Damals nickten auf mehreren Ölfeldern im Ried die alten Pferdekopfpumpen und förderten den zähflüssigen, schwarzen Saft aus mehreren Tausend Meter Tiefe an die Oberfläche. Insgesamt mehr als eine Million Tonnen, die damals mit Kesselwagen der Bahn zu den Raffinerien gebracht wurden. Doch mit der Ölschwemme aus den arabischen Staaten und dem Preisverfall des Rohöls rechnete sich die personell aufwendige Förderung im Ried nicht mehr. Ein Ölfeld nach dem anderen wurde geschlossen. Heute, mit modernen und weniger personalaufwendigen Fördermethoden, macht das Riedöl wieder Sinn.
Zudem sei das Öl aus dem Ried besonders hochwertig, berichtet Reinhold. Kaum Schwefel, kaum Schwermetalle und von der Sorte "sweet-light". Reich an wertvollen Inhaltsstoffen ist dieses Öl viel zu schade, um in einem Motor verbrannt zu werden. Begehrt ist das Riedöl in der Kosmetik- und Arzneimittelindustrie oder für die Möbelherstellung. Für gute Qualität werden gute Preise bezahlt.
Reinhold greift zu einer kleinen Flasche und deutet auf den schwarzbraunen Inhalt, der aus einer der regelmäßigen Probeentnahmen stammt. Es ist Riedöl. "Wie Hustensaft" sagt Reinhold zu dessen Konsistenz. Nur anders im Geruch.
Bei der hochwertigen Qualität kommt es auch nicht zu sehr auf die Fördermenge an. Im Schnitt zwei Tanklastwagen fahren pro Woche auf dem kleinen Bohrfeld vor, docken an einer Leitung an, pumpen jeweils rund 33 Tonnen Öl in den Tank und transportieren es zur Weiterverarbeitung in eine Raffinerie in Karlsruhe.
Ein stabiler Ölpreis, so um die 65 Dollar pro Barrel (159 Liter) ist für Carsten Reinhold wichtig, denn nur so lassen sich Kosten wieder hereinholen, die das Unternehmen im Vorfeld investiert hat. Aufwendige seismografische Untersuchungen mit Spezialfahrzeugen und mehrere kostenintensive Probebohrungen, die mangels Öl nicht zu einer Förderung geführt haben, müssen refinanziert werden. Das gelingt jetzt in Stockstadt, dem Dallas im Ried sozusagen. Im Schnitt liege die Erfolgsquote bei Probebohrungen zwischen 1:3 und 1:10, berichtet der Rhein-Petroleum-Geschäftsführer. Im Ried lag sie bisher bei 1:3. Wer bei Stockstadt nun nach großen Bohrtürmen Ausschau hält, sucht vergebens. Auch die Pferdekopfpumpe gibt es nur noch als Denkmal auf dem Kühkopf. Eingezäunt und videoüberwacht liegen ein paar silbern glänzende Edelstahltanks, umgeben von Rohrleitungen, auf dem Bohrfeld. Höchstes Bauwerk ist ein schlanker, etwa zehn Meter hoher Mast. An dessen Fuß sitzt die Förderpumpe. Ein Wärmetauscher kühlt oder erwärmt das Öl, je nach Außentemperatur. Mit dem Öl ausströmendes Gas wird für die Heizanlage verwendet.
Die Sicherheitsauflagen für das Betreten des Bohrfeldes sind hoch. Schon ein kleiner Funke in der Nähe der Förderanlage könnte zu einer Explosion führen. Deshalb ist antistatische Sicherheitskleidung vorgeschrieben. Betriebsleiter Wolfram Fleschhut führt immer ein Messgerät bei sich, das eine mögliche Gefahr sofort anzeigt.
Die komplette Anlage wird von einer Zentrale aus ferngesteuert. Nur wenn ein Fehler gemeldet wird, macht sich Fleschhut auf den Weg und sucht nach der Ursache. Um ein Bohrfeld zu überwachen, braucht der Betriebsleiter nicht mehr als ein Tablet.
Nachdem vom Bergamt die Fördergenehmigung für die nächsten 25 Jahre erteilt ist, hat Reinhold bereits weitere Pläne für die kommenden Jahre. Etwa 1500 Meter südlich des derzeitigen Bohrfeldes plant Rhein-Petroleum eine weitere Probebohrung. Ein entsprechender Ackerstreifen wurde bereits gepachtet, die Planungen laufen. 2019 soll die Probebohrung starten. Dann wird es ein paar Wochen lang auch wieder einen richtigen Bohrturm geben, wie man ihn aus den einschlägigen Fernsehserien kennt.
Reinhold interessiert sich vor allem für die Bohrfelder, auf denen schon früher Öl gefördert wurde. Dort könnte noch immer Öl vorhanden sein, das eine Förderung lohnt. Auch das derzeitige Bohrfeld bei Stockstadt könnte nach Reinholds Einschätzung noch erweitert werden.
Rhein-Petroleum fördert nicht nur im hessischen Ried, sondern auch auf mehreren Feldern bei Speyer und in Baden-Württemberg. "Mit jeder erfolgreichen Förderung lernen wir, das Potenzial der Lagerstätten besser zu verstehen", sagt Reinhold. Und deshalb wird es in Zukunft auch im Ried wieder mehr Förderstellen geben. Wie im vergangenen Jahrhundert, nur deutlich moderner und effizienter.
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