnvoll. Die Stiko prüft eine solche Empfehlung Mertens zufolge noch. Gesundheitsminister Spahn hatte empfohlen, für die Auffrischungsimpfungen die Impfzentren wieder aufzumachen. Ärztepräsident Klaus Reinhardt stellte sich hinter den Vorstoß, in den Bundesländern und bei den niedergelassenen Ärzten stieß dieser hingegen auf Skepsis.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind aktuell zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Das sind 55,5 Millionen Menschen. Von den 24,1 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind, sind den Angaben zufolge gut 85 Prozent vollständig geimpft. 2,1 Millionen Menschen haben dieser Statistik zufolge bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Von dpa