20-jähriger Asylbewerber muss wegen Körperverletzung Arbeitsstunden leisten
Von Vanessa Joneleit
Wegen Körperverletzung mussten sich zwei Bürstädter Asylbewerber vorm Lampertheimer Amtsgericht verantworten. Beide müssen nun jeweils 60 Arbeitsstunden ableisten. Archivfoto: Thorsten Gutschalk
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BÜRSTADT - Wegen gefährlicher Körperverletzung, die sie sich gegenseitig zugefügt haben, mussten sich zwei afghanische Asylbewerber aus Bürstadt am Mittwoch vor dem Lampertheimer Amtsgericht verantworten. Am Ende kamen beide mit einem blauen Auge davon: Jugendrichter Bernd Schmidt verhängte jeweils 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
Verantworten musste sich zunächst der 20-jährige O. Am 21. Juli vergangenen Jahres soll dieser mit seinem Mitbewohner A., einem ebenfalls 20-jährigen Afghanen, in der Gemeinschaftsküche einer Bürstädter Flüchtlingsunterkunft in Streit geraten sein. Nach einer verbalen Auseinandersetzung soll O. seinen Mitbewohner gewürgt haben – so stark, dass sogar Schaum aus dem Mund des Opfers gekommen sei.
Spülenschnäuzer als Ursache des Streits
„Er hat seine Nase geschnäuzt und in die Spüle gerotzt“, ließ O. über seinen Dolmetscher die Streitursache erläutern. Er habe ihn darauf hingewiesen, dass er das unterlassen soll. Das aber habe A. nicht einsehen wollen. Es sei zum Streit gekommen, beide hätten sich geschlagen. „Ich habe für ein paar Sekunden seinen Hals festgehalten“, gestand O., der der Aktion allerdings keine außergewöhnliche Brutalität beimaß.
Anders als das Opfer. „Ich habe in die Spüle gespuckt, ja. Aber ich hatte nicht die Absicht, einen Streit zu beginnen“, sagte er. O. habe ihn auf den Boden geschubst, ihn dann gewürgt. „Für eine Weile bekam ich keine Luft mehr, mir wurde schwarz vor Augen.“
Zeuge G., ebenfalls Asylbewerber, hatte den Streit in Teilen beobachtet. „O. hatte höflich gebeten, nicht in die Spüle zu spucken“, berichtete er. Allerdings berichtete er auch, dass O. das Opfer so fest gewürgt hatte, dass er ihn kaum von diesem lösen konnte, als er hinzugeeilt war. Auch sei das Opfer ein paar Sekunden lang nicht ansprechbar gewesen.
Jürgen Polom von der Jugendgerichtshilfe empfahl die Anwendung des Jugendstrafrechts. Durch die Flucht sei beim Angeklagten eine Entwicklungs- und Reifeverzögerung festzustellen. Eine Empfehlung, der Richter Schmidt nachkam. Den Anklagevorwurf sah Schmidt bestätigt. Was er ihm aber zugute hielt: Bisher sei O. strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Auch habe der Angeklagte nicht abgestritten, den Geschädigten am Hals gepackt zu haben.
Weil das Opfer A. den Angriff am Tattag nicht auf sich sitzen lassen wollte, war er wenige Stunden später allerdings selbst handgreiflich geworden. Und musste sich daher am Mittwoch in der Folgeverhandlung ebenfalls wegen Körperverletzung verantworten. Vom Opfer zum Täter, sozusagen.
Die Anklage: Nach dem Streit mit O. habe A. zur Bratpfanne gegriffen, um sie seinem Mitbewohner auf den Kopf zu schlagen. Der Angriff glückte allerdings nicht, weil O. den Schlag mit dem Unterarm abwehren konnte. Daraufhin soll A. dem Geschädigten am Hoden gezogen haben. Erst, als O. dem Angeklagten in die Schulter biss, soll dieser abgelassen haben.
„Ich wollte ihn mit der Pfanne schlagen“, gestand A. vor Gericht, „aber noch ehe ich ausholen konnte, packte mich O. am Arm und entriss mir die Pfanne“, ließ der Angeklagte über den Dolmetscher verlauten. Am Hoden habe er O. aber nicht gezogen, behauptete er. Das sah O. allerdings anders: „Ich wollte gerade aufbrechen, da kam er mit der Pfanne an. Wenn ich sie nicht weggeschlagen hätte, wäre mein Kopf zerbrochen“, betonte O. Durch die Abwehrbewegung habe er sich am Arm verletzt. „Dann hat er mich fest am Hoden gepackt und gezogen“, berichtete O, der einen Schulterbiss als einzige Möglichkeit bezeichnete, A. wieder von sich loszubekommen. Zeuge G. konnte die Schilderungen des Geschädigten bestätigen.
Auch bei A. empfahl Jürgen Polom von der Jugendgerichtshilfe die Anwendung des Jugendstrafrechts. Zum Tatzeitpunkt sei dieser 19 Jahre alt gewesen, durch seine Flucht vor zwei Jahren habe Polom auch bei ihm Entwicklungs- und Reifeverzögerungen feststellen können.
Jugendrichter Bernd Schmidt entschied: A. soll für seine Taten ebenfalls 60 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten. Schmidt sprach von vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung, hielt allerdings auch A. zugute, dass der bislang noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Und zumindest seine Absicht zugab, dass er O. tatsächlich habe schlagen wollen.
„Dadurch, dass Sie in die Spüle gespuckt haben, haben Sie die Aktion selbst angezettelt“, betonte Schmidt, „es ist einfach üblich, dass man sich in einer Gemeinschaftsunterkunft an gewisse Regeln halten muss. Das gilt auch für Sie.“