Fluglärm: Stadt Frankfurt bekräftigt Forderung nach Ausweitung des Nachtflugverbots
Von Rainer H. Schlender
Leitung Reporter Rhein-Main/Südhessen
Fluglärm ist im Süden Frankfurts allgegenwärtig – hier vor dem Naturfreundehaus Niederrad. Foto: Rainer H. Schlender
( Foto: Rainer H. Schlender)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
FRANKFURT - Gut 80 Dezibel zeigt das – nicht geeichte – Messgerät an, als zwei vierstrahlige Passagiermaschinen im Abstand von sechs Minuten das Naturfreundehaus in Niederrad überqueren. Die Skala sortiert das unter „laut und störend“ ein. In der nächsten Stufe wird ein „Gehörschutz empfohlen“. Eine Boeing 737, die ebenfalls im Landeanflug auf den Rhein-Main-Flughafen ist, treibt den Messzeiger zwar nur auf 55 Dezibel (db/A); eine S-Bahn, die das Gleisdreieck passiert, bringt es dafür schon wieder auf rund 70 Dezibel.
Das Naturfreundehaus am Waldrand hinter der Commerzbank-Arena war am Montag eine Station am sogenannten „Fluglärmtag“, den Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) ausgerufen hatte. Maria Dämkes vom Vorstand der Naturfreunde hatte sich darüber beklagt, dass man einander bei Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen in der freien Natur anschreien müsse, um den Fluglärm zu übertönen. „Die Kinder leiden sehr darunter“, sagte sie.
Der Kampf gegen den Fluglärm, der den Süden Frankfurts in besonderem Maße quält, gehört zu den fünf großen Zielen, die sich Feldmann zu Beginn seiner Amtszeit gesetzt hatte. Mit Blick auf die anstehende Neuwahl des Stadtoberhaupts im kommenden Jahr will er daran erinnern und bekommt von Professor Thomas Münzel bei einer Pressekonferenz im Frankfurter Römer immerhin bescheinigt, dass es keine andere Großstadt in Deutschland gebe, die das Fluglärm-Problem so akkurat und engagiert angehe wie Frankfurt.
STABSSTELLE
Seit Oktober 2016 gibt es die mit vier Stellen ausgestattete Stabsstelle für Fluglärmschutz der Stadt Frankfurt. Sie soll unter anderem ein kommunales Fluglärmmonitoring aufbauen und Kriterien für eine Lärmobergrenze erarbeiten. Als Fluglärmschutzbeauftragte der Stadt, die mit 20 Prozent am Flughafenbetreiber Fraport AG beteiligt ist, fungiert die ehrenamtliche Stadträtin Ursula Fechter.
Münzel ist Direktor des Zentrums für Kardiologie der Universitätsklinik in Mainz und hat in mehreren Studien auf den Zusammenhang zwischen Fluglärm und Gefäßerkrankungen hingewiesen, die Stress und Bluthochdruck verursachen und Schlaganfälle oder Herzinfarkte auslösen können.
„Die Augen können wir schließen, die Ohren nicht“
„Lärm macht krank“, betonte Münzel am Montag in Frankfurt und wies darauf hin, dass dies eine Einsicht sei, die sich erst im Verlauf der vergangenen zehn Jahre entwickelt habe. Früher habe es geheißen, Lärm sei nervig und störend. Heute wisse man als Ergebnis der Lärmwirkungsforschung um die Gesundheitsgefahren, die der Lärm heraufbeschwöre, sagte Münzel und erinnerte an einen bitteren Satz, den der deutsche Nobelpreisträger Robert Koch allerdings schon im Jahr 1910 gesagt haben soll: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen, wie die Cholera und die Pest.“
Wie neue Studien zeigten, fühle sich der Mensch durch Fluglärm viel stärker belästigt als durch Bahn- oder Autoverkehr, sagte Münzel. Auch dies habe sich gewandelt, fügte er hinzu. „Heute ärgern sich die Menschen viel mehr über Fluglärm als vor zehn Jahren.“ Die Gründe dafür sind nach Münzels Worten unklar. Allerdings habe er mit seinen Studien an der Universität Mainz nachgewiesen, dass die Schädigung von Blutgefäßen durch Fluglärm nachgewiesen werden könne, auch wenn die Probanden den Lärm bewusst gar nicht wahrnehmen. In diesem Zusammenhang betonte er, dass nächtlicher Fluglärm besonders gefährlich sei, weil er den Nachtschlaf fragmentiere. Münzel: „Die Augen können wir schließen, die Ohren nicht.
Frankfurts Oberbürgermeister Feldmann und die Fluglärmschutzbeauftragte der Stadt, Ursula Fechter, bekräftigten deshalb ihre Forderungen nach einer Senkung der Zahl der Flugbewegungen und nach Ausweitung des Nachtflugverbots am Frankfurter Flughafen auf acht Stunden in der Zeit von 22 bis 6 Uhr morgens. Bisher ist lediglich der Zeitraum zwischen 23 und 5 Uhr besonders geschützt.
Fechter kündigte an, dass sich die von Feldmann eingerichtete Stabsstelle Fluglärmschutz künftig auch um die Belastung durch Ultrafeinstaub aus dem Flugverkehr kümmern und in der Stadt zwei Messstellen errichten werde. Eine Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Mainz solle Aufschluss über die Dimension der Belastung geben, sagte sie.