
Die Opferschutzorganisation hat die Jahresbilanz für 2022 vorgestellt. Bei welchen Übergriffen es die meisten Opfer gab und welcher Bereich der Schwerpunkt der Opferhilfe bleibt.
Mainz. Ob Senioren, die von Enkeltrickbetrügern am Telefon hinters Licht und schließlich um Erspartes und Schmuck gebracht werden, Frauen, die ins Visier von Stalkern geraten oder sexuell belästigt werden oder auch Menschen, denen Einbrecher nicht nur ihr Hab und Gut, sondern auch jegliches Sicherheitsgefühl nehmen. „Jeder kann ins Visier von Kriminellen geraten, Opfer von Straftaten werden”, sagt Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Landesvorsitzende des Weißen Rings in Rheinland-Pfalz. Im vergangenen Jahr habe die Opferschutzorganisation in 946 Fällen Betroffene materiell unterstützt. Insgesamt wurden dabei Hilfen in Höhe von 231.035 Euro ausgeschüttet, darunter unter anderem 165 Soforthilfen von bis zu 300 Euro sowie 460 Schecks für Beratungen bei Rechtsanwälten und 71 bei Psychologen.
Häusliche Gewalt bleibt ein Schwerpunkt in der Opferhilfe
Gerade Menschen, die Gewalt erlebt hätten, fänden häufig ohne Hilfe nicht in den Alltag zurück, so Bätzing-Lichtenthäler. Die Themen, mit denen die ehrenamtlichen Helfer im Alltag konfrontiert werden, sind vielfältig. In 36 Prozent der Fälle ging es um Körperverletzungen mit Schwerpunkt auf häuslicher Gewalt, in 27 Prozent um Sexualdelikte und neun Prozent erlebten Stalking und Nachstellungen. Zentral sei neben Nachsorgeangeboten vor allem auch Prävention, macht Bätzing-Lichtenthäler deutlich. „Wir gehen in Schulen, zu Vereinen, haben auch ganz aktuell eine Kooperationsvereinbarung mit dem Landessportbund abgeschlossen, um näher an diesen Bereich heranzukommen”, sagt Bätzing-Lichtenthäler, die zwischen 2014 und 2021 Landesministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie war und seit 2021 der SPD-Landtagsfraktion vorsitzt.
In Rheinland-Pfalz engagierten sich vergangenes Jahr 188 Ehrenamtliche in 27 Außenstellen beim Weißen Ring. Die Mitarbeiter seien das „Herzstück”, sagt Landesvorsitzende Bätzing-Lichtenthäler. Sie tauschten sich mit Betroffenen aus, begleiteten und unterstützten sie bei Polizei- und Gerichtsterminen, vermittelten Ansprechpartner. Es sei ein Spagat, zwischen mitfühlender und empathsicher Unterstützung dem Ziel, die Fälle dennoch nicht zu nah an sich heranzulassen. Umso wichtiger seien Supervisions- und Qualifizierungsangebote. Etwa an der Akademie des Weissen Rings, an der sich Ehrenamtliche fort- und weiterbilden können. Allerdings ist die Anzahl der Ehranamtlichen beim rheinland-pfälzischen Weißen Ring in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen – von 286 im Jahr 2017 auf besagte 188 im vergangenen Jahr. Finanziert wird die Arbeit der Opferschützer über Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie testamentarische Zuwendungen und solche aus Geldbußen.
Vorübergehende Unterstützung reicht nicht immer aus
Bei manchen Menschen aber reicht vorübergehende Unterstützung nicht aus. Für diese Personen gebe es das Opferentschädigungsgesetz (OEG) des Bundes, erklärt Detlef Placzek, Opferbeauftragter der Landesregierung und Präsident des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV). Das LSJV ist zuständige Behörde für OEG-Anträge. „Das OEG ist ein Hilfeversprechen des Staates an die Bevölkerung”, so Placzek.
Als Opferbeauftragter sei er direkt in die Arbeit mit Betroffenen eingebunden. Etwa nach der Amokfahrt in Trier. „In solchen Situationen merkt man, wie wichtig es ist, dass es gut ausgebildete Opferschützer und Hilfsangebote gibt.” Pro Jahr gingen beim LSJV rund 500 OEG-Anträge ein. 39 Prozent werden anerkannt, 36 Prozent abgelehnt und 25 Prozent erledigen sich aus sonstigen Gründen. Pro Jahr gebe es zudem etwa 1000 Fälle laufender Leistungen, so Placzek; vor allem Rentenleistungen und Einkommensausgleiche.
Seit 1976 gibt es das Opferentschädigungsgesetz. Wiederholt wurde es modifiziert. Die jüngste Novellierung tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft. „Dadurch wird sich viel ändern”, kündigt Placzek an. So würden unter anderem die Entschädigungsbeträge deutlich erhöht, neben Opfern von physischer nun auch solche von psychischer Gewalt wie Stalking einbezogen, zudem Fahrzeuge als Tatwaffen anerkannt. „Mit Blick auf die Einordnung von Amokfahrten, beispielsweise am Berliner Breitscheidplatz, war dies in der Vergangenheit problematisch”, berichtet der LSJV-Präsident. So wurde in diesen Fällen bislang keine Opferentschädigung nach dem OEG gewährt. Darüber hinaus sollen Opfer künftig nicht nur für Schäden bei Straftaten im In-, sondern auch im Ausland entschädigt werden können.