Mit Musik gegen Schwulenangst
BÜRSTADT - „Rosakehlchen“ nennt sich ein Männerchor und bekennt sich im Untertitel offen zur Homosexualität. Das war, als diese Formation 1992 in Heidelberg gegründet wurde, schon ein Wagnis, denn die Homosexualität war damals für die große Mehrheit der Gesellschaft noch ein absolutes Tabuthema.
Noch im Jahr 2000 mussten sich die mutigen Männer aus Mannheim, wo sie mittlerweile ihren Proberaum hatten, die Aufnahme in den Badischen Sängerbund gerichtlich erstreiten. Und noch heute, wo die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich möglich ist, und sich prominente Persönlichkeiten in aller Welt zu ihrer Homosexualität bekennen, ist es keineswegs selbstverständlich, dass ein Schwulenchor in einer Kirche auftritt. Dies war am vergangenen Samstagabend der Fall.
In der ganzen Republik bekannt
Die Evangelische Kirche in Bürstadt bot den „Rosakehlchen“, die mittlerweile durch ihre Konzerte in der ganzen Republik bekannt sind, eine Bühne: „Wir sind ein vielstimmiger Chor, der aus fünfzehn aktiven Sängern besteht“, erzählt Andreas Barz stolz, der seit Langem dem Chor angehört und sich sehr freut, dass seine Lieder beim Publikum in Bürstadt so gut ankommen. Die Kirche war bis auf den letzten Platz ausverkauft.
Von Renaissance bis Pop ist im Repertoire des Mannheimer Chores vieles vertreten. Am originellsten aber sind die Stücke, die A Cappella vorgetragen und von einem Pianisten begleitet werden. Diese Art des musikalischen Vortrags erinnerte sehr an die „Comedian Harmonists“. Wie bei diesen braucht es auch bei den „Rosakehlchen“ nicht mehr Instrumente als das Klavier, wenn man von den Fingerkuppen absieht, die gekonnt den jeweiligen Rhythmus dazu schnipsend begleiten.
Gelungen waren auch die Garderobe und die Bühnenshow. In bunten Hemden und tänzerischen Formationen setzten die „Rosakehlchen“ nicht nur klangliche, sondern auch visuelle Akzente in dem spartanischen wirkenden romanischen Kirchenraum.
Die Programmauswahl für Bürstadt fokussierte Musik aus unserer Zeit. Auch diese ist sehr vielschichtig und reichte in der Auswahl des Abends von populären Songs, wie dem von Adele „Rolling In The Deep“ bis hin zu Filmmusik aus „Herr der Ringe“ und „Game of Thrones“.
Seit 2011 leitet Rolf Fritz den Chor. Fritz wurde in Ungarn geboren und hat an der Franz Liszt Akademie in Budapest studiert. In Mannheim, an der Staatlichen Hochschule für Musik, fügte er dann noch ein Studium als Konzertpianist hinzu. Klavierbegleitung, die für die Brillanz der Darbietungen der „Rosakehlchen“ unerlässlich ist, und Chorleitung liegen somit in einer Hand.
Moderiert wurde der Abend abwechselnd von verschiedenen Chormitgliedern und bereichert durch Gedichte zum Thema Liebe, wie zum Beispiel vom Erich Fried, dessen Lyrik in der Aura des Abends einen etwas anderen, ebenfalls möglichen Akzent erhielt.
Donnernder Applaus
Als Solosänger taten sich einzelne Persönlichkeiten im Chor besonders hervor, so der Tenor Stefan Faust bei Liedern aus dem Musical „Aladeen“ oder Wolfgang Lavorenz im zweiten Teil in „Misty Mountains“ sowie Norbert Dieter.
Donnernder Applaus und Ovationen im Stehen waren der Lohn für den abwechslungsreichen Abend und animierten die Sänger zu mehreren Zugaben, darunter auch mit ein bisschen Ironie der bekennenden Schwulen gegenüber den von Vorurteilen geprägten Vorstellungen beim Heteropublikum, die da lauten: „Schwule nehmen, wen sie kriegen“. Lustig dargeboten und witzig untermalt wirkte dieser Song als eine Art Beruhigungsmittel.