Gegen Kosten und für Qualität / Lampertheimer Landwirt experimentiert mit Spargel-Vollernter
Werner Hartmann aus Lampertheim steht hoffnungsvoll vor einer neuen Maschine. Es ist die zweite Spargel-Erntemaschine, die er in dieser Saison testet. Die erste Maschine gab bereits am ersten Tag den Geist auf, das zweite Gerät ist von ganz anderer Machart, vielleicht besser geeignet für Hartmanns Bedürfnisse. In einem Alter, in dem andere in Rente gehen, macht sich der überzeugte Landwirt Gedanken um die Zukunft seiner Familie. Und da führt an der weiteren Mechanisierung kein Weg vorbei.
Von Oliver Lohmann
Redakteur Bergsträßer Echo
"Es gibt einen Fahrer und drei Helfer, die auf der Maschine den Spargel von der Erde befreien", erklärt Werner Hartmann das System Vollernter. "Im Anschluss baut die Maschine den Damm wieder auf." Foto: Thorsten Gutschalk
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LAMPERTHEIM - Werner Hartmann steht hoffnungsvoll vor einer neuen Maschine. Es ist die zweite Spargel-Erntemaschine, die er in dieser Saison testet. Die erste Maschine gab bereits am ersten Tag den Geist auf, das zweite Gerät ist von ganz anderer Machart, vielleicht besser geeignet für Hartmanns Bedürfnisse. In einem Alter, in dem andere in Rente gehen, macht sich der überzeugte Landwirt Gedanken um die Zukunft seiner Familie. Und da führt an der weiteren Mechanisierung kein Weg vorbei.
Landwirt Hartmann setzt darauf, dass der Spargelanbau in Südhessen eine Zukunft hat. Angesichts des Kostendrucks testet er Maschinen, die den Spargel ernten. "Die erste Revolution im Anbau war die Abschneidemaschine, die zweite war die Spargelsortiermaschine, und die dritte könnte jetzt der Vollernter sein", urteilt der 68-Jährige, der sich schon immer für technische Neuerungen aufgeschlossen zeigte. Bislang werden Spargelstangen von Hand geerntet, von Helfern, die zu Fuß unterwegs sind oder auf Brettern liegen und so den Spargeldamm entlanggefahren werden.
Werner Hartmann beschäftigt sich seit zwei Jahren mit dem Thema maschinelle Ernte. Er hat Betriebe besucht, die das machen - es sind in Deutschland nur wenige, im Kreis Bergstraße noch keiner. Vor wenigen Tagen hat er eine schmale Maschine mit Radantrieb getestet - die kam aber nicht durch den Spargeldamm und war schon am ersten Tag defekt. Nun hofft er, dass er mit dem neuen Typ Maschine, einem Raupensystem, besser fährt. Dabei wird der gesamte Spargeldamm einschließlich den darin befindlichen Gemüsestangen abgeschnitten und nach oben transportiert. "Es gibt einen Fahrer und drei Helfer, die auf der Maschine den Spargel von der Erde befreien. Im Anschluss baut die Maschine den Damm wieder auf", erklärt Hartmann.
Der Vollernter ersetzt bis zu zwölf Erntehelfer
Diese Maschine ist eine Neuentwicklung, die Erntemethode soll zu weniger Leerlauf beim Personal führen. Unterm Strich ersetzt der Vollernter zehn bis zwölf Erntehelfer - das spart Lohnkosten. Hartmann erhofft sich durch den Einsatz der Maschine aber auch eine bessere Qualität bis zum Ende der Saison. Ein Vorteil der Maschine sei auch, dass sie den Spargel mitsamt dem Strunk entferne - dadurch sinke die Gefahr, dass die Gemüsestange rostet. Einen Nachteil gebe es aber auch: "Es werden viele Köpfe abgeschnitten. Die passen nicht in die üblichen Handelsklassen, wir müssen sie also in den Direktvertrieb geben", erklärt der Landwirt. Es gibt ein weiteres maschinelles Erntesystem, bei dem ein Roboter mit Greifzangen den Spargel aus der Erde holt. Dafür kann sich der Lampertheimer nicht begeistern, er glaubt, dadurch würden zu viele Spargelstangen zerstört. Ganz billig ist eine Erntemaschine, wie sie Hartmann favorisiert, nicht: Der Preis liegt bei über 100.000 Euro. Auf zehn Jahre betrachtet rechne sich das aber. "Aber bevor ich die Maschine kaufe, schauen wir erst mal, welche Leistung wir damit erreichen."
Dass sich der Preis für das Kilo Spargel durch den Einsatz von Erntemaschinen verringert, bezweifelt Hartmann. Der Preis sei abhängig vom Wetter, sprich der Erntemenge, und vom Lebensmittel-Einzelhandel. Denn der kauft dort Ware, wo sie am günstigsten ist, was zu einem Preisdruck auf die Bauern führt. "Der Verbraucher guckt auf den Preis. Und das kann ich auch verstehen, vieles ist teuer heute", so Werner Hartmann. Außerdem gebe es ein Überangebot an deutschem Spargel, weil es inzwischen überall möglich sei, das Gemüse anzubauen. Daher bleibe kein anderer Weg, als bei den Erntekosten zu sparen.
Doch nicht nur das unplanbare Wetter und die massive Ausweitung der Spargelanbaufläche in Deutschland machen Landwirten das Leben schwer. Auch die Kosten steigen weiter: vor allem durch den Mindestlohn. "Außerdem wird es schwerer, gute Erntehelfer aus Polen oder Rumänien zu finden. Die jüngere Generation findet inzwischen auch in ihren Heimatländern Arbeitsplätze in der Industrie. Die müssen nicht mehr für ein paar Monate im Jahr fern von ihrer Familie sehr hart auf einem deutschen Bauernhof arbeiten", erläutert der Lampertheimer Landwirt. Etwa die Hälfte des erzeugten Spargels liefert er an den Einzelhandel, bereits so verpackt, wie es gewünscht ist. Die andere Hälfte geht in den Direktvertrieb an die Verbraucher und örtliche Gastronomen. Als Service werden die Spargel auch geschält. "Und zwar per Hand, weil das ordentlicher ist als in einer Maschine." Er will auf jeden Fall am Spargelanbau festhalten, den seine Familie schon seit mehreren Generationen betreibt. Und Hartmann ist sich auch sicher, dass Lampertheim eine "Spargelstadt" bleibt. "Die technischen Neuerungen werden sich verbreiten. Aber die Tradition bleibt erhalten." Naturschützer sind vom Spargelanbau zwar nicht begeistert. Andrea Hartkorn, Vorsitzende des Nabu Lampertheim, hält den Anbau hierzulande grundsätzlich aber trotzdem für sinnvoll, denn: "Ausländischer Spargel, der per Flugzeug transportiert wird, hat eine schlechte Umwelt- und Klimabilanz. Kurze Transportwege belasten die Umwelt weit weniger als lange Wege, die zwangsläufig einen höheren Ausstoß von Klimagasen und Luftschadstoffen wie Feinstaub oder Stickoxiden mit sich bringen."
Wer sichergehen möchte, dass Spargel pestizidfrei ist, sollte Bio-Spargel essen, empfiehlt die Naturschützerin. Kritisch sieht Hartkorn die Verwendung von Plastikfolien. Demeter-Betriebe (Biolandwirtschaft) dürften allerdings nur Folien aus nachwachsenden Rohstoffen verwenden, was zu begrüßen sei. "Vögel, Insekten, Kleinsäuger und Pflanzen leiden unter der großflächigen Felder-Plastinierung. Aus unserer Sicht sollte auf große zusammenhängende Spargelfelder verzichtet werden. Dazwischen wäre die Anlage anderer Kulturen oder die von Blüh-, Grün- und Heckenstreifen sinnvoll, um die schwindende Biodiversität wieder zu erhöhen", schlägt Hartkorn vor.