Ein Mann schreitet ein, als Frauen beim Christopher-Street-Day in Münster übel beschimpft werden. Sechs Tage später stirbt er. Die Mainzer queere Community hat ihm gedacht.
MÜNSTER. Tränen flossen. Die Stimmung am Ernst-Ludwig-Platz war gedrückt. Rund 50 Menschen, die sich zur queeren Community zugehörig fühlen, haben am Freitagabend dem 25-jährigen Malte aus Münster gedacht. Der 25-Jährige wurde am vergangenen Samstag am Rande der Christopher-Street-Veranstaltung (CSD) in Münster niedergeschlagen. Nun ist der junge transidente Mann an den Folgen seiner Verletzungen gestorben. Laut Zeugen war Malte zuvor Frauen zur Hilfe geeilt, die von einem anderen Mann mit Worten wie „Lesbische Hure“ und „Verpisst euch“ beschimpft und bedroht worden waren. Die örtliche Polizei hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Der Treffpunkt der Mainzer LSBTIQ-Community am Ernst-Ludwig-Platz war kein zufälliger. Hier steht die Gedenkstelle für alle Opfer mit LSBTIQ-Hintergrund in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit. Philipp Gresch vom Verein Schwuguntia, der den Mainzer CSD organisiert, sagte: „Seit längerer Zeit fordern wir, dass diese Gewalt ein Ende haben muss und dass alle, die etwas in der Hand haben, dagegen zu tun, das auch wirklich machen.“ Und trotzdem gebe es ein neues Opfer. Bitter sei an dem Tod von Malte besonders, dass der junge Mann vor der Gewalttat Zivilcourage gezeigt habe. Besonders transidente Menschen seien häufig Opfer von Gewalt. „Daran möchte ich mich nicht gewöhnen müssen.“
„Queerfeindlichkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“
Joachim Schulte, Sprecher von Queernet Rheinland-Pfalz, drückte seinen Zorn über die „Ignoranz der politischen Entscheidungsträger*innen“ aus. „Seit Jahren ist bekannt, dass homofeindliche und transfeindliche Übergriffe bei verbalen Attacken nicht Halt machen.“ Auch in der Nachbarstadt Frankfurt habe es jüngst auf der Konstablerwache transfeindliche körperliche Gewalt gegeben. „Malte C. wurde Opfer einer Politik des Wegschauens und des Kleinredens“, betonte Schulte.
Lesen Sie hier: Diskriminierung bei der Blutspende?
Für die Diana Gläser, die Bundesvorsitzende vom Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter in Deutschland (VelsPol) macht die Tat in Münster einmal mehr deutlich: „Queerfeindlichkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das Menschen innerhalb und außerhalb der Community angehen müssen.“ Bei aller Bestürzung und Fassungslosigkeit wolle sie aber auch ein Zeichen der Hoffnung setzen. Denn die Polizei in Münster habe direkt öffentlich über die Tat berichtet, die Queerfeindlichkeit erkannt und eine Ermittlungskommission eingerichtet.
Auch interessant: Teenager demonstriert für Akzeptanz von Regenbogenfamilien
Nicht bei der Mahnwache dabei sein konnte die Mainzerin Petra Weitzel, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte sie aber: „Wir sind in Gedanken bei Malte, seinen Freund*innen und Wegbegleitenden.“ Der Hass der Täter sei ihnen mit Sicherheit nicht in die Wiege gelegt worden. Wer die Zahlen transfeindlicher Übergriffe mit der Anzahl an Hassposts im Netz, transfeindlichen Meinungsbeiträgen in Medien und Predigten über ein binäres Geschlechtsverhältnis vergleiche, könne einen Zusammenhang feststellen. Weitzel fordert: „Es wird Zeit, dass die Meinungsfreiheit nicht für Hassfreiheit gegen Geschlecht und geschlechtliche Identität missbraucht wird.“