BOBSTADT - „Früher oder später betrifft das Thema Tod jeden von uns“, sagt Jessica Druschke. Und spricht dabei aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Im Alter von acht Jahren hat sie ihren damals 18-jährigen Bruder Michael verloren. Er starb an Hodenkrebs. Die begeisterte Leserin und Hobby-Autorin hat darüber eine Kurzgeschichte geschrieben. Darin behandelt die heute 29-Jährige den Verlust ihres Bruders und den Versuch, als Kind die daraus entstandene Trauer zu verarbeiten.
Veröffentlicht wurde ihre Kurzgeschichte „Luftpost“ in dem Buch „Du fehlst“. Eine Anthologie mit 50 Geschichten von Leben und Tod – für die Arbeit von Sterbebegleitern. Denn 60 Prozent des Verkaufserlöses spendet der veröffentlichende Q5-Verlag an den Hospiz-Verein Bergstraße sowie den Ambulanten Hospizdienst für den Landkreis Wittmund. Gemeinsam mit der Bobstädterin Jessica Druschke erzählen in dem Buch 50 Autoren wahre oder erdachte Geschichten über Trauer, Liebe, Verlust und widmen sie der guten Sache.
„Nicht jeder spricht gerne über seinen Verlust, jeder geht auch anders damit um“, weiß Jessica Druschke. Die Bobstädterin möchte das Tabu-Thema stärker in den Fokus rücken. Das Buch biete eine Möglichkeit, mit sich selbst ins Gespräch über das schwierige Thema zu kommen. „Tod ist immer schlimm, tut immer weh“, bekundet Druschke. Trotzdem helfe es, darüber zu reden, sich damit auseinanderzusetzen, findet die Autorin. „Man ist nicht alleine, auch wenn es sich so anfühlt.“ Einen enorm wichtigen Beitrag leiste in solchen Situationen die Hospizarbeit. Seinen ersten gemeinsamen Urlaub nur mit seiner Freundin musste der Bruder von Jessica Druschke wegen starker Schmerzen abbrechen. Daheim die schockierende Diagnose: Hodenkrebs, der so bösartig ist, dass nichts mehr zu machen sei.
„Als Kind hast du kein Zeitgefühl, dein großer Bruder ist eigentlich selbst noch so klein“, erinnert sich Jessica Druschke an schlimme Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen. Nur einige Male durfte sie ihren zehn Jahre älteren Bruder im Krankenhaus noch besuchen. Während ihre Eltern jede freie Minute auf Krankenhausstationen verbrachen, spielte der Opa von Jessica Druschke mit der damals Achtjährigen.
Ihr Opa, der 2010 ebenfalls an Krebs gestorben ist, wurde Bezugsperson und Vorbild zugleich. Er war es, der der Enkelin versucht hat, Hintergründe zu erklären. Warum der Bruder jetzt nicht mehr so aussieht, wie er immer ausgesehen hat zum Beispiel. „Krebs ist heute fast schon eine Volkskrankheit, jeder hat jemanden in seiner Familie oder im Freundeskreis, der betroffen ist“, sagt die Bobstädterin. Oft komme der Krebs schnell und hart. Das kommt auch in der Geschichte von Jessica Druschke vor. In „Luftpost“ spricht sie bildlich und schreibt einen Brief an ihren Bruder. Wie sie all die Jahre mit seinem Tod umgegangen ist. Als Kind und als Erwachsene. Was sie aus ihren Erfahrungen mitgenommen hat. Irgendwann sei die Wut weg gewesen, erinnert sie sich. Dann war nur noch Trauer da.
Am Herzen liegt der bewundernswert positiven jungen Frau, dass sie all die Jahre, die ihr Bruder Michael nicht mehr erleben durfte, ganz bewusst für ihn mitgelebt hat und weiterlebt. So trifft sie schwierige Entscheidung oft mit dem Gefühl, welche Lösung sie dabei am glücklichsten machen würde. Auch ihr Opa hat ihr mitgegeben: „Hauptsache, du bist glücklich“.
Jessica Druschke, die ein persönliches Symbol für ihren Bruder als Tätowierung trägt und ihn immer im Herzen dabei hat, ist mittlerweile Mutter einer fünfjährigen Tochter. Wichtig ist es der 29-Jährigen, offen mit ihrer Tochter über den Tod ihres Bruders und Opas zu sprechen. An den Geburtstagen zünden sie Wunderkerzen am Grab an. „Michael wird es jetzt warm ums Herz“, ist ihre kleine Tochter dabei fest überzeugt.
„Möglich wurde die Veröffentlichung dank eines Wettbewerbs auf dem Blog „Q5 der Quintessenz – Manufaktur für Chroniken“. Aus 730 eingereichten Texten wählte eine dreiköpfige Jury, bestehend aus den Trauerbegleiterinnen Ayse Bosse und Christa Lübken sowie Projektleiterin Petra Schaberger, die 50 besten aus, heißt es in der Pressemitteilung des Verlags. Eigens hierfür gründeten die Heppenheimer Thomas Klinger, Geschäftsführer der Manufaktur, und seine Ehefrau Petra Schaberger den Q5-Verlag. Weitere Projekte dieser Art sind in Planung.