Meinhard Semmler vom Heimat-und Geschichtsverein Dornheim (links) und Stadtverordnetenvorsteher Klaus Meinke enthüllten die Tafel, die vom Groß-Gerauer Designer Michael Schleidt entworfen wurde. Foto: Vollformat/Alexander Heimann
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DORNHEIM - „Dieses Fachwerkhaus ist ein kleines Kunstwerk“, waren sich am Samstagnachmittag alle einig, als Meinhard Semmler, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins (HGV) zum Treffen vor dem ehemaligen Landschreiberhaus begrüßte: Mit Stadtverordnetenvorsteher Klaus Meinke (SPD) freute sich Semmler, eine Informationstafel (Gestaltung: Michael Schleidt) am ältesten noch erhaltenen Fachwerkhaus des Stadtteils enthüllen zu können: 1576 erbaut vom landgräflichen Landschreiber Johann Balthasar Sensenschmitt, stellt das Gebäude ein historisches Kleinod in der Bahnhofsstraße dar.
Über Jahrhunderte hatte das Haus verschiedenste Funktionen und bot verschiedensten Menschen Heimstatt. Semmler referierte vor seiner interessierten Zuhörerschaft, zu der auch Nachfahren ehemaliger Bewohner gehörten, die Bau- und Sozialgeschichte des Hauses. Seit 2002 ist im Erdgeschoss der Spiel-, Bastel- und Geschenkeladen „Hoppla“ angesiedelt, das Obergeschoss indes steht leer. „An wen vermieten? Es ist wertvoll und müsste restauriert werden, etwa was die Stuckdecken im Kassettenstil betrifft. Eine schnelle Entscheidung gibt es nicht“, so die Eigentümerin Eva Bayer-Mevert.
„Mit Bildung und Schule hatte das Landschreiberhaus fast immer zu tun. Nach Erbauung durch den Landschreiber Sensenschmitt, der damals, als Schreiben noch Privileg der Oberschicht war, zugleich als Gerichtsschreiber arbeitete, wohnte hier ein Amtmann namens Voltz aus Dornberg sowie danach drei Generationen von Schultheißen“, referierte Semmler. Nach 1800 gehörte das Haus einem nicht näher bezeichneten Ökonomierat Fehr, der in Konkurs ging, und das Haus mit dem kompletten Anwesen 1844 der Gemeinde verkaufte“, fuhr Semmler fort. Nun sei es für Lehrerwohnungen genutzt worden – Semmler erinnerte beiläufig an den Lehrer Gustav Michel, der bis 1941 hier unterrichtete. Noch heute werde von ihm erzählt, es sei seine Marotte gewesen, die wenigen Meter von Zuhause zur Dorfschule mit dem Rad zu fahren, wobei er stets eine Zigarre geschmaucht habe, deren Rest er dann unterm Sattel verstaut habe.
ZIELE DES HGV
Ziel des 1986 gegründeten HGV Dornheim ist es, Historie des Stadtteils zu erhalten. Vorträge und Ausstellungen machen lokale Geschichte lebendig. Die Renovierung von Gedenksteinen, der Erhalt der Hochwassermarke an der Brücke über dem Scheidgraben, die Gedenktafel für die Sieben-Geschwister-Eiche und die neue Tafel am Landschreiberhaus zeugen vom Engagement. (lot)
Anekdoten über die einstigen Bewohner
Anekdoten über einstige Bewohner des Hauses ließen sich wahrlich viele erzählen, doch Semmler beeilte sich, zur Historie des Baus zurückzukehren: „Seit 1946 lebten hier verschiedenste Mieter, Heimatvertriebene darunter, deren Nachfahren heute noch in Dornheim, Berkach, Groß-Gerau und Goddelau zuhause sind.“ Bis 1986 habe die Volksbank eine Filiale im Parterre unterhalten, gefolgt seien ein Getränkemarkt und das Fahrradgeschäft Fuchs – heute in der Kernstadt zu finden.
„Dreißigjähriger Krieg, Pest, Erster und Zweiter Weltkrieg bis hin zur Moderne, das Haus hat all dies miterlebt“, lenkte Semmler den Blick auf die Bauweise: Für seine Zeit sei es ein imposantes Gebäude gewesen, das von Wohlstand kündete. Geschoss- und Stockwerksrahmenbauweise seien am tragenden Gebälk auch heute gut sichtbar. Verstrebungen, die sich zur „Mannfigur“ zusammenfügen, Andreaskreuze als Zeichen für „Mehrung und Fruchtbarkeit“ sowie die Raute („für vielfache Mehrung“) sind in der symmetrischen Bauweise der Hölzer zu erkennen.
Der Segensspruch über der Haustür aus dem Erbauungsjahr – leider nicht mehr vorhanden – passe zu einem Haus, dessen Erbauer auf Mehrung und Wohlstand setzte, sagte Semmler und zitierte: „Zu diesem Haus woll Gott seinen Segen all Wohlfahrt und Gedeihen geben, den Eingang auch bewahrn all Zeit von nun an bis in Ewigkeit.“