Pointensicherer Kabarettist: Kabarettist Pelzig in Mainz
Rechts oder links, Sozialismus oder Schülerstreiks, grau statt bunt: Erwin Pelzig bricht beim Mainzer 3sat-Festival auch mal wohltuend aus seinem wohlsortierten Weltbild aus
Von Torben Schröder
Gezielte Handkantenschlag-Pointen, famoser Schlussmonolog: Frank-Markus Barwasser alias „Pelzig“ im 3sat-Zelt.
(Foto: hbz/Bahr)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MAINZ - Es beginnt schon, bevor es beginnt. Der Charme beim Besuch des 3sat-Festivals besteht auch darin, einige Details von TV-Produktionen mitzubekommen. Beispielsweise das Warm-up, bei dem der Künstler einige Ankündigungen vorträgt. Etwa, dass morgen Sonntag ist, obwohl heute Donnerstag ist – im Timing der TV-Ausstrahlung soll alles passen. Denn, wie Frank-Markus Barwasser sagt: „Hier hocken 450 Leute, aber wenn 3sat überträgt, werden es fast doppelt so viele sein.“
Als Kunstfigur Erwin Pelzig lockte der Franke ein Millionenpublikum vor die Mattscheibe. Inzwischen Wahl-Mainzer, bekam auch die neue Heimatstadt („Wir brauchen keine Radwege, wir haben eine sehr gute Uniklinik“) einen mit. Dann Abgang, leere Stühle werden weggeräumt, Kameras an, Auftritt.
„Ich fremdele mit dieser Zeit“, sagt der 59-Jährige. Ein Früher-war-alles-besser-Apologet ist er nicht. Für Statements wie „Die Gesellschaft zerfällt, wenn es keine Tatsachen mehr gibt, über die man sich grundsätzlich einig ist“, gibt es zustimmenden Applaus. Pelzig lobt die Schülerstreiks, geißelt die „Internationale der Nationalisten“. Das Weltbild mit raffgieriger Wirtschaft, dunkeldeutschen Ossis und dem Sozialismus, der nie an der Idee, sondern immer am Personal scheitere, ist übersichtlich sortiert. Doch plötzlich gerät alles durcheinander. Womöglich folgt auf Donnerstag ja tatsächlich Sonntag? Der Meinung wird man ja wohl noch sein dürfen.
Ortswechsel. Was auf dem Ernst-Ludwig-Platz im Zelt produziert wird, wird zeitgleich nebenan im Schlosshof-Biergarten übertragen. An die 40 Besucher sitzen dort, bei längst ins Einstellige gefallenen Temperaturen. „Angst ist etwas Normales“, sagt Pelzig, man dürfe Ängste nicht lächerlich machen. Zugleich trifft sein Kabarettisten-Florett all jene im populistischen, also rechten Spektrum, die sich Ängste zunutze machen. Politisch bleibt es, Genre-typisch, natürlich einschlägig – wer wird schon Kabarettist, ohne etwas bewirken zu wollen? Doch dem Programm fehlt es keinesfalls an Grautönen, immer wieder arbeitet Barwasser mit ironischen Brechungen. Die Höhepunkte sind die Momente, in denen er drei Figuren zugleich spielt – den keinesfalls als bloße Karikatur angelegten Stammtischler, den aus der Zeit gefallenen, schöngeistigen Wissenschaftler und den unerbittlich fragenden, mehr noch Thesen aufstellenden Pelzig.
Pointen zu setzen, versteht Barwasser blendend, und als sich das Ganze zu einem famosen Schlussmonolog zuspitzt, gibt’s im Ausschank-Container Szenenapplaus. Zu tun haben die beiden „Eulchen“-Mitarbeiter schon längst kaum noch was, immer mehr zuvor noch gebannte Besucher zieht es frösteln ins Warme. Zwischenfazit: gutes Konzept, suboptimale Jahreszeit.