Rheingau Musik Festival erwartet über 130000 Gäste
Das Festival-Team um den Gründer-Intendanten Michael Herrmann stellt ein üppiges Programm vor. Der mobile Konzertkubus wird dabei als „Dark Room“ ins All katapultiert.
Von Volker Milch
Redakteur Kultur/Politik/Wirtschaft Wiesbaden
Das Wiesbadener Kurhaus gehört mit Kloster Eberbach zu den wichtigsten Spielstätten.
(Foto: Marco Borggreve/RMF)
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WIESBADEN - Wie gewinnt ein Sommerfestival eine Solistin, der die Urlaubszeit mit ihren schulpflichtigen Kindern wichtig ist? Wie kommt man an die Adresse eines preisgekrönten Nachwuchspianisten, der noch nicht von einer Agentur vertreten wird? Bei der Vorstellung der 35. Ausgabe des Rheingau Musik Festivals (RMF) lässt das Team um den Gründer-Intendanten Michael Herrmann und Geschäftsführer Marsilius Graf von Ingelheim ein wenig hinter die Kulissen der Planung schauen. Und da ist nicht mehr von Maskenpflichten, Hygienekonzepten oder Abstandsregeln die Rede, sondern von einem Musikleben, wie es sich alle zurückwünschen.
Während in der Kelterhalle der Festivalzentrale in Oestrich-Winkel die Stühle für die Pressekonferenz also noch auf Abstand stehen und die meisten Anwesenden eine Maske tragen, erzählt das Planungs-Duo Lisa Ballhorn und Timo Buckow von ihrer Verpflichtung der Geigerin Julia Fischer als Fokus-Künstlerin und vom Engagement des Pianisten Bruce Liu, des Gewinners des Warschauer Chopin-Wettbewerbs 2021, dessen Privatadresse recherchiert werden musste.
Das war beim Pianisten Jan Lisiecki nicht notwendig. Der 1995 in Kanada geborene Musiker ist dem Festivalpublikum bestens bekannt und nun eigens in den Rheingau gekommen, um sich als Fokus-Künstler vorzustellen. Er wird mit Julia Fischer einen Duoabend bestreiten und mit dem Chamber Orchestra of Europe an zwei Tagen Beethovens fünf Klavierkonzerte im Wiesbadener Kurhaus spielen. Er liebe das intensive Gefühl einer zyklischen Interpretation, durch die sich auch die Wahrnehmung des Einzelwerks wandle, sagt er im Gespräch mit Buckow.
Das Wiesbadener Kurhaus gehört mit Kloster Eberbach zu den wichtigsten Spielstätten. Foto: Marco Borggreve/RMF
Pianist Jan Lisiecki ist einer der Fokus-Künstler des Festivals. Foto: RMF
Geigerin Julia Fischer ist Fokus-Künstlerin des Festivals. Foto: RMF
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Wenn alle Wünsche in Erfüllung gehen, wird Beethoven in einem voll besetzten Kurhaus erklingen. Nach dem RMF-Ausfall 2020 und einem Festivalsommer „unter schwierigen Bedingungen“ 2021 rechnet Herrmann für 2022 mit einem Festival „in bekannter Größe, Form und Strahlkraft“. Für 133 Konzerte zwischen 25. Juni und 3. September stehen 131 171 Eintrittskarten zur Verfügung. Die Gesamtkosten belaufen sich auf acht Millionen Euro. Unter anderem sichern „langfristige Sponsorenverträge“ und auch Spenden der Förderverein-Mitglieder die Finanzierung. 300 Mitglieder konnte der Verein hinzugewinnen. „Wir sind eigentlich finanziell gut über die Runden gekommen“, heißt es auf Nachfrage zur ökonomischen Situation nach zwei Jahren Pandemie. „Viele Käufer haben ihr Geld nicht zurückgefordert.“ Die meisten Sponsoren standen zum Festival, außerdem gab es Hilfsprogramme vom Land und vom Bund: „Wir können in Deutschland schon dankbar sein.“ Der Festivalsommer 2022 müsse sich nun „aus eigener Kraft tragen“.
„Mut und Innovationskraft“ des letzten Jahres sollen dem RMF erhalten bleiben. Im letzten Jahr hatte sich diese „Innovationskraft“ in Form eines mobilen Konzertsaals aus Holz und Stahl materialisiert. Dieser wird in diesem Jahr wahrscheinlich letztmalig auf Schloss Johannisberg aufgebaut. Daher muss das traditionelle Sommerfest ausfallen. Am 13. August findet aber wieder ein „Schlossfest“ in Schloss Vollrads statt. „Festcharakter“ sollen auch Veranstaltungen im Gestüt Schafhof (19.-21 August) haben, einer neuen Spielstätte in Kronberg.
Eröffnet wird das RMF am 25. Juni wieder vom Sinfonieorchester des Medienpartners Hessischer Rundfunk. Michael Herrmann freut sich besonders auf den neuen Chefdirigenten Alain Altinoglu, der Mendelssohns „Lobgesang“ dirigiert, die Sinfonie Nr. 2. Das Abschlusskonzert am 3. September wird von einem „alten Freund“ bestritten: Christoph Eschenbach leitet die Bamberger Symphoniker in Bruckners Achter. Am Vortag erklingt im Kurhaus Beethovens Violinkonzert mit der Solistin Anne-Sophie Mutter und dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck. Der Jazz-Fokus gilt dem Schlagzeuger Wolfgang Haffner. Dem am 4. November vor 175 Jahren gestorbenen Felix Mendelssohn ist ein Schwerpunkt gewidmet. Zudem sind fünf prominente Knabenchöre zu hören.
Der mobile Konzertkubus soll in diesem Sommer sogar ins All katapultiert werden: Für den 5. August verspricht das RMF nämlich eine „Dark Room“-Erfahrung. Das Publikum muss sich, mit Schlafbrillen ausgestattet, auf einen „Blindflug ins All“ einlassen: ein Live-Orchester-Hörspiel mit Musik unter anderem von Gustav Holst.