Kein Antisemitismus? Entlastung im Hakenkreuz-Skandal

Ein Gutachten sieht im Verhalten Holger von Bergs, Direktor am Staatstheater Wiesbaden, gegenüber Orchesterdirektor Jossifov keinen Antisemitismus. Aber es gibt weitere Vorwürfe.

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WIESBADEN. Mit einem Theaterfest wurde am Wochenende der Auftakt der neuen Spielzeit gefeiert. In der Mitarbeiterschaft des Staatstheaters ist dabei, wie man hört, nicht allen nach Feiern zumute: Die anhaltende Konfliktlage, die nun in einer öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen Intendant Uwe Eric Laufenberg und dem Geschäftsführenden Direktor Holger von Berg kulminiert, legt sich auf das Betriebsklima.

Laufenberg hatte Holger von Berg in den Auseinandersetzungen um den jüdischen Orchesterdirektor Ilia Jossifov, wie berichtet, Mobbing und Antisemitismus vorgeworfen. Jossifov war Laufenbergs Wunschkandidat. Holger von Berg indes hielt ihn für nicht hinreichend qualifiziert – und führte kontroverse Gespräche mit dem deutsch-israelischen Musiker zunächst unter einem Hakenkreuz-Plakat in seinem Dienstzimmer. Mit dem Plakatmotiv, durch das Richard Wagners Konterfei sichtbar wird, sollte ursprünglich für eine der Aufklärung der NS-Vergangenheit gewidmete Veranstaltungsreihe in Bayreuth geworben werden. Holger von Berg war dort 2016 bis 2021 Geschäftsführer der Wagner-Festspiele.

„Rechtliche Prüfung“ des Gutachtens geht weiter

Die komplette Auswertung eines externen Gutachtens zu den Vorfällen, von Hessens Ministerium für Wissenschaft und Kunst als Theater-Träger in Auftrag gegeben, steht noch aus. Für Holger von Berg gibt es aber zumindest bezüglich der Antisemitismus-Vorwürfe Entwarnung: Auf Nachfrage teilt der Geschäftsführende Direktor der Redaktion mit, dass das Gutachten zu dem Schluss gekommen sei, dass diese Vorwürfe gegenstandslos sind.

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Das Ministerium bestätigt nun, dass die „unmittelbar Beteiligten“ per E-Mail darüber informiert wurden, „dass das externe Gutachten zu dem Schluss kommt, dass der Antisemitismusvorwurf einer sachlichen Grundlage entbehrt“. Im Übrigen befinde sich das Gutachten noch in rechtlicher Prüfung. Die Mobbing-Vorwürfe sind also offenbar noch nicht vom Tisch.

Mittlerweile gibt es aber noch mehr Klärungsbedarf im Ministerium. Der Intendant hatte dem ehemaligen Orchestervorstand Martin Schneider Hausverbot erteilt. Die rechtliche Prüfung des Hausverbots sei nicht abgeschlossen, teilt das Ministerium dazu mit. Der Trompeter, nach 39 Jahren im Staatsorchester seit diesem Sommer im Ruhestand, hatte Laufenberg in dieser Zeitung und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Instrumentalisierung des neuen Orchesterdirektors im Machtkampf gegen Holger von Berg vorgeworfen. Das Hausverbot hat Laufenberg wegen „unqualifizierten Äußerungen“ und „unwahren Behauptungen“ sowie „nachhaltiger Störung des Betriebsfriedens“ ausgesprochen. Das ist aber nur ein Teil von Laufenbergs Vorwürfen. In einer E-Mail an diese Zeitung unterstellt der Intendant dem Trompeter zudem Befangenheit: Holger von Berg habe Schneider „den Posten des Orchesterdirektors als Altersjob angeboten“. Laufenberg suggeriert damit eine Konkurrenzsituation mit Jossifov: „Mir scheint, dass Herr Schneider, da ich dies nicht zugelassen habe, schlecht über Herrn Jossifov spricht.“ Sowohl Schneider als auch von Berg widersprechen Laufenbergs Behauptung in schriftlichen Stellungnahmen vehement. Die Position des Orchesterdirektors, so Schneider, „stand auch nicht im Entferntesten jemals zur Diskussion“. Es habe lediglich „kurzzeitig die Überlegung“ gegeben, ihm bis zur Wiederbesetzung des Orchesterbüros die Bestellung der Aushilfen für das Orchester zu übertragen.

Tatsächlich rückt Laufenberg, um Beweise für seine Behauptung gebeten, in seiner Stellungnahme von der ursprünglichen Formulierung des Angebots eines „Altersjobs“ ab. Holger von Berg habe ihn, schreibt der Intendant nun, am 10. Januar in Anwesenheit weiterer Mitarbeiter informiert, dass Schneider „die Stelle von Frau Rast erst mal kommissarisch übernehmen könne, um dann weiter zu sehen“. Niemals sei Schneider für die Position des Orchesterdirektors in der Nachfolge von Verena Rast in Betracht gezogen worden, betont indes Holger von Berg. Mittlerweile haben sowohl Holger von Berg als auch Schneider diesbezüglich eidesstattliche Versicherungen abgegeben. Eine falsche Versicherung kann strafrechtliche Folgen haben. Laufenberg wirft in seiner Stellungnahme Schneider aber auch „angewandten Antisemitismus“ vor und bezieht sich dabei auf Äußerungen des Ex-Orchestervorstands gegenüber der Presse. Laufenberg interpretiert Schneider wie folgt: „Der ,Jude’ lügt, kann seinen Job nicht und instrumentalisiert den Holocaust. Das wird auch nicht harmloser dadurch, dass man in Wirklichkeit nur mich diffamieren will.“

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Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber Holger von Berg erhebt im Gespräch mit dieser Zeitung auch Laufenbergs Münchner Agent Marcus Felsner in seiner Eigenschaft als Jossifov-Sprecher. Felsner vertritt die Interessen des Orchesterdirektors, der selbst derzeit nicht für Medienanfragen zur Verfügung steht: „Es geht ihm nicht gut. Er leidet sehr.“ Die „antisemitischen Taten“ Holger von Bergs hätten zu schweren seelischen Verletzungen geführt, sagt Felsner. Momentan erhole sich Jossifov von einer Operation. Nach der Genesung wolle er seinen Dienst wieder antreten. Anfang September wurde eine E-Mail Jossifovs an sein Kollegium mit dem Betreff „Ausstieg“ bekannt. „Aufgrund der Vorkommnisse in den vergangenen Monaten“, so Jossifov darin, habe er beschlossen, die Stelle als Orchesterdirektor aufzugeben. Jossifov habe „in einem Moment der Überforderung Dinge gesagt, die er nicht gemeint hat“, sagt Felsner dazu. Zu der Holger von Berg entlastenden E-Mail aus dem Ministerium sagt Felsner: „Es hat ein klares antisemitisches Verhalten gegeben, das ist dokumentiert.“ Er ordnet die Entlastung als Meinungsäußerung ein: „Jeder kann sagen, was er will.“

Laufenberg: „Das Opfer ist unzweifelhaft Ilia Jossifov“

Das Gutachten liege ihm bis heute nicht vor, teilt Uwe Eric Laufenberg zur entlastenden E-Mail mit. „Entsprechend kann ich auch nichts zu der Behauptung sagen, dass darin steht, dass die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Holger von Berg gegenstandslos seien. Die Mobbingvorwürfe werden ja anscheinend nicht als gegenstandslos angesehen. Für mich ist in dieser Frage die Ansicht des Opfers ausschlaggebend, und das ist unzweideutig Ilia Jossifov.“ Der Intendant fordert das Ministerium auf, „wenigstens allen Beteiligten den Bericht zugänglich zu machen“. Nur dann sei es möglich, dafür zu sorgen, dass Jossifov „seine gute und erfolgreiche Arbeit wieder aufnehmen kann“.