Der Streit bei Opel um den Abbau von 2100 Jobs vor allem in Rüsselsheim spitzt sich zu. In wenigen Tagen läuft die Frist für die freiwilligen Angebote ab. Dann drohen Kündigungen.
RÜSSELSHEIM. Vor zwei Monaten zeigte sich Opel-Chef Michael Lohscheller im Interview mit dieser Zeitung noch zuversichtlich, auch beim geplanten Abbau von 2100 Stellen vor allem am Stammsitz Rüsselsheim „eine gute Lösung zu finden“. Doch viel Zeit dazu bleibt nicht mehr. Denn das Management hat den Druck erhöht und den Beschäftigten bis Ende November Zeit gegeben, die Angebote für den freiwilligen Ausstieg über Abfindungen sowie Altersteilzeit und Vorruhestand anzunehmen. Finden sich bis dahin nicht genügend Mitarbeiter für die Angebote, droht der Autobauer mit betriebsbedingten Kündigungen. Ein Novum für Opel. Und die Kündigungsgefahr wächst, denn bislang gibt es offenbar nach wie vor deutlich zu wenige Freiwillige. Nun steuert der Autobauer auf einen harten Konflikt zu.
Denn die Arbeitnehmervertreter gehen gegen die drohenden Kündigungen auf die Barrikaden und rufen die Belegschaft für kommenden Dienstag zum Protest auf – mit einem Autokorso. „Lange gehegte Abbauphantasien werden nun im Windschatten der Corona-Krise ausgelebt. Und es steht zu befürchten, dass der Personalabbau auch im kommenden Jahr nicht aufhören und sich auf andere Bereiche und Standorte als den sogenannten Fokusbereichen in Rüsselsheim ausbreiten wird“, heißt es in dem Aufruf der IG Metall Darmstadt.
Tarifvertrag sieht Kündigungsschutz bis 31. Juli 2025 vor
Management und Arbeitnehmervertretung hatten im Zukunftstarifvertrag vereinbart, dass bis Ende 2021 deutschlandweit bis zu 2100 Stellen gekürzt werden, und zwar möglichst komplett über die Freiwilligenprogramme. Betroffen ist vor allem der Stammsitz Rüsselsheim und dort insbesondere der Werkzeug- und Prototypenbau, das Teilelager sowie manuelle Tätigkeiten in den Designwerkstätten. Die Bereiche sollen „nachhaltig wettbewerbsfähig“ aufgestellt werden, so Personalchef Ralph Wangemann in einer Mitarbeiterbotschaft. Im Gegenzug ist der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen seinerzeit ausgeweitet worden. Zunächst bis zum 31. Juli 2025. Der Schutz verlängert sich in zwei Stufen bis 2029, sollte der Arbeitgeber 2022 und 2023 erneut jeweils 1000 Jobs streichen wollen. Die IG Metall hoffte seinerzeit, damit eine Art Obergrenze eingezogen zu haben.
Bereits im September hatte sich Wangemann in der Mitarbeiterbotschaft darüber geklagt, dass sich erst 500 Kollegen für die Freiwilligenangebote entschieden hätten. „Damit sind wir weit entfernt von der erforderlichen Anzahl ausscheidender Beschäftigter.“ An dieser Situation habe sich bis dato nichts grundlegend geändert, heißt es in Unternehmenskreisen. „Unser Ziel ist klar: Wir müssen den Personalabbau bis Jahresende zwingend umsetzen“, so Wangemann seinerzeit. Wenn wir dieses Ziel nicht durch freiwillige Maßnahmen erreichen sollten, werden wir eine Überprüfung des Zukunftstarifvertrages vornehmen, insbesondere der Verpflichtung zur Beschäftigungssicherung.“ Heißt: Das Unternehmen zieht dann im Fall der Fälle, wie Lohscheller im Interview ausführte, eine sogenannte Notfallklausel zu ziehen, um betriebsbedingte Kündigungen möglich zu machen.
„Entscheidungen, die die Zukunft unseres Unternehmens sichern“
Das wollen die Arbeitnehmervertreter nicht mitmachen. „Wir sind geschützt durch unseren Zukunftstarifvertrag. Die Drohung des Unternehmen, diesen Tarifvertrag zu kündigen, ist eine Provokation“, gegen die man sich wehren und ein klares Zeichen setzen wolle. Mit einem Aktionstag und – coronakonform – mit einem Autokorso. Das Unternehmen argumentiert hingegen mit der Corona-Krise; während der ersten Infektionswelle wurden branchenweit die Werke stillgelegt. „Der Druck steigt aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, ausgelöst durch die größte Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit rund 100 Jahren. Es ist die Verantwortung der Geschäftsleitung, Entscheidungen zu treffen, die die Zukunft unseres Unternehmens nachhaltig sichern“, so Wangemann. Opel will den Ausstieg auch mit einer Transfergesellschaft, die bei der Suche nach einem neuen Job helfen soll, schmackhaft machen.