Gelände des Atomkraftwerks Biblis soll Industriestandort werden

Ein Zwischenlager für schwach und mittel radiokative Stoffe wird auf dem Gelände des Kernkraftwerks Biblis gebaut. Das Lager soll in einem Jahr fertig sein. Die Abfälle bleiben so lange in Biblis, bis sie in das zentrale Zwischenlager Schacht Konrad bei Salzgitter gebracht werden können. Das Zwischenlager, in dem 102 Castoren stehen sollen, wird noch mindestens 30 Jahre gebraucht.Foto: RWE  Foto: RWE
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Um das Atomkraftwerk Biblis zu entkernen, investiert das Betreiberunternehmen RWE Power AG in den nächsten 15 Jahren mindestens 1,5 Milliarden Euro. Wie Direktor Horst...

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BIBLIS. Um das Atomkraftwerk Biblis zu entkernen, investiert das Betreiberunternehmen RWE Power AG in den nächsten 15 Jahren mindestens 1,5 Milliarden Euro. Wie Direktor Horst Kemmeter und der Bibliser Bürgermeister Felix Kusicka (parteilos) am Donnerstag beim 70. Kraftwerksgespräch übereinstimmend sagten, bleibt die Anlage damit bis 2032 und weit darüber hinaus ein Wirtschaftsfaktor für die Region. Zurzeit arbeiten 320 RWE-Mitarbeiter in Biblis. Kusicka sagte, das Kraftwerksgelände bleibe nach dem Rückbau ein genehmigter Industriestandort mit Schienen- und Straßenanbindung und werde deshalb für seine Gemeinde zum „Rohdiamant“. Kemmeter formulierte das oberste Ziel: Sämtliche Anlagen und Gebäude auf dem 40 Hektar großen Gelände in einen Zustand zu versetzen, dass sein Unternehmen aus dem Atomgesetz entlassen werden kann.

Ein Zwischenlager für schwach und mittel radiokative Stoffe wird auf dem Gelände des Kernkraftwerks Biblis gebaut. Das Lager soll in einem Jahr fertig sein. Die Abfälle bleiben so lange in Biblis, bis sie in das zentrale Zwischenlager Schacht Konrad bei Salzgitter gebracht werden können. Das Zwischenlager, in dem 102 Castoren stehen sollen, wird noch mindestens 30 Jahre gebraucht.Foto: RWE  Foto: RWE
Horst Kemmeter, der Leiter des Kernkraftwerks Biblis.Archivfoto: Asel  Foto:

Viele Millionen Euro für das neue Zwischenlager

Bis es soweit ist, muss kräftig investiert, müssen sogar neue Gebäude und Anlagen errichtet werden, um den Rückbau technisch bewerkstelligen zu können. Kemmeter nannte als Beispiel die Installation einer Anlage, die 2500 bar Druck erzeugt, um Rohrleitungen und Wände reinigen zu können. Einen zweistelligen Millionenbetrag investiert RWE zurzeit in den Bau eines Zwischenlagers für schwach- und mittel radioaktive Abfälle. Die Halle ist 109 Meter lang, 28 Meter breit und 17 Meter hoch. Deshalb drehen sich zwei Kräne auf dem Kraftwerksgelände, um bauen zu können, während allgemein von Rückbau die Rede ist.

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Symbolischer Beginn des Rückbaus war der 19. Juni, als Kemmeter mit der hessischen Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) eine Pumpe ausbaute. Kemmeter zeigte sich am Donnerstag optimistisch, Zeit- und Finanzierungsrahmen einhalten zu können. Zur Planungssicherheit trage bei, dass der Staat 2019 das Zwischenlager übernimmt, in dem 102 Castorbehälter stehen werden. Auch das Zwischenlager, das gerade gebaut wird, bleibt nicht lange in RWE-Besitz. Es soll 2020 verstaatlicht werden. RWE ist dann nur noch für den Rückbau zuständig. Zur Abmachung zwischen Staat und Kraftwerksbetreibern gehört, dass die Unternehmen 24 Milliarden in einen Fonds überweisen. Allgemein wird davon ausgegangen, dass diese Summe nicht reicht, um sämtliche Entsorgungskosten zu finanzieren.

Komplizierter als der Ausbau der Pumpe wird es sein, die jeweils 350 Tonnen schweren Dampferzeuger zu zerlegen. Diese Geräte bilden bei Druckwasserreaktoren die Schnittstelle zwischen dem nuklearen und dem nicht-nuklearen Teil der Blöcke, die bei voller Leistung 1200 Megawatt (Block A) und 1300 Megawatt Strom (Block B) erzeugten.

Im Kraftwerksgespräch fiel immer wieder das Wort „Transparenz“. Kemmeter verwendete es, um die Bevölkerung einzuladen, sich bei den entsprechenden Gelegenheiten auf dem Kraftwerksgelände ein Bild davon zu machen, dass auch beim Rückbau das Thema Sicherheit oberste Priorität hat. Das Infozentrum, in dem auch das Kraftwerksgespräch geführt wurde, ist nach wie vor für die Öffentlichkeit zugänglich.

Von Transparenz sprach auch Bürgermeister Kusicka. „Biblis hat mit dem Atomkraftwerk gelebt und wird weiter damit leben“, sagte er. Kritik sei berechtigt, wenn es darum gehe, Prozesse sachlich zu begleiten. Nachdem der gesellschaftliche Konsens zum Ausstieg aus der Atomenergie hergestellt worden sei, müssten auch die Grabenkämpfe zwischen Atomkraftgegnern und Befürwortern beendet werden.

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Der Wissenschaftler Christian Küppers vom Öko-Institut Darmstadt erklärte in seinem Vortrag, wie ein Großteil der Abfälle, die beim Rückbau entstehen, beseitigt werden können. Von den 63 000 Tonnen Material, aus dem die Anlagen bestehen, könnten 55 000 Tonnen in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden.

„Rückbau ist kein Hexenwerk“, mit diesen Worten leitete Frank Apel seinen Vortrag ein. Er ist Geschäftsführer der Kraftanlagen Heidelberg, die bereits Aufträge im Wert von mehr als zehn Millionen Euro von RWE erhalten hat. Auch er sagte, um möglichst schnell und reibungslos zurückbauen zu können, sei auch sein Unternehmen zur Transparenz verdammt. „Safety first“, sei die Maxime. „Wir werden nie Abstriche bei der Sicherheit machen, allein deshalb, weil wir noch lange Aufträge von den Kraftwerksbetreibern erhalten wollen.“