Wikipedia-Autoren treffen sich in Mannheim

Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia wird mittlerweile von vielen Hochschulen unterstützt.Foto: dpa  Foto: dpa
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Unter einem „Barcamp“ versteht man eine lockere Zusammenkunft, ähnlich einer Konferenz, allerdings ohne vorab festgelegte Tagesordnung. Vielmehr entscheiden die Teilnehmer...

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MANNHEIM. Unter einem „Barcamp“ versteht man eine lockere Zusammenkunft, ähnlich einer Konferenz, allerdings ohne vorab festgelegte Tagesordnung. Vielmehr entscheiden die Teilnehmer eines Barcamps spontan vor Ort, welche Themen die abstimmenden Besucher besprechen wollen. Im Ostflügel der Mannheimer Universität fand am vergangenen Wochenende ein solches dreitägiges Barcamp der Internet-Enzyklopädie Wikipedia statt. In den kostenfrei zur Verfügung gestellten Unterrichtsräumen diskutierten die Teilnehmer dort innerhalb von Workshops wichtige Themen, wie etwa das Urheberrecht und Textentwicklungen von Wikipedia-Artikeln durch mehrere Autoren.

Politiker löschen gerne unliebsame Passagen

„Es geht darum, wie neue Wörter gebildet werden. Wie Diskussionen ablaufen, wie Wiki-Artikel entstehen, auf der Diskussionsseite“, erklärte Organisator Sebastian Wallroth, der eigens für das Wikipedia-Barcamp aus Berlin nach Mannheim gereist war. Zum Beispiel unterhielten sich die Wikipedianer, wie man die Online-Autoren des Internet-Lexikons nennt, über zeitgeistige Modewörter mit der Endung „-ritis“. Etwa in Bezug auf den Begriff „Verschieberitis“. So nennen Wikipedianer das allzu häufige und für unnötig empfundene Herumrücken von Artikeln in den verschiedenen Teilbereichen der Wikipedia. Oder die „Löscheritis“, wenn irrelevante Wikipedia-Inhalte einer Löschung zum Opfer fallen.

„Es ging auch um den Umgang mit neuen Autoren und Neulingen auf Wikipedia“, erläuterte Organisator Sebastian Wallroth, der beruflich als Projektleiter in der Software-Entwicklung arbeitet. Sogar Teilnehmer aus Kiel, München und Österreich seien nach Mannheim wegen des fruchtbaren Wikipedia-Barcamps gekommen, Interessierte aus allen Himmelsrichtungen. „Vor zwei Jahren waren wir mit einem Barcamp im Schweriner Schloss“, schilderte Veranstalter Wallroth. Während des jüngsten Barcamps setzten sich die Teilnehmer damit auseinander, wie sich die Wikipedia auf externen Internetseiten verhält, wenn Wiki-Artikel eine Tageszeitung verlinken. Darüber hinaus debattierten die Wikipedianer das heikle Thema „Public Relations“: Denn nicht wenige Politiker etwa, um ein Beispiel zu nennen, hübschen ihre Wiki-Artikel allzu gerne eigenmächtig auf. „Sie stellen sich in einem guten Licht dar, indem sie unliebsame Passagen über sich herausnehmen. Da muss man ein Auge darauf haben“, erklärte Veranstalter Wallroth.

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Stand die akademische Welt anfangs noch äußerst kritisch bis ablehnend der seit 2001 existierenden Online-Enzyklopädie Wikipedia gegenüber, unterstützen mittlerweile viele Hochschulen und Universitäten das bereichernde Online-Lexikon mit seinem bahnbrechenden Konzept der tagesaktuellen Inhaltspflege und Informationsvermittlung. Dies ermöglicht eine sogenannte Demokratisierung des Wissens, das auf diese Weise seinen elitären Elfenbeinturm verlässt. „In meinen Seminaren bringe ich meinen Studenten die Wikipedia näher“, erklärte Germanistin und Mitorganisatorin Dr. Eva Gredel von der Mannheimer Universität.

Der jüngste Teilnehmer in Mannheim sei 17 Jahre, der älteste 65 Jahre alt gewesen. Es sei positiv, sich auch mal im realen Leben zu treffen, wie Organisator Sebastian Wallroth betonte, anstatt lediglich in der virtuellen Scheinwelt. Für die Unterkünfte in Hotels und die Verpflegung der Teilnehmer seien Spendengelder verwendet worden. Das nächste Barcamp soll entweder in Berlin oder in Heidelberg stattfinden. Die Organisatoren suchen nach geeigneten Räumlichkeiten und Kooperationspartnern.