Mainzer Landtag: „Kunst im Abgeordnetenhaus“ zeigt kämpfende, mutige Frauen
Von Marianne Hoffmann
Hatice Ogur dokumentiert das Schicksal von kurdischen Freiheitskämpferinnen im irakisch -syrischen Kriegsgebiet. Foto: hbz/Jörg Henkel
( Foto: hbz/Jörg Henkel)
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MAINZ - Hatice Ogur ist Kurdin. Sie war ein halbes Jahr alt, als ihr Vater, ein kritischer Journalist in der Türkei, mit Frau und Kindern fliehen musste. Er floh vor dem Militärdienst und der Unterdrückung der Kurden. Das ist lange her. Heute hat Hatice Ogur ihren Bachelorabschluss in Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie in der Tasche. Ihre Abschlussarbeit hat sie, ihrem Ursprung verpflichtet, über kurdische Frauen im Irak und in Deutschland geschrieben, diese fotografiert und ein Video erstellt. Zur Zeit sind diese Werke im Abgeordnetenhaus in Mainz zu sehen.
Statt Flucht Kampf gegen Unterdrückung und IS-Terror
Die Reihe „Kunst im Abgeordnetenhaus“ von Manfred Geis ist die ideale Plattform für ein Thema voller politischer Brisanz und menschlicher Anteilnahme. Kathrin Simons, einst Professorin an der Mainzer Fachhochschule, hat Geis zu dieser Ausstellung inspiriert.
Stefan Enders ist Professor für Fotografie und fachlicher Begleiter von Hatice Ogurs Bachelorarbeit. Am Eröffnungsabend der Ausstellung hält er eine bewegende Rede. „Wir fragen uns: Warum solche Bilder hier, was soll das hier? Zeigt uns Manfred Geis nun Presse-Fotos aus dem irakisch-syrischen Kriegsgebiet?“ Es geht um eine intensive Auseinandersetzung mit Frauen, die im Irak als PKK-Kämpferinnen im Einsatz gegen den IS (Islamischer Staat) sind und dort etwas gefunden haben, was in der Welt der kurdischen Frauen nicht existiert: Emanzipation.
ÖFFNUNGSZEITEN
Bis 12. September bei „Kunst im Abgeordnetenbüro“, Abgeordnetenhaus des Landtags, Kaiser-Friedrich Straße 3, Mainz; Mo-Fr, 9 bis 18 Uhr.
Im Rahmen des Projektes „3x klingeln” am kommenden Wochenende ist die Ausstellung am Samstag, 2. September von 14 bis 19 Uhr und Sonntag, 3. September, 12 bis 19 Uhr geöffnet.
Den Kämpferinnen der PKK (die ursprünglich als Arbeiterpartei Kurdistans gegründet wurde) im Irak hat Hatice Ogur deutsch-kurdische Frauen oder kurdisch-deutsche Frauen aller Altersgruppen gegenübergestellt. Jeder der großartigen Portraitfotografien steht ein knapper Begleittext zur Seite. Aus Hunderten von Interviews die richtigen Worte auszuwählen, bedeutet konzentrierte Arbeit und Einfühlungsvermögen. Drei Jahre hat Ogur an Vorbereitungszeit gebraucht, bis sie in den Irak einreisen konnte und zu den PKK-Kämpferinnen kam.
Wie sie das geschaftt hat, bleibt ihr Geheimns. Evin Zerzan ist 24. Mit siebzehn wurde sie zur Ehe gezwungen. In den sechs Jahren ihrer Sklaverei, wie sie selbst sagt, hatte sie fünf Fehlgeburten.
In der Armee hat sie ihr Selbst, ihr inneres Ich gefunden. Sultan Coban ist 62 und lebt als Schneiderin in Gießen. „Wir sind vor der Unterdrückung des türkischen Staates, in der mein Mann unterdrückt und gefoltert wurde, geflohen.” Hanif ist 53. Sie ist jesidischer Flüchtling (eine nordkurdische religöse Minderheit) und lebt in Rödelheim. Neun Kinder hat sie geboren, die in Deutschland sozialisiert sind. Sie kann sich aber vorstellen, eines Tages in die Türkei zurückzukehren. Cigden Dogu ist 45 und die Kommandantin der PKK-Frauenarmee. „Früher war ich ganz anders, individualistischer. Seit ich bei der Partei bin, bin ich sozialisiert und disziplinierter geworden.”
Begleitend zu den Frauenportraits gibt es Fotos von den Örtlichkeiten im Irak. Nirgendwo sind die Gräuel der erbitterten Kämpfe sichtbar.
Und zum Video sagt Stefan Enders: „Nachdem Sie sich die Porträts an den Wänden angeschaut haben. …. lassen Sie diese Video- Sequenzen auf sich wirken. Es sind dieselben Frauen, die Sie eben vorher schon als Foto gesehen haben. Die Frauen stehen nur vor der Kamera, sie stehen nur vor uns und schauen uns an. Ganz wenige, nur leichte Bewegungen, die wir wahrnehmen können, vermitteln in den Videos eine neue, eine ganz eigene, eine ganz intensive Wahrnehmung.”