Gutenberg-Recherchepreis: VRM zeichnet Jungjournalisten aus

Dana Ruhnke (rechts unten, Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag) wurde mit dem ersten „Gutenberg-Recherchepreis für Jungjournalisten“ ausgezeichnet. Den zweiten und dritten Platz errangen ein zweiköpfiges Rechercheteam von Correctiv und „Tagesspiegel“ und fünf ehemalige Volontäre der „Kieler Nachrichten“. Hans Georg Schnücker, Herausgeber der VRM-Zeitungen, und Werner Schulte, Lingen Stiftung Köln (oben links), hatten den Preis initiiert. Foto: Stephan Dinges

Gemeinsam mit der Kölner Lingen-Stiftung hat die VRM in Mainz erstmals den Gutenberg-Recherchepreis verliehen. Platz eins ging an eine Reportage-Reihe über eine Brennpunktschule.

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MAINZ. Das Internet hat es möglich gemacht: Nie waren Informationen schneller, reichhaltiger und freier zugänglich als heute. Braucht es da noch professionell arbeitende Journalisten? Mehr denn je. Aus dieser Überzeugung heraus haben die VRM und die Kölner Lingen-Stiftung den „Gutenberg-Recherchepreis für Jungjournalisten“ aus der Taufe gehoben. Im VRM-Verlagshaus auf dem Mainzer Lerchenberg stellten AZ-Chefredakteur Friedrich Roeingh und Annette Binninger, Mitglied der Chefredaktion der Sächsischen Zeitung, nun die ersten Preisträger vor.

Lokaljournalist zu sein, ist für Hans-Georg Schnücker, Herausgeber der VRM-Tageszeitungen, nach wie vor „der beste Job, den man sich vorstellen kann“. Der gegenwärtig freilich gewaltigen Veränderungen ausgesetzt sei, in denen die richtigen Prioritäten gesetzt werden müssten. Dies zeigten die Arbeiten, mit denen die Premieren-Preisträger die insgesamt fünfköpfige Jury überzeugten, in ganz besonderer Weise.

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David Meidinger etwa hat Physik studiert und sich danach der Datenrecherche verschrieben. Im „Innovation Lab“ des Berliner Tagesspiegel führt er nun den Titel eines „Softwareentwicklungsredakteurs“ – Begriffe, die die bereits angegrauten Journalisten unter den Gästen im Corona-gerecht ausgedünnten Festsaal zunächst die Stirn runzeln ließen. Umso faszinierter waren sie von dem, was Meidinger und Co-Preisträger Michael Penke in einem gemeinsam mit dem Recherchenetzwerk „Correctiv“ gebildeten Team zutage gefördert hatten: Wie viele Wohnungen ein britischer Immobilientycoon in Berlin besitzt und wie er seine Geschäfte über Briefkastenfirmen in Luxemburg abwickelt – das war bis dato selbst im Berliner Senat unbekannt gewesen. Für ihren Beitrag mit dem Titel „Das verdeckte Imperium“ wurden Meidinger und Penke mit dem zweiten Preis bedacht, den die Lingen-Stiftung mit 5000 Euro dotiert.

Die erste Preisträgerin Dana Ruhnke hingegen hat auf klassisch „analoge“ Weise recherchiert. Die Autorin des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages besuchte ein halbes Jahr einmal in der Woche den Unterricht in der dritten Klasse einer Grundschule an einem sozialen Brennpunkt Flensburgs. Die dabei entstandene Reportage-Reihe „Man kann nicht jedes Kind retten“ nähere sich „der harten Schulrealität aus ganz verschiedenen Perspektiven“ und gebe diese „nie gefühlig, aber beeindruckend sensibel wieder“, heißt es im Urteil der Preisrichter. Dana Ruhnke darf dafür 7000 Euro Preisgeld entgegennehmen.

Auch die 3000 Euro für den dritten Preis überweist die Lingen-Stiftung in den Norden Deutschlands. In ihrem Beitrag „Umbruch auf dem Acker“ veranschaulicht ein fünfköpfiges Rechercheteam, das sich aus Volontären der Kieler Nachrichten zusammensetzte, die vielfältigen Facetten moderner Landwirtschaft in einer Multimediastory.

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„Fast wie beim Eurovision Song Contest“

Eine lobende Erwähnung sprach die Jury dem Projekt „Sturm über Chemnitz“ aus. In diesem widmen sich 17 Medienmanagement-Studierende der Hochschule Mittweida der Tötung des aus Kuba stammenden Daniel H. durch Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien – eine Tat, die insbesondere von Rechtsradikalen für ihre Zwecke ausgeschlachtet wurde und für bundesweite Debatten sorgte.

Alle Arbeiten zeichnet ein außerordentlich hoher Rechercheaufwand aus. Und genau dadurch hebe sich guter Journalismus von all den „schnell gefassten Meinungen, Bekenntnissen, Behauptungen, Memes, Slogans und Parolen“ ab, mit denen unsere Welt prall gefüllt sei. Dies strich Prof. Dr. Tanjev Schultz, der an der Johannes Gutenberg-Universität Journalistik lehrt, in seiner Festansprache heraus: „Kein Journalismus ohne Recherche. Der Nachrichtenjournalismus kann es sich nicht leisten, lahme Enten zu beschäftigen. Aber er kann es sich auch nicht leisten, Enten in die Welt zu setzen.“

Werner Schulte, Geschäftsführer der Lingen-Stiftung, berichtete, wie schwer es den Juroren gefallen sei, unter den diesmal 45 Sendungen die Preisträger auszuwählen. Ständig hätten die Favoriten gewechselt, „es war fast wie beim Eurovision Song Contest.“ Neben Friedrich Roeingh, Annette Binninger und Werner Schulte hatten Anke Vehmeier, Leiterin des Lokaljournalistenprogramms der Bundeszentrale für politische Bildung, sowie Franz Sommerfeld, Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers, das Preisrichtergremium komplettiert.

Für den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling ist es nicht nur eine Ehre, dass „die erste Medienstadt der Welt“ von nun an jedes Jahr den Gutenberg-Recherchepreis für Jungjournalisten verleiht, er sieht darin auch eine besondere Verantwortung. Vor allem aber sei es „der richtige Preis zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“