Groß-Rohrheims Bürgermeister Bersch tritt zurück

Mit einer Zweidrittelmehrheit hat die Gemeindevetretung in Groß-Rohrheim vergangene Woche den Abwahlantrag von Rainer Bersch in die Wege geleitet.
© Thorsten Gutschalk

Nach dem Abwahlantrag zieht Rainer Bersch die Reißleine und nimmt seine Abwahl an. Eigentlich hätten die Bürger die endgültige Entscheidung am 8. Oktober treffen sollen.

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Kreis Bergstraße. Der Weg für das Abwahlverfahren war bereits geebnet. Am 8. Oktober sollten die Groß-Rohrheimer über die Zukunft von Bürgermeister Rainer Bersch (parteilos) entscheiden. Die Gemeindevertretung hatte in ihrer Sitzung am vergangenen Mittwoch mit einer Zweidrittelmehrheit das Abwahlverfahren des Verwaltungschefs eingeleitet. Am Dienstagabend wurde bekannt, dass Bersch seine Abwahl annimmt. Zum 31. Mai will der ehemalige Sozialdemokrat in den Ruhestand wechseln.

Gegenüber dem Radiosender FFH erklärte Bersch, dass er die Abwahl durch die Gemeindevertretung akzeptiere und zurücktrete. Aus dem Parlament hatte der Bürgermeister längst keine Rückendeckung mehr erfahren. Das Verhältnis zwischen dem Verwaltungschef und großen Teilen der Parteilandschaft war schon lange zerrüttet.

Vorwurf der Täuschung

Spätestens seit der Übernahme des Groß-Rohrheimer Bauhofs durch den Kommunalverband Mittlere Bergstraße (KMB) war das politische Klima im Ort vergiftet. Die Sozialdemokraten warfen dem Verwaltungschef vor, bei der Vertragsunterzeichnung den Ersten Beigeordneten Peter Heß (SPD) getäuscht zu haben. Das Parlament hatte beschlossen, dass alle sieben Bauhof-Mitarbeiter vom KMB übernommen werden sollten.

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Im Vertrag seien dann nur noch sechs Mitarbeiter namentlich erwähnt worden. Außerdem schwingt der Vorwurf der Vetternwirtschaft mit. Seinem Patenkind verhalf Bersch zu einem neuen Job innerhalb der Verwaltung, damit dieser Mitarbeiter nicht zum KMB wechseln musste. Gegenüber FFH wies Bersch die Vorwürfe zurück. Er habe rechtmäßig gehandelt, was ihm auch das Landratsamt und die Kommunalaufsicht bestätigt hätten.

Anfänge des Konflikts sind 15 Jahre alt

Die Gründe für das angespannte politische Verhältnis in Groß-Rohrheim liegen weit zurück. Um die Anfänge des Konflikts zwischen SPD und Bersch zu verstehen, muss man 15 Jahre zurückblicken. Der Streit begann vor der Bürgermeisterwahl 2008. Bersch, damals noch selbst mit sozialdemokratischem Parteibuch ausgestattet, wollte kandidieren und sich zum starken Mann im Ort küren lassen. Der SPD-Ortsverein votierte in seiner internen Kandidatenkür aber für Karsten Krug, den damaligen Fraktionsvorsitzenden der Genossen. Bersch zog schließlich als parteiloser Kandidat gegen seinen Parteifreund ins Rennen. Mit rund 58 Prozent der Stimmen setzte sich der Außenseiter gegen Krug durch.

Sechs Jahre nach seiner Amtsübernahme trat Bersch 2014 erneut als parteiloser Kandidat an und musste sich gegen Walter Öhlenschläger behaupten. Bersch wurde diesmal mit fast 80 Prozent an die Verwaltungsspitze gewählt. Im Jahr 2020 wollte es die SPD noch einmal wissen und schickte Sascha Holdefehr gegen Bersch ins Rennen. Diesmal fiel das Ergebnis enger als sechs Jahre zuvor aus, Bersch verteidigte seinen Posten als Bürgermeister aber mit 62,2 Prozent gegen den Herausforderer.

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Wie zerfahren die Situation in Groß-Rohrheim ist, zeigte sich Anfang Mai. Da zog Bersch aus der angespannten Situation die Konsequenzen und legte sein Parteibuch nieder. Die Genossen waren es auch, die den Abwahlantrag in der Gemeindevertretersitzung vorantrieben. Eine Zweidrittelmehrheit war nötig, um die Abwahl in die Wege zu leiten. Die 13 Stimmen in namentlicher Abstimmung kamen geschlossen von den acht SPD-Fraktionsmitgliedern, den vier Mitgliedern der Freien Wähler „Bürger für Groß-Rohrheim“ und von Hans Hoffmann (CDU).

Verhältnis in Groß-Rohrheim angespannt und gespalten

Wie gespalten und angespannt die Lage in Groß-Rohrheim ist, wurde auch in der entscheidenden Sitzung deutlich. Rund 60 Zuhörer besuchten die Sitzung, der Saal musste gewechselt werden, weil niemand auf einen derartigen Ansturm vorbereitet war. Beobachter der Sitzung berichteten von etwa zehn neutralen Zuhörern. Die Übrigen positionierten sich klar zugunsten von Bersch. Es waren Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sowie Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und des Kommunalen Kindergartens, die mit Applaus ihre Unterstützung für Bersch laut kundtaten.

Die Groß-Rohrheimer müssen nun am 8. Oktober nicht mehr über Berschs Abwahl entscheiden, nachdem dieser selbst die Reißleine gezogen hat. Wäre es so weit gekommen, hätte eine Mehrheit nach den Regeln für einen Bürgerentscheid gereicht, um Bersch aus dem Amt zu kegeln. Das heißt aber auch, dass mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten – also rund 1000 Bürger – mit „Ja“ für die Abwahl hätten stimmen müssen.

Vorübergehend soll der Erste Beigeordnete Peter Heß den Posten von Bersch übernehmen. Läuft alles nach Plan, können die Groß-Rohrheimer am 8. Oktober neben einem neuen Landtag auch über einen neuen Bürgermeister in ihrem Ort abstimmen.