Tanzmainz verbindet „Fall Seven Times“ und „Im Orbit“
In einem Doppelabend zeigt Tanzmainz im Staatstheater die Wiederaufnahme des erfolgreichen „Fall Seven Times“ mit der Uraufführung des zarteren „Im Orbit“ von Alexandra Waierstall.
Von Melanie Suchy
Feine Dynamiken „Im Orbit“ – das Tanzmainz-Ensemble in der Choreografie von Alexandra Waierstall.
(Foto: Andreas Etter)
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MAINZ - Der neue Doppelabend von Tanzmainz im Staatstheater paart die Wiederaufnahme des erfolgreichen „Fall Seven Times“ mit der Uraufführung des zarteren „Im Orbit“ von Alexandra Waierstall.
Sieben Mal unendliches Fallen: „Fall Seven Times“ hat seit der Premiere im Herbst 2016 am Staatstheater Mainz das Publikum begeistert, und den Faust-Preis 2017 bekam das Künstlerduo Guy Nader und Maria Campos dafür ebenfalls. Es bezaubert durch seine Leichtigkeit und Durchsichtigkeit, denn es ist genau das, was man sieht: Tänzer kippen. Tänzer kippen andere Tänzer, lüpfen, ziehen, schleudern sie, legen sich jemanden quer übers Knie oder wie einen Sack über die Schultern. Der erste kippt noch mit dem Tisch, auf dem er hockt und dessen eines Bein er durchsägt. Ab da fallen nur noch Menschen auf den weißen Boden. Als Objekte?
Beim ersten Paar sind die Rollen noch klar verteilt: Sie ist schlaff, er stützt, hebt, schiebt sie. Später wird das Spiel mit der Kontrolle meist zum abwechselnden Anstoßen oder Werfen, Kippen, Auffangen. Bei den Soli werfen und fangen die Tänzer sich selber, in dem sie abrollen oder beim Taumeln kurz vorm Sturz noch einen Schritt setzen und die Kurve kriegen. Das Kurvige prägt überhaupt das immer wieder überraschend unterschiedliche Fallen, Fallenlassen und Weiterfallen, da wie bei einem Pendel hier der Schwung regiert: ein Ausnutzen der Schwerkraft, statt an ihr zu kapitulieren oder sie zu überwinden zu versuchen. So ist „Fall Seven Times“ auch eine muntere Antwort auf das klassische Ballett, das auf die Illusion ätherischer Schwerkraftlosigkeit abzielte.
NOMINIERT
Das Tanzstück „Fall Seven Times“ ist in der Kategorie Choreografie für den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ nominiert. Guy Nader und Maria Campos choreografierten „Fall Seven Times“ mit dem Ensemble von Tanzmainz.
Campo und Nader choreografieren eine Mechanik, die alle auf der Bühne erfasst. Das erinnert, gerade auch, wenn die Tänzer größere schiefe Balance-Formationen bauen, an den berühmten Film „Der Lauf der Dinge“ des Künstlerduos Fischli & Weiß von 1987. Wird einem das Mechanisch-Perfekte manchmal zum Leerlauf, realisiert man doch auch die so menschliche Lust an dem vielen Loslassen und Fliegen, ebenso die Risiken und das immense Vertrauen der elf Tänzer untereinander. Bravo.
Wachsen und Wachsamkeit
Wie sich eine Gruppe erst bildet, allmählich, als wachse etwas im Pflanzentempo in den fünf Mitgliedern, das sie Zusammenhang und Aufeinanderhören lehrt, zeigt das sehenswerte, leider kürzere „Im Orbit“ der Choreografin Alexandra Waierstall, die in Düsseldorf lebt. Die Tänzer tauchen wie gestrandete Objekte vor einem riesigen, von Wind in Wellen gebauschten mattsilbernen Stoff auf. Aufgerichtet, wölbt sich eine Tänzerin wie diese Seide, eine andere scheint eher die Luft von sich weg zu schieben. Beide halten ihre Arme nebeneinander, wellen ihre Körper ähnlich, doch wirken sie wie in zwei Welten. Als Licht wasserartige Reflexionen vom Boden auf die Tänzer wirft, bündeln sie sich zum flotten Gruppentanz, doch stieben sie bald auseinander. Unsichtbare Fäden verbinden jetzt ihre herausstreckenden Arme; gemeinsam werden sie alt, langsam, klein, versteinern, um im folgenden Teil weiterzuleben, auf einem anderen Planeten im Orbit, oder im Traum.
Hier drehen und beugen sich die Tänzer, treiben etwas robuster durch die Landschaft, werden schneller, folgen einander oder nicht, wie in unvorhersehbaren Wasserstrudeln, die auch in ihrem zähen Innern zu kreisen scheinen. Wie immer bei Alexandra Waierstall ist das Zuschauerauge gefordert, die ganz feinen Dynamiken jenseits bestimmter Formen nachzuvollziehen. Und die Wandlungen. Diese den Naturphänomenen abgeschauten Qualitäten sind fürs Mainzer Ensemble eine Herausforderung, die vor allem die Tänzerinnen im Team, Alessandra Corti, Bojana Mitrovi´c und Amber Pansters, annähernd meistern. Ein Gewinn ist auch, dass der Düsseldorfer Pianist und Komponist Hauschka diese fremdartig bekannten Welt-Räume mitgestaltet und füllt mit hallenden Tönen, leisem Knistern, bis es nur noch langsam blubbert, ganz tief, dunkel wie ein Herzschlag des Alls.