Ausstellungen, Tagungen oder die Pflanzung einer Beuys-Eiche: der Museumsdirektor Martin Faass spricht im Interview über das Programm zur 200-Jahrfeier und die Zukunft seines...
DARMSTADT. Vor 200 Jahren übergab Großherzog Ludewig I. von Hessen-Darmstadt die fürstliche Sammlung an den Staat zum "Nutzen und der Belehrung" der Bevölkerung. Dieses Jubiläum wird in diesem Jahr groß gefeiert. Wir sprachen mit Martin Faass, dem Direktor des Hessischen Landesmuseums, darüber, was sein Haus zu diesem Anlass vorhat, was es in Zeiten der Globalisierung leisten kann und was Joseph Beuys mit Alnatura zu tun hat.
Herr Faass, das Landesmuseum feiert unter dem Motto "200 Jahre universales Denken". Sie heben dabei auf die erhaltene Struktur des Doppels Kunst und Naturwissenschaften ab. Doch leben wir heute nicht in einer Welt der Spezialisierungen?
Ja, das ist absolut richtig und meiner Meinung nach auch der Grund, warum unser Museum eine besondere Chance hat, zum aktuellen Diskurs etwas beitragen zu können. Denn wir erleben es ja als Verlust, dass wir das große Puzzle an Informationen aus so vielen Spezialdisziplinen gar nicht mehr zu einem Verständnis der Welt zusammenfügen können. Es ist schwierig, das Ganze in den Blick zu bekommen, und umso wichtiger, vernetzt und universal zu denken. In einer Zeit der Globalisierung, in der alles, was wir tun, Auswirkungen weltweit hat, kann ein Universalmuseum, das Naturwissenschaften und Künste präsentiert, gute Antworten beitragen.
Zur Feier gehört eine weit größere Zahl von Ausstellungen in diesem Jahr als sonst üblich im Landesmuseum...
Ja, wenn man 200 Jahre alt wird, muss man auch ordentlich feiern. Das ist wie im privaten Bereich und war selbstverständlich für mich. Es geht aber auch darum, die Vielfalt der Bereiche und Sammlungen des Hauses anschaulich zu machen. Es gibt die zeitgenössische und die alte Kunst, die Naturkunde mit Messel und unserem Mastodon und zusätzlich innovative Formate, zum Beispiel eine Rauminstallation im Barocksaal oder die Fotografie mit hineinzunehmen, um unser Profil weiterzuentwickeln.
Wie viele Besucher hatte Ihr Haus in den vergangenen Jahren, und wie viele erhoffen Sie sich zur 200-Jahr-Feier?
Zuletzt hatten wir durchschnittlich 80 000 Besucher jährlich. Und natürlich hoffen wir, dass die attraktiven Angebote dieses Jahr noch weit mehr Interessenten ins Haus bringen. Aber jetzt bereits eine Zahl zu nennen, wäre unseriös.
Werden Sie im Jubiläumsjahr die Besucher auch durch Aktionen ins Museum locken, bei denen sie aktiv werden: Projekte wie "Bringen Sie uns Ihr Lieblingsstück" oder Sprechstunden wie "Kunst oder Krempel"?
Wir bieten viele Veranstaltungsformate an. Zu den Ausstellungen kommen eine Tagung, ein Symposium und besondere Aktionen wie das Pflanzen einer Beuys-Eiche mit dem Darmstädter Oberbürgermeister. Dann feiern wir ein großes Geburtstagsfest am 11. Juli in Folge unseres Festakts am 9. Juli. Das ganze Wochenende wird das Landesmuseum allen Besuchern kostenlos offen stehen.
Welche Rolle spielt der stetig wachsende Verein der Freunde des Museums, der seit fast 60 Jahren aktiv ist für Ihr Haus?
Durch diesen Verein mit seinen inzwischen 1700 Mitgliedern haben sich die Stadt Darmstadt und ihre Bevölkerung deutlich mehr mit dem Haus verbunden, das ist eine tolle Entwicklung. Die "Freunde" sind eine ganz wichtige Stütze dieses Hauses, und für uns dazu eine Chance, nicht nur mit den Mitgliedern, sondern auch mit der Stadtgesellschaft in einen Austausch zu treten, dort verankert zu sein und in die Breite zu wirken.
Welche Rolle spielen Sponsoren?
Sie spielen eine sehr große Rolle. Projekte mit Strahlkraft sind nur möglich, wenn wir starke Partner und wichtige Förderer haben. Aber auch Stiftungen unterstützen uns, etwa die Hessische Kulturstiftung oder der Kulturfonds Frankfurt/Rhein-Main, die Projekte im Jubiläumsjahr fördern werden. Wichtige Sponsoren sind die Entega oder Merck. Mit ihrer Unterstützung wird es gelingen, Darmstadt im kulturellen Bereich nach vorne zu bringen, denn ohne Förderung können wir große Projekte nicht stemmen. Wir sind auch ganz stolz, Alnatura an unserer Seite zu haben. Mit dem Unternehmen gibt es eine Marketing-Kooperation - und es gibt eine enge Verbindung von Alnatura zu Beuys.
Alnatura und Beuys?
Der Geschäftsführer von Alnatura, Götz Rehn, ist ein begeisterter Beuys-Anhänger. Er wird am 1. April in unserem Haus einen Vortrag über Beuys halten.
Viele Ausstellungshäuser haben Online-Programme aufgebaut, die Selbstdarstellung betont frisch unter die Leute bringen. Das Landesmuseum hält sich hier eher vornehm bedeckt?
Auf Facebook, Instagram und YouTube sind wir schon ziemlich aktiv, und werden diese Aktivitäten auch gerade in diesem Jubiläumsjahr verstärken, indem wir eine Social-Media-Managerin zur Unterstützung unserer Öffentlichkeitsarbeit eingestellt haben und ganz neue Wege gehen können.
Auch der Block Beuys soll ja online gehen?
Ja, dafür gibt es eine tolle Kooperation mit dem Fachbereich Architektur der TU Darmstadt. Wir arbeiten an der Digitalisierung, damit man den Block Beuys virtuell durchschreiten kann und dazu die Möglichkeit hat, Einzelobjekte anzuklicken, um eine zweite Schicht mit Informationen, Dokumentationen oder Filmen abzurufen. Das wird bereits im Rahmen der Beuys-Ausstellung möglich sein.Wir treiben diese Art eines "Digital Museum" dabei gerade am Block Beuys voran, da dieser ja für Besucher mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit oder Rollstühlen nicht begehbar ist. Die digitale Erfassung macht die Installationen über unsere Website aber überdies international besuchbar. In der Ferne liegen auch virtuelle Kooperationen mit den Beuys-Standorten Wiesbaden und Kassel in Hessen.
Könnte sich das Museum auch durch seinen Bau nach außen besser darstellen, etwa durch ein besseres nächtliches Beleuchtungskonzept der Fassade? Warum sind Sie dabei so zurückhaltend?
Der Vorplatz des Museums ist ein in jeder Hinsicht extensiv genutzter Platz. Natürlich würden wir ihn gerne mehr nutzen und auch das Museum besser beleuchten. Da bin ich seit Beginn meiner Tätigkeit dran. Doch dies hängt natürlich auch mit der Fertigstellung des Friedensplatzes zusammen. Dort sind erste Leuchtstelen installiert, und es gibt daran erste Leuchten, die auf unsere Fassade strahlen. Wir sind jetzt mit den Denkmalpflegern im Gespräch und schauen zunächst, welche Effekte die neuinstallierte Beleuchtung des Friedensplatzes erzeugt. Und wenn wir feststellen, dass es immer noch ein wenig kümmerlich ist, dann gehen wir einen zweiten Schritt und sorgen für eine ergänzende Beleuchtung der Fassade. Insofern hängen wir leider so ein bisschen an der Fertigstellung des Friedensplatzes.
Wie ist das Verhältnis des Landesmuseums zur Stadt, wo gibt es Berührungspunkte?
Die sind sehr zahlreich. Die Gespräche mit der Stadt sind insgesamt sehr konstruktiv. Denn alle wollen, dass der Friedensplatz zu einem attraktiven Ort wird, der ein Zentrum für die Stadt bildet mit dem Schloss auf der einen und dem Landesmuseum auf der anderen Seite.
Sie haben die Idee nicht aufgegeben, dass es doch noch einen Neubau geben könnte, der dem Messel-Bau ein modernes Äquivalent gegenüberstellt?
Nein, diese Idee habe ich nicht aufgegeben. Aber es ist nicht ganz so einfach. Es kann nicht darum gehen, das einzufordern, was vor zehn Jahren nicht gebaut wurde, denn die Anforderungen an ein solches Haus sind heute völlig andere als bei der Ausschreibung des Wettbewerbs 2004. Daher ist es absolut notwendig, eine neue inhaltliche Idee und ein neues Konzept für einen Neubau zu entwickeln, der zum wichtigen Baustein für die Zukunft unseres Universalmuseums werden kann. Wir sind dabei, ein solch innovatives Konzept für einen Bau zu entwickeln.
Was ist der Kern eines solchen Konzepts?
Es reicht nicht, zu sagen: Wir haben eine schwierige Situation mit den ausgelagerten Depots und Werkstätten, sondern es braucht ein Nutzungskonzept, das neue Wege aufzeigt. Es geht auch darum: Was braucht Darmstadt? Welche Partnerschaften mit anderen Institutionen sind sinnvoll? Hier zeichnet sich durchaus auch das ein oder andere ab.
Könnte man die Raumnot nicht auch mit "Wechseln" des Gezeigten beheben?
Das Wechseln allein schafft ja noch nicht mehr Platz. Dennoch ist es ein wesentlicher Teil der Museumsarbeit, immer wieder neue Sammlungsbestände zu aktivieren. Auch eine Variabilität in den Dauerausstellungen ist wichtig. In der aktuellen Situation können wir dieser Aufgabe allerdings kaum gerecht werden, weil viele Objekte unausgepackt und übereinandergestapelt in den angemieteten Depots lagern. An viele unserer Schätze kommen wir gar nicht heran, um damit zu arbeiten. Doch wie dem auch sei: Das Museum selbst ist hervorragend saniert und präsentiert sich im Jubiläumsjahr mit der ganzen Pracht seiner Sammlungen.
Das Interview führten Annette Krämer-Alig und Annette Wannemacher-Saal.