Vor rund hundert Jahren reiste Wilhelm Kuhnert als Tiermaler durch die früheren deutschen Kolonien Afrikas. Nun widmet ihm die Frankfurter Schirn eine Retrospektive mit 120 Werken.
Von Christian Huther
Löwen hatten es Wilhelm Kuhnert als Motiv besonders angetan. Noch heute werden für seine Bilder bis zu 500 000 Euro bezahlt.
(Foto: Jeremy Enlow)
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FRANKFURT - Von solch einer langen Wirkung träumt jeder Künstler: Wilhelm Kuhnert prägt unser Bild von Afrika auch noch nach über 100 Jahren. Wilde Tiere und Natur pur, mehr zeigte er nicht. Die Menschen interessierten ihn ebenso wenig wie die Geschichte Afrikas. Dort war Wilhelm Kuhnert (1865-1926) der erste deutsche Freilichtmaler. Freilich ist sein Name in Kunstkreisen heute vergessen, aber daran ist er selbst schuld.
Kuhnert pflegte nämlich eine akademische Malerei. Und er war alljährlich nur auf der „Großen Berliner Kunstausstellung“ präsent, dafür mehr auf etlichen Jagd- und Kolonialschauen. So verdiente er fernab des Kunstbetriebs gutes Geld. Noch heute kosten seine Bilder bis zu 500 000 Euro, vor allem in Amerika.
Doch die Qualität seiner realistischen Malerei ist unbestritten, wie jetzt die Frankfurter Schirn Kunsthalle in der ersten großen Retrospektive des Künstlers belegt. Sie versammelt 120 Werke, meist aus Privatbesitz; vieles lagert auch in Naturkundemuseen oder im amerikanischen Zoo. In deutschen Museen ist Kuhnert nur dünn vertreten, doch Schirn-Chef Philipp Demandt zählt ihn zu „den herausragenden Malern und Zeichnern seiner Zeit.“
DATEN ZUR SCHAU
Bis 27. Januar; Di. und Fr.-So. 10-19, Mi./Do. 10-22 Uhr; Katalog 35 Euro.
www.schirn.de.
Prachtvolle Malerei, aber teils zu starr geraten
Nun kuratiert Demandt mit Ilka Voermann die Schau, die als grandiosen Einstieg ein Dutzend von Kuhnerts monumentalen Bildern im Schirn-Saal versammelt. „König der Tiere“ lautet der Ausstellungstitel, denn Kuhnert malte immer wieder Löwen. Eine prachtvolle und delikate Malerei, aber teils zu starr, konnte doch Kuhnert die Tiere aus der Ferne nicht gut studieren. Wie anders das „Verhoffende Zebra“, das mit aufgestellten Ohren und geblähten Nüstern bereits Witterung aufgenommen, die nahende Gefahr wahrgenommen hat. An solchen Bildern mit feinsten Pinselstrichen zeigt Kuhnert seine Klasse, zumal er als erster Maler auch die Natur einbezieht. Die Tiermalerei war zu seinen Lebzeiten sehr beliebt, aber das ist schon lange nicht mehr der Fall. Damals dienten Tiere als Vorbild der natürlichen Ordnung und als Wunschbild für absolute Freiheit.
Natürlich konnte Kuhnert seine Riesenschinken erst im heimischen Berliner Atelier malen. Nur die Zeichnungen und kleine Ölskizzen fertigte er auf seinen vier Expeditionen zwischen 1891 und 1912 an. Meist ging es nach Deutsch-Ostafrika, von 1885 bis 1918 die größte Kolonie des Deutschen Reiches. Sie umfasste die Gebiete der heutigen Länder Tansania, Burundi, Ruanda und einen Teil von Mosambik, hatte also fast die doppelte Fläche des Deutschen Reiches.
Folglich geht es auch um den deutschen Kolonialismus, der in Kunstmuseen bisher kaum thematisiert wurde, im Gegensatz zu den Natur- und Völkerkundemuseen. Die Schau ist also ein Novum und ein Hinweis darauf, dass die jüngere Generation keine Scheu vor unbequemen Themen hat – auch Wilhelm Kuhnert war ein Nutznießer der Kolonialpolitik.
Mitunter reizte Kuhnert doch das menschliche Antlitz, wie wenige Porträts zeigen. Doch meist dienen die Einheimischen lediglich als exotische Staffage vor dem Kilimandscharo oder als Wächter des Lagers. Allerdings findet bei Kuhnert auch kein Krieg statt; den langen Aufstand, den er selbst kämpfend erlebt hat, verschweigt er. Ihn interessierte als passionierten Jäger vor allem die Tierwelt; 1915 malte er sich sogar vor einem erlegten Löwen. Ganz klein daneben der „Größenwahn“, eine Karikatur der rücksichtslosen Jäger, zu denen er sich nicht zählte.
Seine Bilder schmückten sogar „Brehms Tierleben“, auch die Schokoladenfirma Stollwerck versorgte er mit Bildchen für die Sammelalben. Und auf Wandbildern für deutsche Schulen um 1900 saß der weiße Mann am Tisch, die Schwarzen auf dem Boden. Auch mit den Tieren nahm es Kuhnert nicht so genau. Das Löwenpaar in lauschiger Vollmondnacht ist doch etwas zu viel des Guten, das Bild überträgt das bürgerliche Idyll auf das Tier. Ohnehin leben Löwen selten als Paare, eher in Rudeln.