Pfungstädter Parlament entscheidet: Hessentag wird gefeiert

aus Hessentag in Pfungstadt

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Bürgermeister Patrick Kock erklärt sich und die Situation. Foto: Dirk Zengel
© Dirk Zengel

Nach einer heftigen Debatte entscheiden die Mandatsträger mit einer knappen Mehrheit, dass die Stadt die Mehrkosten in Höhe von 1,9 Millionen Euro vorerst vorlegt.

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Pfungstadt. Der Hessentag wird wie geplant vom 2. bis 11. Juni in Pfungstadt gefeiert: In einer Sondersitzung hat das Parlament der Übernahme der überraschenden Mehrkosten von 1,9 Millionen Euro zugestimmt. Die Debatte war wie erwartet heftig. Am Ende gab es aber eine knappe Mehrheit mit 20 Ja- und 13 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen in namentlicher Abstimmung für die Kostenübernahme. Die Finanzierung des Landesfestes steht also.

Die namentliche Abstimmung glich einem Krimi: Jenny Beutler (Grüne), die die Sitzung leitete, rief jeden Mandatsträger namentlich auf, der musste dann sein Votum in den Saal rufen. Zeitweise lagen die Ja- und Nein-Stimmen gleichauf. Am Ende gab es dann aber doch eine Mehrheit.

Bürgermeister übernimmt Verantwortung

Zu Beginn der Sitzung hatte Bürgermeister Patrick Koch (SPD) ein Stückweit die Verantwortung für die Tatsache übernommen, dass nun die Stadt in dieser Höhe in Vorleistung gehen muss und vor allem für den Zeitpunkt der Bekanntgabe: „Den Schuh muss ich mir zum Teil selbst anziehen”, sagte er. „Hätten wir ab März den Schwerpunkt mehr auf das Kostencontrolling gelegt, hätten wir den Punkt drei bis vier Wochen früher gehabt. Der zeitliche Druck wäre vermeidbar gewesen, der Sachverhalt aber kein anderer.” Der Abend sei ein Stückweit „eine Zumutung” für die Stadtverordneten. „Und ich weiß, dass manche von ihnen vor so einem Szenario gewarnt hatten”, sagte der Verwaltungschef. Er könne heute auch noch nicht sagen, ob die 1,9 Millionen Euro das Ende der Fahnenstange seien. „Weil niemand weiß, wie das Wetter wird oder ob genügend Leute kommen.” Nun gebe es zwei Möglichkeiten: Geld nachschießen oder „den Stecker ziehen” und darauf vertrauen, dass der Schadenersatz nicht so hoch werde und das Land sich doch noch in Sachen Finanzierung bewege.

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Defizit für Hessentag könnte auf mehr als vier Millionen Euro wachsen

Die Mittel aus der Hessenkasse, die Pfungstadt nun für die Finanzierung der 1,9 Millionen Euro verwenden möchte, waren im vergangenen Jahr für die Tilgung von Schulden gedacht. Pfungstadt erwirtschaftete aber genügend Überschuss, so dass das Geld nicht abgerufen werden musste. Vor zwei Jahren war mit 8,7 Millionen Euro Kosten kalkuliert worden, nun sollen es rund 10,6 Millionen Euro sein. Bislang war ein Defizit für die Veranstaltung von 2,2 Millionen Euro kalkuliert. Dass das Minus sich nun um die 1,9 Millionen erhöht, davon geht Koch nicht aus. Die finanziellen Konsequenzen einer Absage wären aber wohl noch drastischer. Das betonten auch etliche Redner an diesem Abend. Von Staatsminister Axel Wintermeyer, so Koch, gebe es bereits die Aussage, dass das Land die Stadt nicht im Regen stehen lasse. Allerdings erst nach der Veranstaltung.

Eine Absage wäre die Stadt wegen Regressforderungen noch teurer gekommen. Das betrifft die Konzessionsnehmer für die Veranstaltungen in der Arena und dem Festzelt mit insgesamt zwölf Bezahlveranstaltungen sowie die Teilnehmer der Gewerbeschau mit 100 bis 120 Ausstellern, aber auch die Hessentagsstraße mit 100 bis 150 Marktbeschickern und die Getränkeproduzenten mit exklusiven Lieferrechten. Hinzu kämen die Investitionszuschüsse des Landes, die für die Ausrichtung des Hessentags gewährt werden, in Höhe von rund vier Millionen Euro. Auch diese wären dahin. Die Ersatzansprüche können noch nicht beziffert werden, aber alleine die Absage der Bezahlveranstaltungen in der Arena und dem Festzelt und die technische Ausstattung dazu gehen in den unteren bis mittleren siebenstelligen Bereich.

Die UBP stimmte der Kostenübernahme nicht zu. Er verspüre „keinerlei Schadenfreude oder Genugtuung”, sagte John Kraft. „Woher sollen wir allerdings das Vertrauen nehmen, dass es nicht noch teurer wird?”, fragte er. Von einem Hessentag bleibe kein bleibender Wert für die Stadt. Koch solle sich noch einmal „mit allen” zusammensetzen, um eine andere Lösung zu finden. „Bei friss oder stirb machen wir nicht mit.” Von einem „desaströsen Controlling” sprach Martin Naake von der SPD. Die Kritik galt der Firma Campo, die im Auftrag der Stadt für die Projektsteuerung zuständig war. Es sei „schwierig, dass der, der das Fest organisiere, sich auch selbst kontrolliere”. Tim Weingärtner (SPD) ergänzte, dass die Situation „beschissen” sei. Aber eine Absage habe noch „krassere” finanzielle Folgen für die Stadt.

„Komplett die Kontrolle über die Finanzen verloren”

Max Schimmel (CDU) bemängelte, dass die Rahmenbedingungen für das Fest, etwa die Zuschüsse des Landes, seit 14 Monaten die selben geblieben seien, trotz der überall spürbaren Preissteigerungen. „Irgendwann im letzten Jahr haben wir komplett die Kontrolle über die Finanzen verloren”, sagte er. Und es sei nichts getan worden, um gegenzusteuern. Nun sei es zu spät. „Nach dem Hessentag werden wir genau nachfragen, wer wann was festgestellt hat.” Die CDU stimmte zu.

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„Wir nehmen Geld auf für zehn Tage Party, das dann in der Zukunft fehlt”, sagte Dr. Jens Riede (Grüne). Etwa für einen geplanten Kindergarten oder das Schwimmbad. Die Grünen lehnten den Antrag ab. Deutlicher wurde Ralf Krier von den Freien Wählern: „Entweder man wusste es wirklich nicht, dann hat man Inkompetenz bewiesen und ist nicht in der Lage, eine 25.000-Einwohner-Kommune zu führen und sollte Konsequenzen ziehen - oder man hat es gewusst und es vielleicht bewusst nicht erzählt.” Für die Zukunft müssten andere Saiten aufgezogen werden. Die Freien Wähler kündigten an, dagegen zu stimmen.

Forderung nach Akteneinsichtsausschuss

„Wir stimmen zu mit der Faust in der Tasche”, sagte Mathias Zeuner für die FDP. „Wir stehen ziemlich doof da, und das gefällt uns nicht.” In Zukunft wollen die Liberalen bei großen Projekten auf ein stärkeres Kostencontrolling setzen. Die Freie Grüne Liste mit Dr. Wolf Edelmann und José Maria Gonzaléz Iglesias forderte gar einen Akteneinsichtsausschuss nach dem Hessentag. „Danach werden definitiv Köpfe rollen”, sagte Gonzaléz Iglesias.