Jasmin Passet-Wittig referiert im Groß-Gerauer Stadtmuseum zu „Was heißt es, heute Frau zu sein?“
Von Charlotte Martin
„Was heißt es, heute Frau zu sein?“ war Thema eines Diskussionsabends mit Jasmin Passet-Wittig zum Internationalen Frauentag im Stadtmuseum Groß-Gerau. Foto: Vollformat/Alexander Heimann
( Foto: Vollformat/Alexander Heimann)
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GROSS-GERAU - Zwischen der Referentin Jasmin Passet-Wittig (34) und ihrer mehrheitlich weiblichen älteren Zuhörerschaft am Weltfrauentag im Stadtmuseum lagen gut 25 Jahre Lebenserfahrung: Die junge Doktorin, die am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) arbeitet, legte anhand von Studien dar, wo aus jeweils persönlicher sowie aus gesellschaftlicher Sicht der Hase im Pfeffer liegt, sodass es für Frauen auch heute noch schwierig ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Familienfreundliche Betriebe selten
Im Vergleich von 1973 bis 2012 seien Frauen zwar deutlich mehr berufstätig, allerdings zunehmend in Teilzeitarbeit, führte sie aus. Nach wie vor übernähmen sie zudem einen Großteil der Hausarbeit – ob mit Kindern und ohne. „Familienfreundliche Betriebe sind selten, wiewohl Männer angeben, sich in die Kindererziehung mehr einbringen zu wollen und sich passende Arbeitszeit – statt 60 Arbeitswochenstunden eine 38-, 40-Stundenwoche – wünschen.“ Das wies Passet-Wittig anhand von Umfragen nach.
„Groß ist bei den Zwanzig- bis Neununddreißigjährigen die Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Leitbildern und privaten“, skizzierte sie einen fundamentalen Knackpunkt der emanzipatorischen Entwicklung. Eine vollberufstätige Frau mit Kindern werde noch immer mit dem Begriff Rabenmutter belegt. Auf Basis der Tatsache, dass Ehe „keine Lebensversicherung mehr ist“, begrüßten aber zugleich im Privaten sowohl Männer als auch Frauen durchweg die Berufstätigkeit der Frau. „Diese Diskrepanz zwischen persönlichem und gesellschaftlichem Leitbild beeinflusst das Handeln“, so Passet-Wittig. Sie pointierte: „Kann eine Frau selbstbewusst eine Entscheidung treffen? Hat sie eine freie Wahl zwischen Berufstätigkeit und Kinderversorgung, wenn es auf gesellschaftlicher Ebene 60 Prozent Zustimmung zu der Behauptung gibt, dass eine Mutter mit einem Zweijährigen, die ganztags arbeitet, keine gute Mutter sein kann.“
FRAUENTAG
Am 19. März 1911 (später 8. März) gab es in Deutschland (außerdem: Österreich, Schweiz, Dänemark und USA) den ersten Internationalen Frauentag.
Die Sozialistin Clara Zetkin war in Deutschland Vorreiterin, Hauptziel war das Frauenwahlrecht, das 1918 gesetzlich verankert wurde. (lot)
Und sie resümierte: „Traditionelle Vorstellungen von Familie und der Rolle der Frau herrschen noch immer vor, wiewohl zugleich 40 Prozent der Befragten meinen, Väter sollten für ihre Kinder beruflich kürzer treten und es sei nicht gut, die Erziehung allein der Frau zu überlassen.“ Das Fazit überraschte nicht: „Wir brauchen bessere Bezahlung für Frauen, mehr Frauen in Führungsposition, wir brauchen aktive Väter und Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch familienfreundliche Arbeitgeber sowie passgerechte Kinderbetreuung.“ Jede Frau sollte frei entscheiden können, wie sie leben möchte – ohne Stigmatisierung.
Den Ausführungen der Wissenschaftlerin standen emotionale Anmerkungen der Zuhörerinnen gegenüber, die in den achtziger Jahren Teil der Frauenbewegung waren. Dieser lange Weg zu größerer Gleichberechtigung, der das Publikum von seiner Referentin trennte, zeitigte Fußnoten, die Bettina Krauß vom Mitveranstalter Kreisvolkshochschule zu moderieren suchte. „Das Thema Frauen und Kinder, Frauen und Beruf ist so alt wie die Welt“, hieß es. Oder: „Wie träge sich Politik bewegt! In 35 Jahren nur so wenig vorangekommen.“
Eine Frau erzählte: „1977 hatte ich Probleme, Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren – Punkt zwölf musste ich am Kindergarten sein. Teils ist das heute für Frauen immer noch so.“ Eine andere meinte: „Mir ist das alles zu wenig kämpferisch. Was haben wir in den achtziger Jahren für unsere Rechte gekämpft! Männer und Frauen müssten heute gemeinsam auf die Straße gehen und für Gleichstellung und Gerechtigkeit der Frau im Beruf sowie Kinderbetreuung eintreten.“