Gießen: Bei Friseuren war kurz vor Lockdown "die Hölle los"

Die strengen Hygienestandards gelten in Friseurgeschäften schon seit Pandemie-Beginn.  Symbolfoto: dpa

Die Friseurläden in Gießen erlebten an den letzten Tagen vor dem Lockdown einen riesigen Ansturm, mit dem es Corona-konform umzugehen galt. Viele Inhaber, auch die von...

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GIESSEN. Alle Hände voll zu tun hatten am Montag und Dienstag die Gießener Friseursalons. Lange Schlangen hatten sich vor den Läden gebildet, die Kunden oftmals ohne vorherige Termine annahmen. Dass er der Fünfte in einer langen Reihe war, die in entsprechendem Abstand wartete, schien den 23-jährigen Max nicht zu stören. "Ich möchte noch mal meine Haare schneiden lassen, bevor es ab Mittwoch nicht mehr möglich ist", sagte er. Noch schnell ein paar Strähnchen sollten es für die 17-jährige Svenja sein, die geduldig hinter Max wartete, während die fünf Friseur(innen) im Salon ihr Bestes gaben, um die Kunden gut, aber dennoch schnell zu bedienen. "Und das, wo die Feiertage vor der Türe stehen", meinte eine alte Dame beim Verlassen des Salons in der Innenstadt. "Und ob es dann nach dem 10. Januar weitergeht, weiß man nicht."

"Branche sehr gewissenhaft"

Eine Prognose mag auch Björn Hendrischke, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Gießen, nicht wagen. "Leider kann ich keinen Blick in die Kristallkugel werfen", bedauert er. "Die Friseure haben unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage sind, mit der Pandemie umzugehen, und alles getan, um den Hygienestandards zu entsprechen", betont er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die letzten Wochen und Monate hätten gezeigt, dass die Branche sehr gewissenhaft mit den Einschränkungen umzugehen verstehe. Viele Kollegen hätten freiwillig durchgehend mit FFP2-Masken gearbeitet und sorgsam darauf geachtet, dass auch die Kunden einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Darüber hinaus habe man unter anderem auf eine obligatorische Haarwäsche vor jeder Behandlung geachtet, mit Einweg-Umhängen gearbeitet und Handdesinfektions-Spender aufgebaut. Einige Salons hätten Plexiglasscheiben zwischen den Arbeitsplätzen aufgestellt oder teure Belüftungsanlagen einbauen lassen. Arbeitsabläufe seien angepasst, Wartebereiche eingeschränkt oder sogar ganz beseitigt worden. "Dass sich Friseursalons in Pandemiezeiten nicht zu Hotspots entwickelt haben, ist auch dem strengen und gut durchdachten Covid-19-Arbeitsschutzstandard der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Anm. d. Red.) zu verdanken", unterstreicht Hendrischke.

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"Da unsere Arbeitsschutz-Standards sehr hoch sind, sind nicht wenige der insgesamt 291 Friseurbetriebe in Stadt und Land, von denen 65 Mitglied in der Innung sind, von der erneuten Zwangspause sehr enttäuscht", erklärt er. Bisher habe es noch keine Insolvenzen gegeben, aber einige Betriebe hätten bereits signalisiert, dass die Luft langsam dünn werde. "Viele Mitgliedsbetriebe haben beim ersten Lockdown staatliche Hilfen in Anspruch genommen", weiß er. Leider sei auch das Novembergeschäft bei einigen in diesem Jahr nicht so gut wie in den Vorjahren gewesen. "Wir hatten deutlich mehr Terminabsagen aufgrund von Erkältungserscheinungen, Quarantänefällen innerhalb der Familie oder Kinderbetreuung", akzentuiert Hendrischke. Dies habe zur Folge, dass die Salons eigentlich umso mehr auf das Vorweihnachtsgeschäft angewiesen wären.

Das kann auch Friseur-Obermeisterin Evelyn Scheld nur bestätigen. "Wir hatten bis zum 23. Dezember bereits alle Termine vergeben", erklärt sie. Mit einer erneuten Schließung habe sie nicht gerechnet. Scheld, die ihren Salon in Reiskirchen vor zwei Jahren an Olga Will abgegeben hat, packt kräftig mit an. "Wir haben versucht, alle Kunden, die am Mittwoch einen Termin hatten, auf Montag zu verlegen", erklärt sie. Statt um 9 Uhr habe man bereits um 7.30 Uhr geöffnet und bis kurz vor der Ausgangssperre um 21 Uhr gearbeitet. "Wir waren nach dem zweiten Lockdown immer gut ausgebucht", betont sie. Nun habe man alle Termine canceln müssen. "Für Januar haben wir noch keine Termine vergeben. Wir müssen erst mal sehen, wie es weitergeht." Ebenso wie Björn Hendrischke befürchtet Evelyn Scheld, dass einige der Innungsmitglieder einen zweiten Lockdown nicht überstehen werden.

Lehrlinge packen mit an

"Bei uns war die Hölle los", beschreibt Denise Barthel (Haarschneiderei Barthel, Gießen) ihre letzten beiden Arbeitstage vor dem Lockdown. "Wir haben versucht, unter strenger Einhaltung der Hygienemaßnahmen alle Kunden zu bedienen." Kein Mitarbeiter habe frei gehabt, und selbst die Lehrlinge, die ansonsten in der Berufsschule sind, hätten kräftig mit angepackt. Auch die Öffnungszeiten habe man verlängert. "Bei den hohen Infektionszahlen macht es aber Sinn, etwas zu unternehmen", räumt sie ein. Für eine Wiedereröffnung der Friseursalons am 10. Januar sieht sie allerdings schwarz.

Mindestens genauso hart trifft der neuerliche Lockdown die Kosmetikstudios. Bis Dienstag durften zumindest noch diejenigen Studios geöffnet sein, die eine medizinisch notwendige Behandlung wie Fußpflege angeboten haben, während die anderen bereits Anfang November schließen mussten. Vielerorts war aus diesem Grund nur der Anrufbeantworter zu erreichen. Brigitte Wehner (Kosmetikstudio Giessen) arbeitet seit 40 Jahren in der Branche und hatte die letzten Tage noch alle Hände voll zu tun. "Eine Situation wie diese habe ich noch nicht erlebt", akzentuiert sie. Die Schließung gehe in Ordnung, der Teil-Lockdown hingegen sei total unnötig gewesen. Ihres Erachtens nach fehle es an vernünftigen Konzepten und besseren Kontrollen durch das Ordnungsamt.

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In ihrem Kosmetikstudio habe man schon immer mit Infektions- und Mundschutz gearbeitet. Dies würde, da sie auch im Bereich der medizinischen Fußpflege tätig sei, regelmäßig vom Gesundheitsamt überprüft. Von der staatlich versprochenen Novemberhilfe habe sie allerdings bisher nur einen Abschlag bekommen, der gerade mal für die Miete reiche, erzählt Wehner.

Von Petra Zielinski