An der Schiersteiner Brücke wird das dritte von insgesamt vier großen Brückenteilen eingeschwommen und dann eingehoben.
WIESBADEN. Schnell ist anders – spektakulär ist es aber trotzdem, was sich am Mittwoch neben, unter und auf der Schiersteiner Brücke abspielte. Zum dritten Mal machte sich im Rahmen des Neubauprojekts ein riesiges Bauteil der Autobahnbrücke auf den Weg zu seinem Bestimmungsort. Der liegt etliche Meter über der Hauptfahrrinne von Europas Wasserstraße Nummer eins, auf der für das Manöver 24 Stunden lang keine Schiffe fahren durften.
Mit seinen 2050 Tonnen ist es das bislang schwerste Teil, das die Brückenbauspezialisten in Schierstein auf die kurze Reise stromaufwärts schickten. Die Dimensionen des Brückenmittelstücks waren aber nicht der einzige Faktor, der die Operation zu einem Unterfangen machte, das sich bis spät in die Nacht ziehen sollte. Insbesondere die Nachwehen von Sturmtief Sabine sorgten am Mittwoch für einige Sorgenfalten bei den Planern.
Vier Monate lang wurde geschweißt
„Ein spannender Tag“ ist das Einschwimmen am Mittwoch auch für den Präsidenten von Hessen Mobil. Gerd Riegelhuth, für dessen Behörde die Schiersteiner Brücke eine der größten Bauprojekte ist, lässt sich die lange vorbereitete Aktion nicht entgehen. Gut vier Monate lang war am Schiersteiner_Rheinufer, unweit des Raiffeisen-Gebäudes, ein wahrer Stahlkoloss zusammengeschweißt worden. 120 Meter lang, gute 25 Meter breit und 2050 Tonnen schwer ist das Mittelstück, das den Teil der Ostbrücke zwischen Wiesbaden und der Rettbergsaue komplettiert.
Über die Ostbrücke sollen von Ende 2021 an drei A643-Fahrspuren in Richtung Schiersteiner Kreuz führen, ein Standstreifen für Sicherheit sorgen und ein Radweg die Rheinufer verbinden. Das letzte Mittelstück, zwischen der Rettbergsaue und dem Mainzer Ufer, soll Anfang 2021 installiert werden.
Rohe Kräfte und feinfühliges Händchen
Damit das Projekt nicht ins Stocken kommt, sind am Mittwoch gleichermaßen rohe Kräfte und ein feinfühliges Händchen von den rund 40 Spezialisten gefragt – und ein wenig Wetterglück. Das zeigt sich rund um die Einschwimmaktion von seiner kapriziösen Seite: Noch vor einigen Wochen hatten die Planer mit Sorge den niedrigen Wasserstand des Rheins beobachtet, in der vergangenen Wochen sorgte dann das Hochwasser für eine kurzfristige Vorverlegung des Einschwimmtermins. „Die Welle wollten wir unbedingt ausnutzen“, erklärt Jörg Steincke, Projektleiter bei Hessen Mobil. Tiefgang ist der Grund: Rund dreieinhalb Meter tief liegt der Doppeldecker aus Ponton und Brückenteil im Wasser.
Am Mittwoch bringen dann die letzten Böen des Sturms Sabine den Zeitplan etwas ins Wanken. Erst zwei Stunden später als geplant können sich der Ponton und seine schwere Last vom Ufer aus in Bewegung setzen. Von da an geht es langsam aber stetig voran. Direkt nach dem Ablegemanöver vollführt das Gespann eine 90-Grad-Drehung und arbeitet sich dann quer zur Fließrichtung stromaufwärts bis zur Brücke. Stabilisiert wird die schwimmende Konstruktion durch starke Stahlseile, die an Pollern vertäut sind. Winden auf dem Ponton sorgen für die Bewegung, die spätestens am Abend, als das Teil unter der Schiersteiner Brücke hindurchfährt, zur echten Millimeterarbeit wird.
Hauptfahrrinne für 24 Stunden gesperrt
Nach dieser ersten Etappe folgen mehrere Stunden Umbauarbeit, in denen das Brückenteil sorgsam an den sogenannten Litzenhebern befestigt wird. Die großen Stahlapparate, die schon seit Tagen an den Enden der unfertigen Brücke warten, ziehen die 2050 Tonnen Stahl dann Stückchen für Stückchen bis auf Fahrbahnhöhe. „Bis jetzt hat alles sehr gut geklappt. Wir denken, gegen Mitternacht sind wir so weit“, gibt Ingenieur Steincke am Abend einen letzten Zwischenstand.
Mitternacht, das wären immerhin noch sechs Stunden vor dem Zeitlimit der Großaktion. Um sechs Uhr am Donnerstagmorgen muss die Hauptfahrrinne des Rheins nämlich wieder für den Schiffsverkehr passierbar sein. Dem stand für 24 Stunden nur der engere Mombacher Seitenarm mit nur einer Fahrspur zur Verfügung.
Das Video zur Verschiebeaktion mit einer Zeitrafferaufnahme finden Sie in den nächsten Tagen im Internet unter: www.wiesbadener-kurier.de
Von André Domes