Impf-Studie: Die ersten Hundert haben ihren Piks bekommen

aus Coronavirus-Pandemie

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Studienleiter Prof. Dr. Stephan Gehring (l.), sein Stellvertreter Dr. Daniel Teschner (r.) und Assistenzarzt Dr. Daniel Schreiner (Mitte) arbeiten mit Hochdruck an der Impfstudie, die derzeit an der Unimedizin läuft. 2500 Mitarbeiter sollen mit dem Curevac-Präparat geimpft werden. Foto:hbz/Stefan Sämmer

An der Unimedizin Mainz ist die große Impfstudie von Curevac angelaufen. Leiter ist Stephan Gehring – der sich über die große Impfbereitschaft freut.

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MAINZ. Stephan Gehring ist ein viel beschäftigter Mann – schon in normalen Zeiten, als Leiter der Kinderintensivstation. Diese muss derzeit jedoch des Öfteren ohne ihn auskommen. Denn Prof. Dr. Gehring hat nun noch einen „Nebenjob“ – und zwar einen ausnehmend spannenden: Er ist Leiter der großen Corona-Impfstudie, die gerade an der Universitätsmedizin angelaufen ist. Getestet wird der Impfstoff des Tübinger Herstellers Curevac, dessen Zulassung sehnsüchtig erwartet wird – könnte sie doch entscheidend dazu beitragen, die Impfstoffknappheit zu überwinden.

Doch noch befindet sich Curevac in Studienphase III – das heißt, sein Vakzin wird an mehreren Standorten an Freiwilligen getestet, unter anderem in Mainz. Ausgerechnet in der „Heimatstadt“ von Biontech wird also ein Tübinger Impfstoff erprobt? Gehring lächelt: „Da geht es nicht um Konkurrenz – sondern darum, wie man diese gewaltige Aufgabe gemeinsam bewältigen kann.“

2500 Freiwillige sind zu impfen

2500 Freiwillige sollen an der Mainzer Unimedizin durchgeimpft werden; wie beim Impfstoff von Biontech sind auch beim Curevac-Vakzin immer zwei Dosen notwendig. „Wir wollen das innerhalb eines Vierteljahres schaffen“, erklärt Gehring. Ein ehrgeiziges Ziel, doch der Anfang ist gemacht: Die ersten Hundert haben ihren ersten Pieks bereits bekommen.

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Bislang sei es kein Problem, genügend Freiwillige zu finden, sagt Dr. Daniel Teschner, der ebenso wie Dr. Frank Kowalzik als stellvertretender Leiter an der Studie mitarbeitet. Insgesamt ist das Mainzer Impf-Studienteam rund 100 Mann stark; auch junge Mediziner wie der Assistenzarzt Dr. Daniel Schreiner sind eingebunden. Spannend und wohl „einmalig“ sei es, an solch einem fast schon historischen Projekt mitzuwirken, sagt Schreiner. Das werden sich auch viele der Probanden denken. Ausschließlich Mitarbeiter der Universitätsmedizin dürfen mitmachen. „Von denen geht es aber querbeet von der 19-jährigen Hebammenschülerin bis zum über 60 Jahre alten Institutsleiter. Das Interesse ist sehr groß, unsere Hotline steht keinen Moment still“, erzählt Schreiner. Und das, obwohl das Studienteam schon umfassend auf einer eigenen Internetseite (wir-schlaegt-virus.de) über Studienablauf und Impfstoff aufklärt.

Curevac funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie Biontech. Es handelt sich um einen mRNA-basierten Impfstoff, der eine hohe Wirksamkeit verspricht bei eher geringen Nebenwirkungen. Letzteres habe sich auch bei den bislang geimpften Unimitarbeitern gezeigt, sagt Teschner: Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen können auftreten, klingen aber schnell wieder ab.

Die Probanden behalten die Studienleiter natürlich im Auge. „Mir ist gerade vorhin eine Teilnehmerin über den Weg gelaufen, die erzählt hat, sie habe leicht erhöhte Temperatur bekommen und eine Schwellung an der Einstichstelle“, berichtet Gehring. „Die Mitarbeiterin hat sich fast darüber gefreut – kann sie sich jetzt doch sehr sicher sein, dass sie das Vakzin auch bekommen hat.“ Denn ein Drittel der Teilnehmer erhält bei der placebokontrollierten Impfstudie lediglich eine Kochsalzlösung.

Dennoch – die Chancen für die Probanden stehen gut, tatsächlich eine Impfung zu bekommen, und das sei wohl die Hauptmotivation, an der Studie teilzunehmen, sagt Gehring. Aber nicht nur. „Die Durchführung dieser Studienphase ist essenziell wichtig“, betont der Studienleiter. „Und wir wünschen uns, dass Mitarbeiter diesen Wert sehen. Es gehören schon auch Altruismus und Zivilcourage dazu.“ Denn schon allein die Möglichkeit, die Studiendurchführung zu unterstützen, sei im Sinne der Allgemeinheit ein „erstrebenswertes Ziel“. Und wer ein bisschen Glück hat, bekommt eben das Vakzin und nicht nur das Placebo. Und einen Gesundheits-Check und Aufwandsentschädigungen obendrein.

Ebenfalls angelaufen sind an der Unimedizin die Impfungen mit dem Biontech-Wirkstoff – die Fachkräfte des Gesundheitssystems sind bekanntlich die Ersten, die die Schutzimpfung bekommen können. Die Teilnehmer an der Curevac-Studie sind übrigens davon nicht ausgeschlossen. „Wer einen Termin für eine Impfung mit dem Biontech-Präparat bekommt, kann sich in unserer Studie ,entblinden‘ lassen, das heißt, er erfährt, ob er einen Placebo bekommen hat.“ Ist dies der Fall, steht einer Impfung mit dem Biontech-Wirkstoff nichts im Wege. „Keiner wird ausgeschlossen.“

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An der Unimedizin sei die Impfbereitschaft „überdurchschnittlich hoch“, sagen Gehring und Teschner. Bei den Ärzten gehe diese bis nahezu 100 Prozent; das sei aber zu erwarten gewesen. Erfreulich sei die Tendenz beim Pflegepersonal. „Zwei Drittel der Pflegekräfte sind definitiv impfwillig“, sagt Teschner. Das liege deutlich über den Werten, die etwa bei der Influenza-Impfung erreicht würden. Diese hohe Bereitschaft zur Impfung sei ein wichtiges Signal an die Bevölkerung: „Das hat etwas mit Vertrauensbildung zu tun und vermittelt Sicherheit.“

Doch zurück zur Impfstudie: Ab nächster Woche wollen die Mitarbeiter Vollgas geben, dann sollen täglich 50 Probanden geimpft werden. Für Gehring, Teschner und Co. bedeutet das: wenig bis keine Freizeit. „Unsere Teams in unseren Stationen halten uns Gott sei Dank den Rücken frei“, sagen sie – gleiches gelte für die „Heimatfront“, wie Teschner es ausdrückt: „Meine Familie hat uns sogar einen Corona-Kuchen gebacken, um die Moral hochzuhalten.“ Bei so viel Unterstützung muss es doch was werden mit einem Impfstoff, für den schon wieder Mainzer einen wichtigen Beitrag leisten.