Der Goldene Windbeutel geht an eine Kinder-Tomatensauce

Die Übergabe des Goldenen Windbeutels an Zwergenwiese in Silberstedt.  Foto: foodwatch / Udo Fischer

Verbraucher haben die zuckrige "Kinder-Tomatensauce" zur Werbelüge des Jahres erklärt. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat nun dem Hersteller den Negativpreis überreicht.

Anzeige

BERLIN. Der „Goldene Windbeutel“ von Foodwatch für die „dreisteste Werbelüge“ ist gefürchtet. Alljährlich nominiert die Verbraucherorganisation fünf Produkte für den Negativ-Preis, die zuvor auf einer Beschwerdeplattform von Verbrauchern eingereicht werden. Foodwatch lässt dann die Internet-Gemeinde abstimmen. Die nimmt rege teil: Fast 70.000 gaben laut Foodwatch in diesem Jahr ihr Votum ab – und machten die „Kinder-Tomatensauce“ des Bio-Pioniers Zwergenwiese klar zum „Goldenen Windbeutel“ 2019.

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (53,2 Prozent) votierten nach Angaben der Verbraucherorganisation für dieses Produkt. Auf Rang zwei landete das Getränk Yakult Original mit 26,1 Prozent der Stimmen, auf Platz drei der „100 % Bio Direktsaft Karotte“ von Hipp (7,4 Prozent).

Das Etikett der Kinder-Tomatensoße von Zwergenwiese zeigt einen Comiczwerg, der eine Gabel mit Spaghetti und Tomatensoße in der Hand hält, die andere Hand hat den Daumen hoch. Das schmeckt Foodwatch gar nicht. „Zwergenwiese erweckt bei Eltern den Eindruck, die Rezeptur sei kindgerecht“, dabei enthalte die Soße mit elf Prozent mehr als doppelt so viel Zucker wie die normale Zwergenwiese-Tomatensoße für Erwachsene. „Eltern kaufen Bio-Produkte, um ihren Kindern etwas Gutes zu tun – aber Zwergenwiese jubelt Kindern eine Extra-Portion Zucker unter“, so Foodwatch.

Zwergenwiese nimmt den „Goldenen Windbeutel“ an

Das Unternehmen argumentierte zunächst, bei der zugesetzten Süßung handele es sich nicht um Kristallzucker, sondern um natürlichen Apfeldicksaft. Das ließ Foodwatch nicht gelten: „Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert auch Apfeldicksaft als freien beziehungsweise zugesetzten Zucker.“ Zwergenwiese überraschte dann aber: Man reagiere zwar mit Erstaunen auf die Auszeichnung, nehme aber „als offener und transparenter Biopionier die Kritik ernst“ und scheue sich nicht, den Preis entgegenzunehmen.

Anzeige

Und das gab es bei der Schmähtrophäe noch nie. „Als erster Hersteller überhaupt hat Zwergenwiese den Preis akzeptiert“, so Foodwatch. Mehr noch: Zwergenwiese kündigte an, man werde die „Bemühungen zur Reduktion der natürlichen Süße weiter vorantreiben“ und, so zitiert Foodwatch, alle Kinderlebensmittel im Sortiment auf den Prüfstand stellen.

Hipp weist Vorwürfe “aufs Schärfste zurück”

Hipp reagierte auf die Nominierung dagegen so, wie es Foodwatch gewohnt ist: Man nehme jede Kritik ernst und verstehe den Unmut der Verbraucher, „den Vorwurf der Werbelüge weisen wir jedoch aufs Schärfste zurück.“ Der Vorwurf: Hipp habe die Flasche seines Bio-Karottensaftes für Babys von 500 auf 330 Milliliter verkleinert – und dabei den Preis um 95 Prozent auf 4,50 Euro je Liter erhöht. Das sei fast viermal mehr als bei einem günstigen Bio-Produkt einer Handelskette. Für Foodwatch ist das „Abzocke im Saftregal“ und „Verbrauchertäuschung“. Das lässt Hipp nicht gelten. Bei dem Produkt sei der Preis 2019 „erstmalig nach zehn Jahren“ erhöht worden. In dieser Zeit seien die gesamten Herstellerkosten kontinuierlich gestiegen. Zudem seien Veränderungen am Saft sowie Preisgestaltung und Füllmenge „für unsere Kunden zu jeder Zeit zu erkennen“. Von Lüge könne also keine Rede sein.

Yakult wiederum bewirbt sein Getränk zur Verbesserung der Darmgesundheit als „die kleine Flasche Wissenschaft“, da rund 85 Jahre Forschung im enthalten Lactobacillus casei Shirota steckten und es eine Reihe von Studien zu den Wirkungen gebe. Das reicht Foodwatch nicht: Effekte auf die Darmgesundheit seien wissenschaftlich nicht belegt. Außerdem steckten in der Miniflasche fast neun Gramm Zucker. Yakult sei vor allem eines: „Dreiste Abzocke für 8,40 Euro pro Liter.“ Der Hersteller widerspricht: In einigen Ländern, darunter in der Schweiz, gelte die positive Wirkung auf die Darmtätigkeit als wissenschaftlich belegt. In der EU sei das jedoch noch nicht der Fall.