Böllerangriff gegen Reichelsheimer Feuerwehr

Auch im Odenwaldkreis gab es einen Vorfall gegen Einsatzkräfte.

Nicht nur in Berlin, auch im Odenwald gab es in der Silvesternacht einen Angriff auf Einsatzkräfte, wie nun bekannt wurde. Die Polizei ist angesichts steigender Übergriffe besorgt.

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Reichelsheim. Entsetzen und Unverständnis haben insbesondere aus Berlin gemeldete Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht hervorgerufen. Nun ist mit einiger Verspätung bekannt geworden, dass es einen ähnlichen Vorfall in Reichelsheim gab. „Unser Tanklöschfahrzeug wurde im Rahmen des Neujahrseinsatzes auf der Anfahrt zur Einsatzstelle im Bereich des Übergangs von der Darmstädter Straße in die Heidelberger Straße von drei Jugendlichen mit Böllern beworfen“, informiert die Feuerwehr der Gemeinde in einer Pressemitteilung, nachdem sie inzwischen doch Anzeige erstattet hat.

Wie die Polizei auf Nachfrage mitteilt, war zuvor gegen 0.40 Uhr die Freiwillige Feuerwehr zu einem Wohnungsbrand im Alten Weg in Reichelsheim ausgerückt, als es zur Attacke kam. „Es wurde niemand verletzt, und Schaden am Feuerwehrauto entstand ebenfalls nicht. Die Polizei ermittelt nun unter anderem wegen Nötigung und Gefährdung des Straßenverkehrs.“ Dass es weder zu einem Unfall noch zu einem Personen- oder Sachschaden am Einsatzfahrzeug gekommen ist, sei dem besonnenen Verhalten des Maschinisten der Reichelsheimer Feuerwehr zu verdanken, so Gemeindebrandinspektor Holger Zieres.

Die Feuerwehr der Gemeinde Reichelsheim auf Facebook

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Bürgermeister Stefan Lopinsky macht deutlich: „Unsere Einsatzkräfte verdienen Schutz und Rückendeckung bei der Ausübung ihrer wichtigen und oft lebensrettenden Tätigkeiten. Angriffe auf Einsatzkräfte sind schlichtweg unerträglich.“ Diese Taten seien keine Kavaliersdelikte und könnten schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Paragrafen 113 bis 115 des Strafgesetzbuches umfassen einen gewichtigen Teil der Straftaten gegen Amtsträgerinnen und Amtsträger, etwa Verfahren wegen Widerstands und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte oder Personen, die diesen gleichgestellt sind – zum Beispiel Einsatzkräfte der Rettungsdienste oder der Feuerwehr. „Die Gemeinde Reichelsheim wird in diesen Fällen konsequent reagieren und alle verfügbaren juristischen Mittel ausschöpfen – heute wie in Zukunft“, ergänzt Verwaltungsleiter Oliver von Falkenburg.

Opferzahlen haben sich verdoppelt

Laut Polizeipräsidium Südhessen war im Jahr 2021 war ein „signifikanter Anstieg bei der Gewalt gegen Einsatzkräfte zu verzeichnen“. „Die Opferzahlen haben sich seit 2017 mehr als verdoppelt.“ Mit 446 Polizeibeamten, die in ganz Südhessen Opfer wurden, habe die Gewalt gegen Einsatzkräfte damit „einen traurigen Höhepunkt erreicht“. Obwohl 2021 größere Feste oder Veranstaltungen ausfielen, seien 152 Beamte mehr angegriffen worden als noch im Jahr zuvor. „Hierbei ist die Anzahl der Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte mit 921 Taten konstant geblieben, die tätlichen Angriffe hingegen haben um 16,6 Prozent zugenommen und befinden sich seit Einführung des Schutzparagrafen (§ 114 bzw. § 115 StGB) im Jahr 2017 auf dem höchsten Stand.“

Das Strafgesetzbuch sieht bei Behinderung durch Gewalt oder deren Androhung nach Paragraf 113 eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Der tätliche Angriff bei einer Diensthandlung wird nach Paragraf 114 mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Zusätzlich kann auch der Paragraf 115 greifen, der Widerstand gegen oder tätliche Angriffe auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, ahndet.

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Das Polizeipräsidium Südhessen bewertet die Entwicklung als „besorgniserregend“. „Es stimmt nachdenklich, dass die Hemmschwelle, die Polizei anzugreifen, weiter gesunken ist. Neben der verbesserten Schutzausstattung der Beamten muss konsequent gegen die Täter vorgegangen werden. Wir befürworten daher auch die Forderung der Landesregierung zu einer Strafverschärfung des sogenannten Schutzparagrafen von drei auf fünf Monate Mindeststrafe und wünschen uns von der Justiz eine stärkere Ausschöpfung des Strafrahmens von bis zu fünf Jahren.“

Im Odenwaldkreis sind die Täter meist bekannt

Im Jahr 2021 gab es laut Pressestelle im Odenwaldkreis insgesamt 25 Fälle von Widerstand (§ 113 StGB) beziehungsweise tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte oder Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen. Die Zahlen sind nach gegenwärtigem Stand im vergangenen Jahr (2022) leicht rückläufig gewesen. Hier registrierten die Behörden bislang insgesamt 21 Fälle. Anders als in Berlin sei die Identifizierung der Täter einfacher: „Die Aufklärungsquote beträgt 100 Prozent, da die Protagonisten ja in der Regel bekannt sind.“

Im Odenwaldkreis sind die Täter meist bekannt.

PS
Polizeipräsidium Südhessen

In Reichelsheim gibt es noch keine Namen zu den Angreifern. Die Anzeige des Vorfalls bestätigt Bürgermeister Lopinsky: „Ich wünsche den Tätern für das Jahr 2023 eine einsetzende Erkenntnis darüber, auf welchen Weg sie sich hier begeben haben.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass Polizeibeamte im Zuge ihres täglichen Dienstes angegriffen werden, äußert sich das Polizeipräsidium weiter. „Es zeigt sich, dass unsere Gesellschaft in Teilen Probleme mit der Regeleinhaltung und der Akzeptanz der Rechte anderer hat.“ Für Reichelsheim konstatiert Oliver von Falkenburg: „Die Entwicklung ist sehr bedauerlich. Der fehlende Respekt vor den Einsatzkräften hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Aber: Da gibt es nichts zu tolerieren.”