Bademeister Mangelware: Freibäder tageweise geschlossen

Traumhafter Blick vom Naturerlebnisbad in Bingerbrück auf die Weinberge im gegenüberliegenden Rheingau. Den können Besucher mittwochs und donnerstags künftig nicht mehr genießen, da bleibt das Bad auf der Elisenhöhe geschlossen.      Foto: Christine Tscherner

Bingen und Ingelheim sind vom Fachkräftemangel betroffen. Obwohl vielfach als Traumjob gefeiert, finden sich kaum noch Aufpasser am Beckenrand. Warum das so ist.

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BINGEN/INGELHEIM. Es wirkt wie ein schlechter Witz: Weil Bademeister fehlen, müssen Freibäder in Bingen und Ingelheim tageweise schließen. Bingerbrück bleibt mittwochs und donnerstags in diesem Sommer geschlossen, Ingelheim an Montagen und Dienstagen. Personalmangel in der Wasseraufsicht nennt der Betreiber als Grund.

Nein, man muss kein David Hasselhoff sein, keine Kurven wie Pamela Anderson mitbringen. Aber ein paar ausgebildete Rettungsschwimmer, mindestens 18 Jahre alt und eingearbeitet ins Team, würden die Lage entschärfen. „Uns hat wie viele andere Bäder in Deutschland der Fachkräftemangel voll erwischt.“ Dirk Osterhoff ist das Bedauern anzuhören. Der Geschäftsführer der Rheinwelle als Betreiber des Naturerlebnisbades sagt: „Wir stehen personell mit dem Rücken an der Wand“. Drei Vollzeitstellen seien trotz breiter Suche unbesetzt.

Arbeitszeit-Gesetze verbieten überlange Dienste

Hinzu kommen drei langfristig Erkrankte, deren Einsatz für die Saison nicht absehbar sei. Arbeitszeit-Gesetze verbieten überlange Dienste. „Zehn Stunden am Beckenrand für zehn Tage am Stück – das geht einfach nicht“, verdeutlicht Osterhoff. Sprich: Die verbleibende Mannschaft kann beim besten Willen nicht mehr die Lücken füllen.

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Nach zwei Jahren Pandemie-Einschränkungen, Kreisschwimmen und Kontaktbögen wirkt die Schließung besonders bitter. Ein ausgebildeter Rettungsschwimmer mit Silberabzeichen ist die Mindestanforderung für die Aufsicht, weil eine Fachkraft der Rheinwelle immer erreichbar wäre. „Wir beschäftigen ja schon Aushilfen, meist Studierende der Binger TH.“

Osterhoff rührt die Werbetrommel, hat DLRG-Ortsvereine der Region kontaktiert, würde mit Kusshand in Vollzeit Fachangestellte für Bäderbetriebe einstellen und mehr ausbilden. „Wir kämpfen seit Jahren um Auszubildende.“ Der Mangel schlägt nun voll durch.

Interessanter Ausbildungsberuf

Seit 1969 ist der landläufig als „Bademeister“ bezeichnete Job ein Ausbildungsberuf. „Man muss sportlich fit sein, schwimmen können und in Naturwissenschaften nicht auf den Kopf gefallen“, sagt Osterhoff. Teure Wasseraufbereitungsanlagen gelte es zu bedienen und manchmal auch durchsetzungsstark aufzutreten. „Wir arbeiten in der Freizeit- und Spaßbranche, müssen aber aushalten, manchmal Buhmann bei Verboten zu sein“, so der Geschäftsführer.

Der Beruf sei keine Sackgasse. Vom Meister bis zum Studium stünden Türen offen. „Wir stellen gern Seiteneinsteiger ein, die ihr Hobby als Rettungsschwimmer zum Beruf machen wollen“, wirbt Osterhoff. Von Vorstellungsgesprächen ist er ernüchtert: „Wenn es an die Arbeit an Feiertagen und Wochenenden geht, winken die meisten Kandidaten ab.“ 66 Mitarbeiter hat die Rheinwelle an ihren drei Standorten auf der Lohnliste. Osterhoff sieht mit Blick auf nur noch eine einzige Berufsschulklasse für Fachangestellte des Bäder-Genres in den beiden Bundesländern Rheinland-Pfalz und dem Saarland schwarz.

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„Wir bedauern die Einschränkung sehr und hoffen auf Ihr Verständnis“ schreibt die Rheinwelle auf ihrer Homepage. Stammgäste schütteln ungläubig den Kopf. Wer in Bingerbrück eine Saisonkarte hat, könne auf den Blumengarten an Schließtagen ausweichen. Andersherum wird Ingelheimern zum Wochenstart die Fahrt auf die Elisenhöhe empfohlen.

Rettungsschwimmabzeichen und Erste-Hilfe

Was ist bloß aus dem Traumjob Bademeister geworden? Dem lässigen Kurze-Hosen-Typ, der stets gut gebräunt am Beckenrand für Ordnung sorgt und gute Laune? Es gibt doch wirklich schlimmere Berufe, sollte man meinen. Auch wenn Bingerbrück nicht Malibu ist, der Arbeitsplatz lässt neidisch werden.

Wer sich in DLRG-Kreisen umhört, spürt die Folgen der Pandemie für Ausbildung und Lehrgänge. Beim jährlichen Wasserrettungswochenende an der Kempter DLRG-Station nahmen an Christi Himmelfahrt 72 Helfer teil. Für 15 Aspiranten war das Wochenende am Campingplatz Bauer Schorsch Abschlusslehrgang zum DLRG Wasserretter. „Die meisten sind noch unter 18 Jahre,“ bedauert Osterhoff.

Für das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Silber – Voraussetzung für den Wachdienst am Bingerbrücker Naturbadeteich – braucht es einen Ersthelfer-Schein, den Sprung aus drei Metern Höhe, 25 Meter Tauchen, 50 Meter Schleppen, Wissen um Herz-Lungen-Wiederbelebung und neben dem 400-Meter-Schwimmen in verschiedenen Stilen auch 300 Meter in Bekleidung. Keine unüberwindbaren Hürden, sollte man zumindest meinen. „In Bingen setzen wir alles daran, wenigstens den Donnerstag an Fronleichnam zu öffnen und in Ingelheim den Pfingstmontag“, verspricht Osterhoff.