„Er muss bedrängt werden“: Anklage nach Corona-Eskalation

Das Erbacher Rathaus ist Dienstsitz von Bürgermeister Peter Traub. Archivfoto: Guido Schiek

Nach Corona-Maßnahmen gegen das Café „Zeitlos“ in Erbach sah sich Bürgermeister Peter Traub Social-Media-Attacken ausgesetzt. Dafür angeklagt wird nun...

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ERBACH/DARMSTADT. „Eine Demo vor seiner Haustür – er muss bedrängt werden.“ „Die Familie fühlt sich dann nicht mehr sicher….[…] auch mal die eine oder andere laute Drohung.“ Diese gegen den Erbacher Bürgermeister Dr. Peter Traub gerichteten Sätze machten Ende November auf der Social-Media-Plattform Telegram die Runde. Nun ist sich die Staatsanwaltschaft Darmstadt sicher, den Urheber herausgefunden zu haben: Gegen den früheren Kreistagsabgeordneten Jörg L. hat sie Anklage wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (Paragraf 111, Strafgesetzbuch) erhoben.

Seinen Ausgangspunkt hat das justiziable Geschehen in einer vorübergehenden Schließung des Cafés „Zeitlos“ in Erbach in Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen: Weil weder Kunden noch Angestellte der damals gültigen Maskenpflicht gefolgt sein sollten, hatte das Erbacher Ordnungsamt im Auftrag des Kreisgesundheitsamts eine Sperre durchgesetzt. Davon betroffen waren neben dem Lokal und einem Schwester-Betrieb in der Stadt auch die beiden Bäckerläden des Unternehmens, die jedoch bald wieder geöffnet werden durften. Bevor sich der Firmeninhaber und die Behörden entsprechend arrangierten, kochte auf der Straße und in den Sozialen Medien die Stimmung hoch.

Wegen dieses Chats hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt nun Anklage erhoben.   Foto: Echo-Sreenshot
Wegen dieses Chats hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt nun Anklage erhoben. (© Echo-Sreenshot)
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Dutzende Demonstranten unterschiedlicher Herkunft vom Kunden- und Mitarbeiterkreis bis zur sogenannten Querdenkerszene versammelten sich zu dieser Zeit mehrmals vor dem Café, um gegen die Schließung zu protestieren. Dabei kam es auch zu Provokationen gegen die Sicherheitsbehörden. In diesem Kontext meldete sich Bürgermeister Traub dann mit harter Kritik am Firmeninhaber zu Wort, woraufhin er in den Fokus von Maßnahmengegnern weit über die Stadtgrenzen hinaus geriet. Ihren Höhepunkt erreichten die Attacken im Post mit der Schlagzeile „Er muss bedrängt werden“.

Jörg L. selbst hat auf Echo-Anfrage seine Urheberschaft nicht geleugnet, den Strafvorwurf aber als ungerechtfertigt zurückgewiesen: „Die Anklage ist mir bekannt und ich teile dazu mit, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe“, erklärt er in einer schriftlichen Reaktion. „Es handelt sich um ein politisches motiviertes Verfahren. Ich gehe davon aus, dass meine Äußerung vom Grundrecht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt war und ich freizusprechen sein werde.“

L. provozierte mit Davidstern-Post

Mit seinen polarisierenden Wortmeldungen ist L., auch unter seinem früheren Namen Becker, schon in der Zeit seiner kreispolitischen Aktivitäten und davor immer wieder in den Fokus geraten. Im Jahr 2015 für die Alternative für Deutschland (AfD) in den Kreistag gewählt, kehrte L. erst den gemäßigteren Vertretern dieser Partei den Rücken, um im Juni 2020 sein Mandat niederzulegen. Dies geschah innerhalb eines Konflikts um diverse Posts in den Sozialen Medien, mit denen er auch da in die Kritik geraten war.

Mit der Abbildung eines Davidsterns mit dem Aufdruck „Nicht geimpft“ hatte der Brombachtaler provoziert und den Unmut nicht nur der Kreistagskollegen und des Bündnisses „Odenwald gegen Rechts“ auf sich gezogen. Zudem hatte der Brombachtaler auf Facebook die Odenwälder Sozialdemokraten als „rote Ratten“ und die Grünen als „Biomüll“ bezeichnet. Weiter hatte er ausgeführt: „Nicht einmal die NPD ist mir rechts genug“ und „Ich würde gern was ehrenamtlich tun, Henker, Scharfrichter oder so“. Der Kreistagsvorsitzende Rüdiger Holschuh (SPD) hatte zum Schutz der ehrenamtlichen Mandatsträger Strafanzeige erstattet.

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Um einer drohenden Verurteilung wegen strafbarer Beleidigung zu entgehen, entschuldigte sich der Angeklagte beim Kreistagsvorsitzenden Holschuh. Gegen eine Zahlung von 300 Euro an das Odenwälder Frauenhaus, gegen die L. zunächst Einspruch erhob, wurde das Verfahren eingestellt. Nun aber drohen ihm wegen der Telegram-Kommentare vom November wieder strafrechtliche Konsequenzen.

Für Erbachs Bürgermeister Traub und die Strafverfolgungsbehörden besteht kein Zweifel daran, dass der Urheber eine Bedrohung des Verwaltungschefs und seiner Familie verursacht habe. Also hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt auf Grundlage des Paragrafen 111 Anklage gegen L. erhoben. Dieser verfolgt Täter, die öffentlich zu Straftaten auffordern, weiß Pressesprecher Ansgar Martinsohn von der Staatsanwaltschaft Darmstadt. Bürgermeister Traub findet es „konsequent“, dass Anklage erhoben wurde. „Für mich ist es unerheblich, ob L. tatsächlich gewaltbereit ist oder nur ein loses Mundwerk hat.“ Es bestehe immer die Gefahr, dass „Trittbrettfahrer den Aufruf zur Gewalt ernst nehmen“.

Laut Staatsanwaltschaft gibt es noch keinen Termin für die Verhandlung wegen des aktuellen Sachverhaltes. Nach dem Strafgesetzbuch hat der Beschuldigte L. mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen.