Feuerwehr stößt in Darmstadt auf viele Hindernisse

Immer wieder traf man auf falsch abgestellte Fahrzeuge. Insgesamt wurde, obwohl auch der Fahrer aufgetrieben werden konnte, eine gute halbe Stunde der Einsatzwagen an dieser Stelle aufgehalten.

Zugeparkte Straßen behindern die Arbeit der Darmstädter Feuerwehr. Das kann ernste Folgen haben. Mit der Aktion „freier Rettungsweg” macht die Feuerwehr auf das Problem aufmerksam.

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DARMSTADT. Jetzt geht nichts mehr. Seit zehn Minuten rangiert der Drehleiter-Wagen der Feuerwehr vor und zurück, vor und zurück. Eigentlich will er nur um die Kurve. Doch die Kurve liegt in einem Wohnviertel mit schmalen Straßen. Eng stehen die Häuser in der Arheilger Straße, Ecke Fuhrmannstraße. Dicht parken die Autos, beidseitig. Fast käme das rote Schlachtschiff um die Ecke. Doch kurz hinter der Einmündung steht auch noch ein Lieferwagen, steht im Halteverbot vor einer Bar, macht die Räume eng. Tek-tek, tek-tek tickert das Warnblink-Relais im Führerhaus des Drehleiterwagens. Einmal noch lässt Fahrer Richard Antoniuk den 15-Tonner zurückrollen. Dann entscheiden die Feuerwehrleute: kein Durchkommen hier. Wäre dies ein normaler Einsatz, es könnten Menschen verbrennen.

Doch diese Fahrt durchs Martinsviertel ist nur eine Übung. Nicht so sehr für die Feuerwehrleute, die Stadtpolizisten und Verwaltungsleute, die sie zu Fuß begleiten. Eher soll „die Bevölkerung sensibilisiert werden.“ Das hatte Christian Wagner, Chef der Abteilung Vorbeugender Brandschutz bei der Darmstädter Berufsfeuerwehr, am Startpunkt der Übung nahe dem Bürgerpark erklärt. Denn eng wird es nicht nur in diesem Viertel, an diesem Abend. Daher will die Feuerwehr den Menschen vorführen, wie sie den Helfern helfen können. Und welche Folgen es hat, wenn nur ein Privatauto der Drehleiter im Weg steht.

Ausweichrouten kosten viel Zeit

Wenn es nur eines wäre, das im Weg steht. Bei dieser Tour durch die Straßen und Gassen des gründerzeitlichen Quartiers steht fast an jeder Ecke etwas quer, steht zu dicht an der Kreuzung, steht auf schraffierten Sperrflächen. Gut, wenn dann ein ruhiger Typ wie Richard Antoniuk, 40, Familienvater und seit 2005 beider Berufsfeuerwehr, am Steuer des Schiffs mit der Drehleiter sitzt.

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Die Befahrung des Martinviertel zeigte aber auch Engpässe auf, welche entstehen auch wenn der PKW, wie hier auf dem Bild, ordnungsgemäß auf einem eingezeichneten Parkplatz abgestellt wurde.
Die Befahrung des Martinviertel zeigte aber auch Engpässe auf, welche entstehen auch wenn der PKW, wie hier auf dem Bild, ordnungsgemäß auf einem eingezeichneten Parkplatz abgestellt wurde. (© Dirk Zengel)

„Jetzt läuft es entspannt“, sagt kurz nach dem Start zum Journalisten, der auf dem Beifahrersitz mitfährt. „Es wartet ja keiner auf unsere Hilfe.“ Wirklich anspruchsvoll wäre diese Gassentour während eines echten Einsatzes. „Wenn das Führungsfahrzeug an uns meldet: Brand bestätigt – dann muss man die Ruhe bewahren, auch wenns eng wird“, sagt er. „Es hilft ja nix.“ Und schon wirds wieder eng.

Lichtenbergplatz: Klingt nach viel Platz, ist aber ein Verhau aus Pollern, Bäumen, geparkten Autos und Mopeds – aus dem Führerhaus betrachtet. Einfach geradeaus soll Antoniuk sein Schiff über diesen Platz lenken, in Verlängerung der Lichtenbergstraße. Kollege Klaus Bangert hebelt mit eine Spezialschlüssel Eisenpoller aus dem Pflaster, schiebt Mülltonen vor der Schnauze des Lasters beiseite. Dann meldet ein Stadtpolizist von der anderen Platzseite: „Auto steht quer.“ Kein Durchkommen links oder rechts. Also muss Antoniuk eine Ausweichroute nehmen. Kostet Zeit – und auch diese Strecke ist nicht grad eine Prachtallee.

„Die Feuerwehr kann nicht warten!“

Tek-tek, tek-tek. In etwas weniger als Schrittgeschwindigkeit schaukelt der Fahrer das Drehleiter-Getüm übers Pflaster. Es schaukelt ganz ordentlich. Gut, wenn alle Insassen seefest sind. Zu beiden Seiten lenkt das Fahrzeug aus – auch daran muss Antoniuk denken. Und an die Überstände: vorn der Korb der Drehleiter, hinten der Lüfter, der den Scania-Laster nochmal einen Meter länger macht. Und damit noch kniffliger zu manövrieren.

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Denn wenn alle Achsen schon die Kurve genommen haben, kommt noch der Lüfter. Der kann Straßenschilder mitnehmen, Laternenmasten, Autos. „Wenn ich da nur einen Außenspiegel abrasiere, ist der Einsatz erstmal vorbei.“ Ein neuer Drehleiter-Wagen muss ausrücken, der alte wieder zurückfahren. Wieder wäre Zeit verloren. Auch der Lüfter selbst sollte besser nicht beschädigt werden. Denn das motorbetriebene Gerät kommt zum Einsatz, wenn ein Gebäude vom Rauch vernebelt ist. Dann bläst der Überdruck-Lüfter den Feuerwehrleuten die Flure und Räume frei. Gut, wenn er bei der Hindernistour zum Einsatz heil geblieben ist.

Die Befahrung des Martinviertel zeigte aber auch Engpässe auf, welche entstehen auch wenn der PKW, wie hier auf dem Bild, ordnungsgemäß auf einem eingezeichneten Parkplatz abgestellt wurde. Foto: Dirk Zengel
Die Befahrung des Martinviertel zeigte aber auch Engpässe auf, welche entstehen auch wenn der PKW, wie hier auf dem Bild, ordnungsgemäß auf einem eingezeichneten Parkplatz abgestellt wurde. Foto: Dirk Zengel (© Dirk Zengel)

Immer wieder stehen Wagen im Weg. Kollegen stecken Flyer unter die Scheibenwischer: „Die Feuerwehr kann nicht warten!“ Die hatten sie auch schon eine Woche zuvor ausgeteilt im Viertel. Viele klemmen immer noch an der Windschutzscheibe; die Wagen wurden offenbar nicht bewegt. Dumm, wenn sie so geparkt wurden, dass sie jetzt ziemlich im Weg sind. Wie der Lieferwagen Ecke Arheilger / Fuhrmannstraße.

Auch legal geparkte Autos bereiten Feuerwehr Schwierigkeiten

Gegen die Fahrtrichtung hat der weiße Kleinlaster an der Einmündung geparkt. Absolutes Halteverbot, sagt ein Schild. „Keine drei Meter Platz mehr auf der Fahrbahn“, sagt der Stadtpolizist. Antoniuk soll es trotzdem versuchen. Im Scheinwerferlicht tanzt Kollege Bangert, dirigiert den Feuerwehr-Laster mit seinen Zeigefingern mal nach links, mal nach rechts, dann in leichtem Bogen zurück, wieder nach vorn. Antoniuk kurbelt sein Fenster herunter, klappt die beiden Außenspiegel ein, fährt den Wagen bis fünf Zentimeter an die Fensterläden des Nachbarhauses heran. Dann zurück. Du nochmal von vorn. „Einmal noch“, ruft Abteilungsleiter Wagner, „dann lassen wir‘s.“ Dann lassen sie‘s. Tek-tek, tek-tek.

Beziehungsweise: Der Barmann aus der benachbarten Bar kommt heraus, ruft den Einsatzkräften zu: „Wir haben den Fahrer ausfindig gemacht.“ Nicht in der Bar, sondern in der Nachbarschaft. Er sei beim Abendessen gewesen. Mit eiligem Schritt kommt der Lieferwagenfahrer an. Öffnet seine Fahrertür. Verwickelt sich dann aber erst mal in ein erregtes Gespräch mit der Stadtpolizei. Einsicht klingt anders. Dann braust er davon.

Antoniuk zuckelt um die Ecke. Er sagt: „Ich kann die Leute ja verstehen, die hier wohnen und irgendwo parken müssen.“ Aber vielleicht nicht unbedingt an der Ecke. Anderthalb Stunden schleicht der Drehleiter-Laster durch die Gassen des Martinsviertels. Die Strecke, die er am Ende bewältigt hat, unfallfrei, geht man zu Fuß in 20 Minuten. Das muss schneller gehen, sagt am Schluss Ordnungsdezernent Paul Wandrey. Denn auch dort, wo legal geparkt wurde, hat es die Feuerwehr teils sehr schwer. „Einige der markierten Parkplätze, die nah an den Einmündungen liegen, werden weg müssen.“